Miete: Millionen deutsche Mieter mit Wohnkosten überlastet

Jeder fünfte Haushalt in Deutschland muss 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgeben, hat das Statistische Bundesamt errechnet – jeder sechste ist mit der Miete überlastet. Häufig sind es Singles in Großstädten. Die Situation wird sich verschärfen, meinen Experten.

1,6 Millionen Haushalte gaben im Jahr 2022 zwischen 40 und 50 Prozent des Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aus – das betrifft 16 Prozent der knapp 20 Millionen deutschen Mieterhaushalte. Eineinhalb Millionen Mieter mussten sogar 50 Prozent und mehr davon ausgeben, um sich das Wohnen leisten zu können. In Summe haben 3,1 Millionen Haushalte eine weit überdurchschnittliche Mietbelastung, wie das Statistische Bundesamt am 31.1.2023 mitteilte. Mittlerweile ist jeder sechste Haushalt mit den Wohnkosten überlastet, vor einem Jahr galt das für jeden achten.

Die Bruttokaltmiete setzt sich aus der Grundmiete und Nebenkosten zusammen, die an den Vermieter gezahlt werden müssen: Zum Beispiel die monatlichen Betriebskosten für Haus- und Straßenreinigung, Müllabfuhr, Hausmeisterleistungen, Schornsteinreinigung und Kabelanschluss.

Die Zahlen basieren auf Ergebnissen einer Auswertung einer Mikrozensus-Befragung unter Mieter zur Wohnsituation 2022. Vergleiche zu Vorjahreszahlen sind laut Bundesamt nur eingeschränkt möglich. Nach Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat war die Mietbelastung in Deutschland trotz steigender Mieten im vergangenen Jahrzehnt sogar leicht zurückgegangen. Viele Menschen hätten von Lohnerhöhungen profitiert, die über den sehr niedrigen Inflationsraten lagen.

Miete: Single-Haushalte überdurchschnittlich belastet

Im Durchschnitt belief sich die Mietbelastung im Jahr auf 27,8 Prozent des Einkommens. Für die etwa 6,6 Millionen Haushalte, die eine Wohnung im Jahr 2019 oder später angemietet haben, war die Mietbelastungsquote mit 29,5 Prozent um 2,7 Prozentpunkte höher als für die etwa 2,7 Millionen Haushalte, die den Mietvertrag vor 1999 abgeschlossen haben (26,8 Prozent).

Besonders belastet waren Single-Haushalte. Hier lag die Mietbelastungsquote laut Bundesbehörde im Schnitt bei knapp einem Drittel (32,7 Prozent) des Einkommens. Haushalte mit zwei Personen mussten weniger als ein Viertel (22,8 Prozent) des Nettoeinkommens für die Miete einplanen. 

Großstädte: Höchste Miete, höchste Wohnkostenbelastung

In den deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern mussten Mieterhaushalte laut Statistik im Jahr 2022 mit durchschnittlich 28,9 Prozent mehr vom Einkommen für die Bruttokaltmiete ausgeben als in Kleinstädten mit bis zu 20.000 Einwohnern (Mietbelastungsquote: 25,9 Prozent). Nah am Schnitt war die Belastung von Haushalten in mittelgroßen Städten (20.000 und 100.000), wo 27,6 Prozent des Einkommens für die Bruttokaltmiete eingeplant werden mussten.

Auch die Miete pro Quadratmeter unterscheidet sich laut Bundesamt nach der Lage der Wohnung sowie dem Einzugsjahr. So betrug die Quadratmetermiete im Jahr 2022 bundesweit im Schnitt 8,70 Euro – wer in der Großstadt lebte, musste pro Quadratmeter mit 9,60 Euro eine deutlich höhere Miete zahlen als in mittelgroßen Städten (8,20 Euro) oder kleineren Orten (7,50 Euro).

Beim Einzugsjahr zeigt sich Destatis zufolge, dass Mieter, die im Jahr 2019 oder später eingezogen sind, unabhängig von der Einwohnerzahl der Stadt überdurchschnittlich hohe Mieten und Belastungsquoten aufweisen. Der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Bruttokaltmiete dieser Gruppe und dem Gesamtdurchschnitt betrug 1,10 Euro pro Quadratmeter. In Großstädten war der Unterschied mit 1,40 Euro höher als in mittelgroßen Städten (ein Euro) oder Kleinstädten (0,80 Euro).

IVD: Zu wenig Wohnungsbau, steigende Mieten

Die Belastungsquote schwankt über die Jahre – vor allem abhängig von der Entwicklung der Löhne und Gehälter. Es sind derzeit vor allem die verbrauchsabhängigen Nebenkosten für Wasser, Strom und Heizen, die das Wohnen für viele Menschen verteuert haben. Darauf weist die Bundesgeschäftsführerin des Immobilienverbands Deutschland (IVD), Carolin Hegenbarth, hin.

Eine Mietbelastungsquote von mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens bei mehr als drei Millionen Deutschen sei jedoch eine Warnung an die Politik, so Hegebarth. Wenn der Wohnungsbau weiter hinter der steigenden Nachfrage zurückbleibe, vergrößere sich die Knappheit an Wohnungen und der Druck auf die Mietwohnungsmärkte wachse. Schon im Jahr 2022 sei die Bautätigkeit rückläufig gewesen mit der Folge spürbar steigender Mieten.

Stephan Kippes, Marktforscher des Immobilienverbands Deutschland Süd in München, ergänzte: "Die Bautätigkeit geht beängstigend zurück". Wohnungen werden also aller Wahrscheinlichkeit nach knapp bleiben. Gleichzeitig führe der Zinsanstieg dazu, dass viele potenzielle Käufer sich kein Eigenheim mehr leisten können. "Diese Menschen verbleiben im Mietmarkt", so Kippes. "Das Angebot wird noch enger, und die Mieten werden steigen."

Experten: Situation am Mietmarkt wird sich verschärfen

"Die Mietbelastung insbesondere von Haushalten mit geringen Einkommen und in den Großstädten ist dramatisch", kommentierte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. "Es ist ein Alarmzeichen, dass der Anteil der Einkommen, der für Wohnkosten aufgewendet werden muss, in den vergangenen Jahren noch weiter gestiegen ist."

Dullien geht davon aus, dass die Daten der Statistiker "die tatsächliche Dramatik des Wohnungsmangels und der hohen Mieten in den Ballungsgebieten noch unterzeichnen". Der Mikrozensus bilde die Bestandsmieten ab, die sei im Durchschnitt viel geringer als die Mieten bei Neuvermietungen. Dem widersprach das Bundesamt: Der Mikrozensus zeichne ein ganzheitliches Bild der Situation von Mietern in Deutschland im Jahr 2022. Die Ergebnisse bildeten sowohl die Mieten in aktuell abgeschlossenen Verträgen als auch diejenigen schon länger bestehender Verträge ab.


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Vermietung, Miete