
Am 18. März war die Ampel-Koalition genau 100 Tage im Amt – mit der neuen Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Was lief gut bisher in der Wohnungspolitik, was nicht und wo könnte es hingehen, auch beim Thema Klimaschutz? Die Immobilienbranche zieht ein erstes Fazit.
Am 18.3.2022 ist die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP genau 100 Tage im Amt. Seit dem 8.12.2021 ist Klara Geywitz (SPD) Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Kabinett von Olaf Scholz. Ein eigenständiges Bauministerium gab es seit 1998 nicht mehr. Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland IVD I Die Immobilienunternehmer, zieht ein erstes Fazit.
"Die neue Bundesregierung startete unter schwierigsten Bedingungen, auch das neue Bauministerium", sagte Schick. Die ehrgeizigen Ziele im Klimaschutz und beim Wohnungsbau "unter einen Hut" zu bekommen, sei eine Mammutaufgabe. Dazu käme die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine, die Spuren auf den Immobilienmärkten hinterlassen hätten.
"All diese Aufgaben zu meistern gelingt nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen", so der IVD-Präsident. "Mit Klara Geywitz haben wir eine pragmatische, offene und dialogbereite Ministerin im Amt, die den Austausch mit allen Beteiligten aus der Immobilienbranche sucht." Der Verband setze auf das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum als "Schlüssel für alle derzeitigen Herausforderungen" – das sollte sich schnell konstituieren.
Wohnungspolitik – die nächsten Schritte
Aus Sicht des IVD sind sechs Impulse für eine erfolgreiche Wohnungs- und Klimapolitik besonders wichtig:
- Bündnis für bezahlbaren Wohnraum: Alle wichtigen Akteure müssen gemeinsam Lösungsansätze für die Wohnungspolitik entwickeln, um Anspruch und Wirklichkeit miteinander zu verbinden. Die Herausforderungen können laut IVD nur in einem Miteinander von Politik, Eigentümer- und Mieterverbänden und der Immobilienwirtschaft gemeistert werden.
- Verlässliche Förderkulisse: Der plötzliche KfW-Förderstopp Ende Januar 2022 hat nach Auffassung des IVD die Bildung von Wohneigentum ausgebremst und die Neubau- und Sanierungsziele zugunsten des Klimaschutzes in weite Ferne rücken lassen. "Das war für Bauherren und Investoren, aber letztlich auch für den Staat, ein herber Rückschlag", so Schick. Er fordert schnell eine neue Förderkulisse – Neubau und Sanierung sollen gleichermaßen berücksichtigt werden.
- Grunderwerbsteuer mit Klimakomponente: Von 18,9 Millionen Wohngebäuden in Deutschland sind 15,7 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser – in diesem Bereich gibt es dem IVD zufolge enorme Energieeinsparpotenziale. Rund 75 Prozent des Bestands sind vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet und bisher nicht ausreichend saniert worden. Um Neueigentümer zur Sanierung zu motivieren, müsse diese besonders gefördert werden. Das ginge über eine Stundung der Grunderwerbsteuer, die dann zum Teil erlassen werden sollte, wenn die Sanierung abgeschlossen ist.
- Neubau durch Verdichtung und Aufstockung: Um Flächenverbrauch und Bodenversiegelung zu reduzieren, sollte die Politik das Augenmerk auf Verdichtung und Aufstockung von Bestandsgebäuden richten. Das würde laut Schick auch den hohen Ressourceneinsatz für den Neubau vermeiden, der immer auch mit ökologischen Nachteilen verbunden sei.
- Experimentierklausel für Umnutzung von Gewerbeflächen in Wohnraum: Die Pandemie hat dem Verband zufolge auch dazu geführt, dass viele Handelsflächen nicht mehr genutzt werden. "Insbesondere in den Nebenlagen ist davon auszugehen, dass es sich um eine unumkehrbare Entwicklung handelt", meint Schick. Diese Flächen sollten zum Wohnen umgebaut werden. Hier seien pragmatische Lösungen im öffentlichen Bauordnungsrecht gefragt – etwa eine Experimentierklausel.
- Förderung von Wohneigentum: Im März 2021 endete das Baukindergeld, laut IVD die einzige effektive Förderung von Wohneigentum. KfW-Bürgschaftsprogramme zum Eigenkapitalersatz und Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer sollten zügig auf den Weg gebracht werden, um Wohneigentum zu fördern.
Wohnungswirtschaft: Bittere Bilanz aus 100 Tagen Regierung
Unzufrieden zieht der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen die 100-Tage-Bilanz der Ampel-Regierung. Die aktuelle Baupolitik sei kontraproduktiv, wenn es um die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele im Hinblick auf Klimaschutz und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums gehe, sagt BFW-Präsident Andreas Ibel. "Die neue Bundesregierung ist mit großen Zielen in die Legislaturperiode gestartet und hat bisher alle Erwartungen enttäuscht." Dabei sei gerade jetzt, in diesen Zeiten riesiger Herausforderungen, Verlässlichkeit und Weitsicht existenziell wichtig."
Der vorzeitige Stopp der Förderung von KfW55 und KfW40 Ende Januar 2022 habe die Branche bis ins Mark erschüttert, erklärt Ibel. "Für fertig geplante und kalkulierte Projekte konnten keine Förderungen mehr beantragt werden und bereits eingereichte Anträge wurden bisher – trotz Zusage des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne) – noch immer nicht beschieden. Neben der großen Unsicherheit in der gesamten Immobilienbranche sorge der aktuelle Stand vielerorts für massive Bauverzögerungen, klimaschonend geplante Projekte könnten gar nicht mehr oder nur in einem energetisch schlechteren Standard realisiert werden. Die Energiewende komme so nicht voran, sagt der BFW-Präsident: Und von Energieunabhängigkeit könne so auch noch lange nicht die Rede sein.
Mitgliedsunternehmen des BFW schlagen Alarm. Zum Beispiel wurden bei der Delta Energie GmbH & Co. KG (Hannover) von mehr als 1.000 mit Förderung geplanten Wohneinheiten im KfW40-Standard von Anfang November 2021 bis zum Förderstopp am 24.1.2022 bis Mitte März 370 nicht bewilligt. Für rund 1.100 weitere Wohneinheiten – alle vor dem 24. Januar geplant und kalkuliert – konnte gar keine Förderung mehr beantragt werden. Das Unternehmen hatte alle KfW40-Projekte bei den Anträgen zurückgestellt, um rechtzeitig vor dem ursprünglich angesetzten Förderstopp Anfang Februar die geplanten KfW55-Projekte zur Förderung anzumelden. Diese Projekte hängen nun in der Luft. Die klimatechnisch optimalen KfW40-Häuser hingegen müssen komplett neu geplant und kalkuliert werden.
"Der so dringend benötigte bezahlbare Wohnraum ist ohne klare Politik und ohne gute Förderinstrumente nicht realisierbar", schließt Ibel die Bilanz aus Sicht seiner Mitglieder ab.
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