Wohnungskrise gefährdet die deutsche Wirtschaft

Die Wohnungsnot in Deutschland kann nach Ansicht von Bau- und Wohnungswirtschaft durch einfacheres und güstigeres Bauen bekämpft werden. Bei ihrem Wohnungsbautag 2025 am 10. April in Berlin forderten sieben Verbände und Organisationen der Branchen einen "Aufschwung Wohnen" von der kommenden Bundesregierung.
Im Idealfall ließen sich die Kosten um bis zu ein Drittel reduzieren. Grundlage der Berechnung ist eine Studie des Bauforschungsinstituts ARGE (Kiel) und des Berliner Forschungsinstitut Regiokontex im Auftrag des Bündnisses.
Wohnungsmangel: "Sozialer Sprengstoff Nummer eins"
Aktuell fehlen der Studie zufolge bundesweit in diesem Jahr mehr als 550.000 Wohnungen. Das übersteigt weit die Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), das von einem jährlichen Bedarf von 320.000 ausgeht.
9,6 Millionen Menschen – und damit elf Prozent der Bevölkerung – leben nach Angaben der Wissenschaftler in überbelegten Wohnungen. Das ist etwa eine Million mehr als vor fünf Jahren. In Mittel- und Großstädten lebt nach diesen Berechnungen jeder Sechste mit zu vielen Menschen in einer zu kleinen Wohnung.
"Es gibt 'Zwangs-WGs' nach Scheidungen. Fremde wohnen unter einem Dach, die eigentlich nicht zusammenleben wollen. Junge Erwachsene ziehen wieder zu den Eltern zurück. Gerade in Großstädten hoppen viele von einer Untermiete zur anderen. Es gibt Menschen, die von einem Wohnen auf Zeit zum nächsten teuren möblierten Zimmer weiterziehen müssen", sagte Volkswirt Arnt von Bodelschwingh des Forschungsinstituts Regiokontext, bei Vorstellung der Studie.
Er sieht die "kritische Infrastruktur Wohnen" in Gefahr: "Viele fahren stundenlang und kilometerweit zum Arbeitsplatz. Sie zahlen die Spritkosten extra, weil sie sich die Miete in der Stadt, in der sie arbeiten, nicht mehr leisten können. Das alles passiert, wenn Lohn und Wohnkosten bei massivem Wohnungsmangel immer krasser auseinanderlaufen." Menschen, die sich das Wohnen am wenigsten leisten könnten, würden dabei am meisten leiden.
Die künftige Bundesregierung müsse alles daransetzen, die Wohnungsnot und explodierende Mieten in den Griff zu bekommen. Es gehe darum, den "sozialen Sprengstoff Nummer eins" schleunigst zu entschärfen, so das Fazit der Verbände.
Mehr Wohnungsbau geht nur, wenn es günstiger wird
Die Wissenschaftler warnen vor einem Kollaps im Wohnungsbau. So hätten Bauämter im vergangenen Jahr nur noch knapp 216.000 Wohnungen genehmigt. Das sei ein Rückgang von 43 Prozent in nur drei Jahren. "Passiert jetzt nichts, dann wird das, was kommt, noch schlimmer, als wir es heute schon erleben", sagt ARGE-Leiter Prof. Dr. Dietmar Walberg. "Dann haben wir eine 'Wohnungsnot plus' – nämlich plus 'Neubau-Not'." Der Einbruch bei den Baugenehmigungen sei der Vorbote für einen rapiden Absturz bei den Fertigstellungen.
"Bauen geht in guter Qualität auch deutlich günstiger als es heute passiert", so Walberg. Dabei würden immer noch alle Standards und Vorschriften eingehalten. Grundlage für die Einsparungen wäre der Gebäudetyp E, für den das alte Bundeskabinett Ende 2024 einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat. Dabei könne beim Neubau auf die Einhaltung von Komfortstandards verzichtet werden, die für die Sicherheit des Gebäudes – wie Brandschutz oder Statik – nicht relevant sind.
Im Entwurf des Koalitionsvertrags von Union und SPD heißt es dazu: "Baustandards werden vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert." Zudem soll Wohnraum demnach schneller durch serielles und modulares Bauen entstehen.
Koalitionsvertrag 2025 aus Immobiliensicht
Wohnungsbautag 2025: Forderungen an die Bundesregierung
Das Verbändebündnis zog auf dem Wohnunsgbautag 2025 ein Fazit: Die Förderprogramme seien zu komplex. Diese Förderpolitik führe nicht zu einer verbesserten Eigenkapitalsituation privater und institutioneller Investoren, die Bauvorschriften und Förderprogramme hätten die Vorschriftenflut weiter anschwellen lassen und es sei nicht gelungen, die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse voranzubringen.
Die Forderungen an die Bundesregierung:
- Der Staat als Konstante beim Wohnungsbau durch verlässliche Mittel, Anreiz-Zins und Verlässlichkeit bei der Förderung
- Breiten-Förderung und Senkung der Baukosten
- Bundesstatistik der Baubeginne
- Aufwertung des Bauressorts
- Kostenreduktion durch Ermäßigung des MWSt-Satzes nutzen
Forderkatalog ausführlich "5 Punkte für eine Trendwende im Wohnungsbau"
Den Wohnungsbautag wird einmal pro Jahr organsiert vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), dem Deutschen Mieterbund (DMB), der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), dem Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) und dem Zentralverband des Baugewerbes (ZDB).
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