
Wer nachträglich Mängel beseitigen muss, zahlt beim Bauen erheblich drauf: Elf Prozent der Kosten basieren auf Nacharbeiten – davon ließe sich mit digitalen Lösungen die Hälfte vermeiden, heißt es in einer Studie. Die Preise sind eine große Hürde beim klimafreundlichen Wohnungsbau.
Rund elf Prozent der gesamten Projektkosten entfallen auf Nacharbeiten am Bau. Der Einsatz digitaler Lösungen kann diese Kosten um mehr als 50 Prozent senken. Das ist ein Ergebnis einer Studie von Planradar. Der Anbieter von Bausoftware hat im Zeitraum von Februar bis März 2023 rund 2500 Branchenexperten in 15 europäischen Ländern befragt und die wichtigsten Ursachen und Folgen von Nacharbeiten und Mängelbehebung analysiert.
Mangelnde Kommunikation, schlechtes Dokumentenmanagement und Fehler bei den Qualitätskontrollen sind die Hauptursachen für Mängel, ziehen die Studienautoren ein Fazit.
Erheblicher Kostenblock: Mängel am Bau
Zu den Gründen für die Nacharbeiten nannten die befragten Experten in zwölf von 15 Ländern als Hauptursache eine schlechte Kommunikation zwischen den am Bau Beteiligten, dicht gefolgt von mangelnder Organisation und ordnungsgemäßem Dokumentenmanagement sowie Fehlern bei der Qualitätskontrolle. Das führt unterm Strich zu höheren Kosten, aber auch zu Verzögerungen, weniger Kundenzufriedenheit und einer angeschlagenen Reputation der Unternehmen.
"Unvorhergesehene Situationen, die durch Nacharbeiten verursacht werden, haben nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht Konsequenzen, sondern für das gesamte Projekt und das gesamte Unternehmen", sagt Sander van de Rijdt, Mitbegründer und CEO von Planradar. Das ließe sich mit den richtigen Werkzeugen leicht vermeiden.
Erforderliche Nachbesserungen könnten darüber hinaus zu Ansprüchen wegen Vertragsbruchs und zu weiteren rechtlichen Ansprüchen führen. Auch die Motivation der Arbeitnehmer wird laut Studie verringert. Die Experten raten: "In Anbetracht des Arbeitskräftemangels in der Branche sollten die Unternehmen diese Tatsache nicht ignorieren."
Digitale Lösungen für mehr Erfolg auf der Baustelle
Mit einer verbesserten Qualitätskontrolle könnten Unternehmen pro Jahr Millionen von Euro einsparen, weil sie weniger Fehler korrigieren müssten, meint Ibrahim Imam, Co-Gründer und CEO von Planradar. Das Unternehmen bietet digitale Lösungen an, mit denen das Risiko von Nacharbeiten und Kosten reduziert werden können sollen, "was ein wesentlicher Faktor für Wachstum und Erfolg ist", sagt Imam.
So ergab die Studie, dass der Einsatz der digitalen Plattform Planradar die Notwendigkeit von Nachbesserungen auf Baustellen im Schnitt um 52 Prozent senkt. Die Mehrheit (89 Prozent) der Kunden stimmte dem zu. Eine Verbesserung der Qualitätskontrollen sei in Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Südosteuropa, Großbritannien, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei festgestellt worden.
Klimaneutraler Wohnungsbau: Der Faktor Personal
Für das von der Bundesregierung gesetzte Ziel, dass alle Gebäude in Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein soll, wären nach Expertenschätzung eine sechsstellige Zahl neuer Fachkräfte und zusätzliches Kapital in dreistelliger Milliardenhöhe notwenig, wenn nicht gar Billionen. Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) geht davon aus, dass die Branche 150.000 bis 200.000 zusätzliche Arbeitskräfte einstellen müsste.
Den Personalbedarf hat auch das Bundeswirtschaftsministerium ermitteln lassen. Im Gutachten "Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045" ist konkret von 215.000 extra Arbeitsplätzen die Rede. Die Zahl ergibt sich demnach daraus, dass die derzeitige "Sanierungsquote" von geschätzt etwa einem Prozent des Wohnungsbestands pro Jahr sich nahezu verdoppeln müsste. Wo und wie die Handwerker und Bauarbeiter rekrutiert werden sollen, ist unklar.
"Aktuell schaffen wir gerade einmal eine Sanierungsrate von einem Prozent pro Jahr", sagt der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko: "Und schon jetzt herrscht ein massiver Material- und Fachkräftemangel." Doch eine große Einstellungswelle im Bauhandwerk ist derzeit nicht in Sicht.
Experte: Im Neubau primär auf gesetzliche Vorschriften setzen
Was den zusätzlichen Kapitalbedarf betrifft, geht das Bundeswirtschaftsministeriums von 448 Milliarden Euro Mehrinvestitionen bis 2045 aus. Die in Kiel ansässige Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge Kiel) meint, auf Basis des bisherigen Altbaustandards EH 115 wären 110 Milliarden Euro pro Jahr notwendig. "Wenn man auf den vom Bundeswirtschaftsministerium geforderten Standard EH 55 gehen will, brauchen wir 165 Milliarden pro Jahr. Das heißt, bis 2045 wären das 3,4 oder 3,5 Billionen", sagte ZDB-Chef Felix Pakleppa.
Alle Experten sind sich einig, dass es derzeit keineswegs optimal läuft, und dass abgesehen von den fehlenden Fachkräften auch erheblich höhere staatliche Zuschüsse notwendig wären. "Allein um die Auflagen des Gebäudeenergiegesetzes zu erfüllen, müsste in den nächsten 20 Jahren ein Betrag von rund 61 Milliarden Euro in den Beständen der im GdW organisierten Wohnungsunternehmen investiert werden", so GdW-Präsident Gedaschko. Der Gesetzentwurf sieht aktuell nur eine Förderung von Eigentümern vor.
Im Neubau sollte primär auf gesetzliche Vorschriften gesetzt werden, meint Andreas Enseling vom Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt (IWU): "Förderung kann dazu flankierend eingesetzt werden. Im Bestand wäre laut IWU eine Kombination aus deutlich erhöhter Förderung und Ausweitung der CO2-Bepreisung am besten geeignet, umdie Ziele der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
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