Machbarkeitsstudie: Klimaneutraler Gebäudebestand bis 2040?

Schleswig-Holstein will bis 2040 klimaneutral wohnen, früher als der Rest Deutschlands – eine Machbarkeitsstudie erklärt, wie das ambitionierte Ziel erreicht werden kann. Die Wohnungswirtschaft ist skeptisch.

Bis 2040 will Schleswig-Holstein erstes klimaneutrales Industrieland werden, heißt es in einer Pressemitteilung der Landesregierung. Ein entscheidender Baustein bei der Transformation sei die Dekarbonisierung des Gebäudesektors, der für rund ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Wie das alles deutlich kostengünstiger gehen kann als bisher angenommen, erklärt eine Machbarkeitsstudie, die Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) in Auftrag gegeben hat. Kritik kommt vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) und von der Opposition.

Quadratmetermieten um ein oder sieben Euro teurer?

Die sogenannten Wohnfolgekosten lägen schätzungsweise bei ein bis zwei Euro je Quadratmeter, sagte ARGE-Geschäftsführer Professor Dietmar Walberg am 12. September bei Vorstellung der Studie. Der VNW geht dagegen von deutlich höheren Kosten und Mietsteigerungen aus.

Demnach müssten die Mieten im Zuge der energetischen Sanierung von Mehrfamilienhäusern in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren nach den Berechnungen in der Studie im Durchschnitt um fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter steigen, um die Investitionen für die Energiewende bezahlen zu können, wie VNW-Direktor Andreas Breitner klarstellte. Für eine 80-Quadratmeter-Wohnung würden die Mehrkosten für Mieten also bei bis zu 560 Euro pro Monat liegen.

"Diese Zahlen verdeutlichen das ganze Ausmaß der grünen Utopie. Alle Wohngebäude bis zum Jahr 2040 so energetisch zu sanieren, so dass diese keine klimaschädlichen Emissionen mehr an die Atmosphäre abgeben, ist Ideologie und eine Idee aus Fantasia-Land", erzürnte sich Breitner.

Regierung: Sanierung auf das Notwendige begrenzen

Sütterlin-Waack riet Eigentümern: "Auf Grundlage der jetzt vorliegenden Studie schlagen wir vor, die Sanierungsmaßnahmen am Gebäudebestand auf das zwingend Notwendige zu begrenzen." Der Fokus müsse auf den rund 20 Prozent der nur wenig modernisierten Gebäude aus der Zeit von vor 1979 liegen.

Die zu erwartenden Gesamtkosten für die Sanierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern lägen bei 82,5 Milliarden Euro. Das sei immer noch eine enorme Summe, aber weit weg von den ursprünglich befürchteten 140 Milliarden Euro. Das seien Investitionen, die über einen längeren Zeitraum aufgrund des normalen Sanierungszyklus zum großen Teil ohnehin anfallen würden.

Positiv wertete die Ministerin, dass der Sanierungsstand in den Wohngebäuden in Schleswig-Holstein besser sei als vermutet. Die Regierung strebe ein ausgewogenes Zusammenspiel von Sanierung und Ausrüstung mit klimaneutraler Energie zur Wärmeerzeugung an. Das Wohnen solle bezahlbar bleiben.

ARGE: Investitionen in Wärmepumpen prüfen

Walberg verwies darauf, dass vier von fünf Häusern im Land bereits jetzt geeignet seien für die Nutzung einer Wärmepumpe. Bei älteren Immobilien gebe es einen einfachen Trick, um den Einbau einer Luftwärmepumpe zu testen: Bei Heizkörpern mit einer Einstellungsskala von eins bis fünf sollten Nutzer bei Minustemperaturen diese einfach nur auf den mittleren Wert drei stellen. Sei das Haus damit ausreichend beheizt sein, so sei es wärmepumpentauglich.

Den Investitionsbedarf schätzt der ARGE-Geschäftsführer für ältere Häuser auf etwa 300 bis 400 Euro pro Quadratmeter. Bei alten Häusern aus den 1950er und 1960er Jahren sehe der Fall anders aus, mit einem immer noch nicht unbeträchtlichen Teil an zweischaligen Fassaden, "die nach einer Kerndämmung geradezu schreien". Meist hätten solche Häuser überdimensioniert große Heizkörper – gerade diese seien jedoch wärmepumpentauglich.

Klimaneutral wohnen bis 2040: Kritik der Opposition

Der SPD-Wohnungsbaupolitiker Thomas Hölck betonte: "Schwarz-Grün hat weder einen Plan noch die Mittel, um ihr eigenes Versprechen der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen." Die Zeche zahlten am Ende die Eigentümer und Mieter. Wärmenetze im ganzen Land seien das Mittel der Wahl. Die Energieversorgung müsse klimaneutral werden.

Sein FDP-Kollege Bernd Buchholz findet zwar richtig, "dass sich die Landesregierung von ihrem Ziel der umfassenden Vollsanierung für alle Gebäude verabschiedet hat", allerdings gehe auch die Ministerin von steigenden Mieten aus. Das sei derzeit nicht hinnehmbar.

SSW-Fraktionschef Lars Harms forderte die Koalition auf, die Bezahlbarkeit im Blick zu halten. "Deshalb erwarten wir vom Land dringend Förderprogramme anstatt neuer Regelungen, die die teuren Maßnahmen erzwingen sollen."

Studie "Klimaneutraler Wohnungsbau in Schleswig-Holstein" (Download)


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dpa

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