Studie: Wohnungsneubau droht der Absturz ohne Fördermittel

400.000 Wohnungen sollten es werden – doch die Ampel-Koalition hat das Ziel bereits für 2023 mit Karacho verfehlt. Die Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft sehen den Neubau vor dem Kollaps. Bei ihrem Treffen in Berlin forderten sie vor allem eins: Fördermittel in Milliardenhöhe.

Kein Dämpfer und auch keine Talfahrt – von einem Absturz beim Neubau war die Rede beim 14. Wohnungsbautag am 20. April in Berlin. Die sieben führenden Organisationen und Verbände aus Bau- und Immobilienbranche richteten eine klare Forderung an die Politik: Der Staat soll die Fördergelder deutlich aufstocken. Zu Gast war auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD): Sie konnte wenig versprechen, erwartet jedoch trotzdem eine positive Entwicklung.

Dem Verbändebündnis, das zu dem Branchentreffen eingeladen hatte, gehören neben dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) auch der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) und der Zentralverband des Baugewerbes (ZDB) an.

Neubauförderung: Die Lösung gegen Wohnungsmangel?

Die Ampel-Parteien haben im Koalitionsvertrag den Bau von 400.000 Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen verankert - allein um die Sozialwohnungen bauen zu können, wären nach Angaben der Verbände bis zum Jahr 2025 rund 50 Milliarden Euro nötig. Plus 22 Milliarden Euro für Wohnungen mit einer Kaltmiete zwischen 8,50 Euro und 12,50 Euro. Das Geld sollte als Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden, forderte die Branche vom Bund.

Geywitz betonte, dabei handele es sich letztlich um Schulden – und die Verschuldungsmöglichkeiten des Staates seien begrenzt. Die Bauministerin räumte aber ein, dass das Neubauziel bereits für 2023 nicht eingehalten wird. Trotz des akuten Wohnungsmangels sind die Baugenehmigungen bereits im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent auf 354.400 zurückgegangenen und der Trend hält an. Es drohe ein Absturz auf nur rund 200.000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2024, warnten die Verbände.

Die Wohnungsbauverbände forderten auch einen veränderten Umgang mit dem Überhang bereits genehmigter Wohnungen. Der Bau von rund 900.000 Wohnungen sei in Deutschland derzeit genehmigt – bei rund 40 Prozent davon habe noch nicht einmal der Rohbau begonnen. Hier müsse mit attraktiven Anreizen wie finanziellen Zuschüssen oder reduzierten Auflagen nachgeholfen werden. "Ohne ein drastisches Aufstocken der staatlichen Förderung und ohne ein deutliches Abspecken bei staatlichen Auflagen und Vorschriften ist der Wohnungsneubau in Deutschland nicht mehr machbar", lautet ein Fazit des Verbändebündnisses.

Verbändebündnis Wohnungsbau: Forderungen zum Wohnungsbautag 2023

Fachforum Wohnungsbautag 2023 Klara Geywitz

Einbruch beim Wohnungsbau: Investitionen unerlässlich

Der Wohnungsmarkt stehe am Kipppunkt, so die Verbände. Die beim Wohnungsbautag präsentierte Studie "Status und Prognose: So baut Deutschland – So wohnt Deutschland" der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Wohnen (ARGE) im Auftrag des Bündnisses untermauert die Notwendigkeit einer dringenden Wohnbauoffensive, insbesondere im sozialen Wohnungsbau nach. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr seien ein gutes Ziel der Bundesregierung gewesen, heißt es darin.

Der Wohnungsneubau stecke in einer absoluten Ausnahmesituation, sagte ARGE-Geschäftsführer Dietmar Walberg. Für Menschen, die dringend eine Wohnung benötigen, scheine keine Besserung in Sicht. Ein Einbruch beim Wohnungsbau werde nicht nur fatale Folgen für die Bevölkerung mit sich bringen, sondern auch für die Volkswirtschaft, warnten die Verbände. "Der Wohnungsbau ist ein starker Motor der Binnenkonjunktur - vor allem in der Krise." An der gesamten Wertschöpfungskette hingen mehr als drei Millionen Arbeitsplätze.

Laut Ifo-Institut melden immer mehr Bauunternehmen zurückgezogene Aufträge. Im März 2023 gaben in der monatlichen Umfrage in der Baubranche 16 Prozent der Firmen an, die Kunden hätten bereits erteilte Aufträge storniert. Im Februar lag der Anteil bei 14,3 Prozent, im Januar bei 13,6 Prozent, so die Wirtschaftsforscher.

Wohnungswirtschaft ernüchtert, Bauministerin zuversichtlich

Gründe für den taumelnden Wohnungsbau seien auch die gestiegenen Kosten, betonten die Verbände. "Die immer weiter steigenden Baukosten machen es unmöglich, bezahlbaren Neubau zu schaffen", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. "Es ist erschreckend, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage scheinbar noch immer nicht erkannt hat." Die Wohnungswirtschaft brauche umgehend kurzfristige Maßnahmen, die schnell greifen, damit die Unternehmen wieder in die Lage versetzt werden könnten, Neubauprojekte aufzusetzen.

Bauministerin Geywitz sieht vielfältige Gründe für die Probleme beim Wohnungsbau. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns natürlich mit massiven Steigerungen der Energiekosten konfrontiert und auch die Bau- und Finanzierungskosten sind im Zuge der allgemeinen Inflation stark gestiegen und gleichzeitig sind die Realeinkommen gesunken, sagte sie. Für private Bauherren komme die psychologische Unsicherheit hinzu und Investoren hielten sich zurück.

Sie sehe aber ein Licht am Ende des Tunnels: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen im Wohnungsbau beurteilen Geywitz zufolge den Auftragsbestand derzeit trotz aller Schwierigkeiten noch als groß oder angemessen. Zudem hätten einzelne Bundesländer die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöht und die Fördergelder für klimafreundlichen Neubau würden gut abgerufen.

Arge-Studie "Status und Prognose: So baut Deutschland – so wohnt Deutschland"

  

Das könnte Sie auch interessieren:

Bauexperten: Wohnhäuser in Serie sind die Lösung

Wohnungsbau: Weniger Neugeschäft, mehr Stornierungen

KfW-Förderung 2023: Wer beim Neubau von Häusern profitiert

Order im Wohnungsbau im freien Fall: Was nun, Frau Geywitz?

"Hochrisikogeschäft" Wohnungsbau – ist der Bund zu entspannt?

dpa
Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Wohnungspolitik