
Die Energiepreise und das geplante Heizungsgesetz haben den Trend verstärkt: Wer ein Mehrfamilienhaus kaufen will, legt Wert auf die Energieeffizienz, wie Makler beobachten. Bei Immobilien mit einer schlechten Klimabilanz drohen Eigentümern hohe Wertverluste.
Eigentümern von Gebäuden mit schlechter Energiebilanz drohen Preisabschläge von knapp 30 Prozent in der Spitze, wie eine Studie des Maklerhauses JLL zeigt, für die rund 5.000 Angebotsdaten von neuen und alten Mehrfamilienhäusern (mehr als zwei Einheiten) ausgewertet wurden. Unter Neubauten fallen hier Immobilien, die Baujahr 2016 oder jünger sind. Datenquelle ist die Value AG.
Energieeffizienz: Gewinnt bei Wohninvestoren an Relevanz
Im ersten Quartal 2023 lagen JLL zufolge die Angebotspreise für Mehrfamilienhäuser der schlechtesten Energieklassen G und H im Schnitt rund 28 Prozent unter denen der besten Energieklassen A sowie
A+. Ein Jahr zuvor habe der Unterschied gut ein Fünftel (21,6 Prozent) betragen, zeigt die am 2. Juni veröffentlichte Analyse. Zuvor hatte das "Handelsblatt" darüber berichtet.
Im Vergleich zum vierten Quartal ist der Preisabschlag für Mehrfamilienhäuser mit der schlechtesten Energieeffizienz (24,5 Prozent) damit noch einmal spürbar um rund 3,6 Prozentpunkte gestiegen. Im Durchschnitt der einzelnen Energieeffizienzklassen hat sich der Abschlag laut JLL um rund 2,6 Prozentpunkte vergrößert.
"Mit dem starken Anstieg der Energiepreise im Jahr 2022 hat das Thema Energieeffizienz von Gebäuden bei Investoren noch einmal deutlich an Relevanz gewonnen", sagt JLL-Experte Roman Heidrich. Bei energetisch schlechteren Immobilien müsste mit geringeren Mieteinnahmen und einer schlechteren Handelbarkeit am Markt gerechnet werden. Außerdem sei mit dem sogenannten Heizungstauschgesetz die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit und den Wert von unsanierten Bestandsobjekten entbrannt.
Nach Ansicht von Helge Scheunemann, Head of Research JLL Deutschland, spricht viel dafür, dass die Preisdifferenzierung nach Energieklasse ein dauerhafter Trend ist. Zum einen sei der Gebäudesektor für die Klimaziele besonders relevant. "Zum anderen erwarten wir, dass die Baukosten mittelfristig auf hohem Niveau bleiben", so Scheunemann. Der starke Anstieg der Baukosten habe zu höheren Kosten für energetische Sanierungen geführt. Das mache sich nun beim Marktpreis bemerkbar.
Interhyp: Jede zweite Wohnung muss saniert werden
"Hohe Energiepreise, regulatorische Vorgaben und der Wunsch, den persönlichen CO2-Fußabdruck zu minimieren, rücken die Energieeffizienzklasse einer Immobilie zunehmend ins Blickfeld", sagt Interhyp-Vorstandschef Jörg Utecht. Der Baufinanzierungsvermittler hat sein Portfolio kürzlich von Sprengnetter analysieren lassen, um einen Überblick zu den Energieeffizienzklassen der Objekte zu gewinnen und das Sanierungspotenzial besser abschätzen zu können.
Das Ergebnis: Knapp die Hälfte (48 Prozent) der von Interhyp in den Jahren 2020 und 2021 finanzierten rund 100.000 Objekte haben die niedrige Energieeffizienzklasse F, G oder H und müssten in den kommenden Jahren energetisch saniert werden, wie der anonymisierte Vergleich zeigt.
Immobilienfinanzierer sind durch regulatorische Vorgaben verpflichtet, nachhaltigkeitsbezogene Informationen der Gebäude regelmäßig offenzulegen. "Den wenigsten Finanzdienstleistern liegen allerdings solche Informationen in aktueller Form vor", ergänzt Jan Sprengnetter, CEO der gleichnamigen Gruppe. Das Energieeffizienzklassen-Screening (EEK-Screening) aus seinem Haus soll die Finanzierer im Streben nach ESG-Konformität unterstützen. Auch die CO2-Emissionen und die beiden Energiekennwerte End- und Primärenergiebedarf oder -verbrauch werden festgestellt.
Regulatorik: Der Handlungsdruck ist hoch
Vor Kurzem hatte das EU-Parlament für strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden gestimmt. Auch wenn die konkrete Ausgestaltung der novellierten EU-Gebäuderichtlinie noch nicht feststeht, ist ein Nullemissionsgebäudebestand bis zum Jahr 2050 das erklärte Ziel. Bis 2033 soll der Primärenergieverbrauch des Wohnimmobilienbestands mindestens der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen. Der Handlungsdruck bleibt hoch, so Interhyp-Chef Utecht.
Neben der EU-Gebäuderichtlinie gibt es das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das Käufer einer Bestandsimmobilie zur energetischen Sanierung verpflichtet. Der Interhyp-Chef Utecht sagt: "Unsere Daten zeigen, dass 73 Prozent der von uns finanzierten Immobilien älter als 20 Jahre sind." Sieben Prozent würden bereits in den Energieeffizienzklassen A bis C liegen, seien also energetisch saniert worden. Rund ein Fünftel der Immobilien haben die Energieeffizienzklasse A+, A und B.
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