
In Deutschland fehlen rund 700.000 Wohnungen – und das Problem spitzt sich zu, denn es wird nicht genug gebaut. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts ist die Order beim Wohnungsbau um zehn Prozent eingebrochen. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sucht noch nach Lösungen.
Nach Jahren des Booms hat sich die Lage für die deutsche Bauwirtschaft im vergangenen Jahr massiv eingetrübt, wie jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2022 zeigen. Die Order im Wohnungsbau ist 2022 gegenüber dem Vorjahr real um 16,5 Prozent eingebrochen.
Vor allem gestiegene Zinsen und hohe Materialkosten führen dazu, dass private Bauherren ebenso wie große Investoren, darunter auch immer mehr Wohnungsunternehmen, Projekte stornieren oder gar nicht erst in Angriff nehmen. Dazu kommt die Unsicherheit um den Krieg in der Ukraine. Das dicke Auftragspolster der Baubranche aus besseren Zeiten schmilzt. Die Wohnbauziele der Bundesregierung liegen außer Reichweite.
Baugewerbe: Heikle Lage für Mieter in Großstädten
"Noch bauen die Unternehmen die Auftragsbestände ab. Aber die Zeichen stehen auf Sturm", kommentierte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), die Bundesstatistik. Sollte sich die kritische Lage im Wohnungsbau verfestigen und die Aufträge weiter abstürzen, werde es für für Mieter in Großstädten schwieriger und die Branche müsse Personal abbauen, so Pakleppa.
Das Tempo des Auftragrückganges hat sich laut ZDB im Dezember 2022 gegenüber Dezember 2021 noch einmal verstärkt: Die Order im Wohnungsbau sei in diesem Zeitraum um nominal 21 Prozent gesunken; real bezifferte sich der Rückgang um zirka 32 Prozent zum Vorjahreswert. Die teuren Finanzierungen und hohen Baustoffkosten bremsten die Investitionsbereitschaft weiter aus.
"Und die Entwicklung der beantragten Baugenehmigung lassen uns nicht zuversichtlicher in die nächsten Monate schauen", sagte Pakleppa. Angesichts der immensen Aufgaben, gerade im preiswerten Wohnungsbau, wäre das verheerend.
Forderung: Zinslast begrenzen, Investitionsanreize ausbauen
Der ZDB-Hauptgeschäftsführer erneuerte den Appel der Branche an die politisch Verantwortlichen, dafür zu sorgen, dass Bauherren wieder Mut fassen und investieren wollen. Den Ansatz sieht er bei den Baukostensteigerungen und den Zinsen. Kritik äußerte Pekleppa an der Förderpolitik: Dass etwa die Sonder-Afa im Mietwohnungsbau und die KfW-Förderprogrammen an das EH40-Niveau gekoppelt werde, konterkariere die Nutzung der Programme: "Das sehen wir ganz klar daran, dass erteilte Baugenehmigungen mittlerweile kaum noch zu Bauaufträgen führen."
Der Spitzenverband geht von nur 280.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2022 aus und rechnet für 2023 mit 245.000 Wohnungen, was einem Minus von 12,5 Prozent entspricht. Laut der Bundesregierung müssten pro Jahr mindestens 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, um der Nachfrage am Markt gerecht zu werden. Doch auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) rechnet mittlerweile nicht mehr damit, dass dieses Ziel erreicht werden kann.
Wohnungspolitik setzt auf Vorfertigung und Digitalisierung
Sie gehe nicht davon aus, dass die Zahl von 400.000 Wohnungen in den Jahren 2022 und 2023 erreichbar sei, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) im Januar 2023 in einem Exklusiv-Interview dem Portal "Web.de News". Ihr Mantra sei "Bauen, Umbauen, Umnutzen".
Bereits vor dem Krieg in der Ukraine im Jahr 2021 sei die Zielmarke um 100.000 Wohnungen unterschritten worden, mehr als 300.000 neugebaute Wohnungen dürften es auch im vergangenen Jahr nicht geworden sein. Die endgültige Fertigstellungsstatistik für 2022 werde sie aber erst im Mai vorliegen haben, so die Ministerin. Das Ziel sei nun, "durch Vorfertigung und Digitalisierung" 2024 und 2025 an diese Zahl heranzukommen, zitiert das Portal Geywitz.
Wohnungswirtschaft: Bauprojekte in Gefahr
Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der sozial orientierten deutschen Wohnungsunternehmen müssen Neubauprojekte zurückstellen, ein Viertel (24 Prozent) sieht sich gezwungen, den geplanten Bau von Mehrfamilienhäusern komplett aufzugeben, wie eine Umfrage des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW im Frühjahr 2022 unter den Mitgliedern zeigte. Am 20.2.2023 forderte GdW-Chef Axel Gedaschko von der Politik eine Beschaffungsstrategie bei knappen Baustoffen. Der Bund müsse zudem mehr Geld für den klimagerechten Neubau zur Verfügung stellen
Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia kündigte für dieses Jahr an, dass keine neuen Projekten in Angriff genommen werden sollen. Mit welchem Investitionsvolumen Vonovia nach dem Neubau-Stopp plant, wurde zunächst nicht bekannt.
Angesichts der neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts erklärte der Verband der sächsischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, die im VSWG organisierten Unternehmen hätten 2022 auf Investitionen im Umfang von 77 Millionen Euro verzichtet. Sie wurden vor allem wegen der hohen Baupreise abgesagt oder verschoben, teilte der Verband am 24. Februar in Dresden mit. Wenn sich nicht schnellstmöglich etwas an den Rahmenbedingungen ändere, gerate das bezahlbare Wohnen "unter die Räder", erklärte Verbandsdirektor Rainer Seifert.
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