
Die Preise für Häuser und Wohnungen sind selbst in der Coronakrise gestiegen – das Gewos-Institut registriert "die stärksten Preiszuwächse seit Beginn unserer Aufzeichnungen". Die Experten erwarten, dass damit auf dem heiß umkämpften Markt noch lange nicht Schluss ist.
Konnte die Coronakrise dem Immobilienmarkt in Deutschland schon nichts anhaben, so rechnen die Experten des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung nun auch noch mit Nachholeffekten. Laut ihrer Prognose wird der Gesamtumsatz mit Immobilien in Deutschland bis Jahresende 2021 gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Prozent auf rund 311 Milliarden Euro steigen.
Großstädte: Quasi leergekauft
Treiber sind Wohnimmobilien. Hier erwartet Gewos einen voraussichtlichen Umsatz von 237,7 Milliarden Euro – das wären noch einmal 7,5 Prozent mehr als im Jahr 2020. "Gleichzeitig wird die Zahl der Transaktionen nur leicht um 1,4 Prozent steigen. Der Durchschnittspreis pro Kauffall steigt also weiter", heißt es in der Prognose.
Eine Atempause habe es im Corona-Jahr 2020 nicht gegeben, erklärt Gewos-Experte Sebastian Wunsch. Das Marktgeschehen verlagere sich zunehmend aus den leergekauften Märkten in den Großstädten in die Speckgürtel und in ländliche Räume. Besonders gefragt sind Ein- und Zweifamilienhäuser, für die Gewos im vergangenen Jahr ein Allzeithoch von bundesweit 259.300 Kauffällen registrierte.
"Die Preisdynamik im Bereich des selbst genutzten Wohneigentums hat sich im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt", berichtet Gewos auf Grundlage der tatsächlichen Transaktionen. Mit 10,8 Prozent bei Eigenheimen und 7,2 Prozent bei Eigentumswohnungen hat das Hamburger Institut im Jahr 2020 "die stärksten Preiszuwächse seit Beginn unserer Aufzeichnungen in den 80er-Jahren festgestellt".
Mieten: Corona-Effekt kleiner und regionaler
Eine verstärkte Preisdynamik während Corona bestätigt auch eine Untersuchung von Immobilienökonomen der Universität Regensburg im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach betrug der Pandemie-Effekt bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern seien es 1,1 Prozentpunkte gewesen.
Zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem zweiten Quartal 2021 haben dem Institut zufolge die Angebotspreise für Eigentumswohnungen sogar um durchschnittlich 17 Prozent zugelegt, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent. Bei den Mieten sei der Effekt kleiner und zudem regional unterschiedlich: Während die Pandemie das Wachstum bei Neuvertragsmieten in Groß- und Mittelstädten leicht gedämpft habe, seien die Angebotsmieten für Neuverträge in ländlicheren Regionen durch Corona zusätzlich nach oben gegangen.
Bundesweit sind laut dieser Studie aber auch die Angebotsmieten um fünf Prozent gestiegen, sodass die Mieter-Haushalte einen immer größer werdenden Teil ihres Budgets für Wohnen aufbringen müssen. "Getrieben von hohen Baupreisen und fehlenden Anlagealternativen sind Mieten und Kaufpreise wieder stärker gestiegen als die Einkommen", stellt die Regensburger Studie fest. Wohneigentum werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichen oder kleineren Einkommen "zunehmend unerschwinglich".
Wohnimmobilien: Wo haben sie sich besonders verteuert?
Dass die regionalen Unterschiede bei der Entwicklung der durchschnittlichen Kaufpreise relativ groß sind, zeigen auch die Zahlen einer Wohn- und Finanzierungsmarkt-Analyse von Europace. Verglichen wurden die Zahlen aller Transaktionen auf der Plattform zwischen März 2020 und Februar 2021 mit den Plattformdaten von März 2019 bis Februar 2020.
Der Stadtstaat Hamburg ist demnach Spitzenreiter bei den Anschaffungskosten: Hier kostet ein Haus im Durchschnitt mittlerweile knapp 608.000 Euro, ein Fünftel (20 Prozent) mehr als im Vergleichszeitraum. Eigentumswohnungen gibt es im Schnitt für rund 441.000 Euro (plus 17 Prozent).
Die höchsten Steigerungsraten im Vergleich der Bundesländer machen die Autoren der Europace-Studie in Ostdeutschland aus: Um ein Viertel (25 Prozent) auf rund 189.500 Euro sind die Preise für Wohnungen in Thüringen gestiegen. Häuser kosten hier im Schnitt 266.000 Euro, dabei ist der Anstieg in dieser Kategorie mit plus sieben Prozent noch moderat. Ganz im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern mit dem bundesweit stärksten Plus (18 Prozent) bei den Preisen für Eigentumswohnungen (knapp 226.000 Euro).
Nahezu eingependelt haben sich die Preise im Saarland: Bei den Wohnungen kommt Europace in seiner Analyse nur noch auf ein Plus von zwei Prozent (179.500 Euro), bei den Häusern sind es plus sechs Prozent (253.700 Euro). Das sind bundesweit die geringsten Anstiege.
In den Metropolen fällt das Preisplus deutlich aus
Die Ergebnisse der Europace-Analyse werden gestützt von den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das vierte Quartal 2020: Demnach sind die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland zum Jahresende dynamisch gestiegen. Die Statistiker kommen zu dem Schluss, dass Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser 8,1 Prozent teurer waren als vor einem Jahr – das sei die höchste Steigerungsrate seit dem vierten Quartal 2016 mit damals 8,4 Prozent im Schnitt.
Am stärksten stiegen dem Bundesamt zufolge die Preise für Häuser in den sieben Top-Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart und Leipzig (plus 12,1 Prozent) und in dünn besiedelten ländlichen Kreisen (plus elf Prozent). In den dichter besiedelten ländlichen Kreisen stiegen die Kaufpreise demnach um 9,8 Prozent, in den städtischen Kreisen um sieben Prozent. Auch Eigentumswohnungen wurden teurer: Am stärksten legten die Preise den Statistikern zufolge in den dichter besiedelten ländlichen Kreisen zu mit einem Plus von 8,9 Prozent, während sie in den städtischen Kreisen nur ein Plus von 5,7 Prozent vermerkten.
Auch Europace hat die Preise für Wohnimmobilien in den Top 7 noch gesondert betrachtet. Bei dieser Analyse ist Stuttgart mit einem Plus von 15 Prozent im Schnitt (Häuser und Wohnungen) ganz vorne. Der durchschnittliche Kaufpreis liegt in der baden-württembergischen Hauptstadt demnach bei 434.900 Euro. Die unter dem Strich teuerste Stadt bleibt München (plus 13 Prozent, 753.800 Euro). Den geringsten Anstieg verzeichnet Frankfurt mit plus elf Prozent (rund 431.200 Euro).
"Nach unserer Datenlage zeichnet sich auch für die nächsten Jahre ein starker Wohnimmobilienmarkt ab", meint Europace-Vorstand Stefan Münter. Der habe durch die Unsicherheiten der Corona-Krise eher noch zugelegt. Verändert habe sich nur das Nachfrageverhalten, nicht der Markt als Ganzes.
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