Storno am Bau: Wer bleibt auf den Kosten sitzen?
Viele Bauunternehmen suchen nach Möglichkeiten, laufende Projekte an die geänderten Umstände anzupassen, manche Vorhaben auch zu stornieren. So waren allein im Juni dieses Jahres 11,5 Prozent der Unternehmen im Hochbau, schwerpunktmäßig im Wohnungsbau, von Stornierungen betroffen. Anlass genug für eine genauere Betrachtung der sich rund um die "Stornierung" ergebenden rechtlichen Fragen.
Stornierung: Kündigung von Bauverträgen
Als "Stornierung" eines Auftrages kommt im rechtlichen Kontext praktisch nur die Kündigung in Frage. Ein Abstandnehmen vom Abschluss eines Vertrages in der Verhandlungsphase ist grundsätzlich – außerhalb der vorvertraglichen Pflichtverletzungen – frei möglich.
Bei steigenden Preisen und schleppendem Nachschub an Baumaterialien ist es zuweilen im Interesse des Bauherrn, das Projekt so früh wie möglich zu beenden, damit ein möglicher Verlust so klein wie möglich gehalten oder gar vermieden wird. Aus Sicht des Bauunternehmens ist es regelmäßig das Interesse, die einmal kalkulierten und daraufhin vereinbarten Preise und Bauzeiten den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Gelingt dies nicht, möchte er aus dem Vertrag aussteigen – ihn beenden.
Grundsätzlich gilt nach dem BGB, dass nur der Bauherr ohne wichtigen Grund einen Bauvertrag kündigen kann. Eine außerordentliche Kündigung können beide Parteien bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aussprechen.
Wenn der Bauherr kündigt: Was wird aus der Vergütung?
Nach § 648 BGB kann der Bauherr jederzeit den geschlossenen Vertrag kündigen. Dem Unternehmer steht bei dieser freien Kündigung weiterhin ein Recht auf die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch das, was er aufgrund der Beendigung des Vertrages erspart hat oder anderweitig erworben hat, anrechnen lassen. Um den Schwierigkeiten auch im Rahmen der Berechnung und Darlegung entgegenzutreten, sieht §648 S. 3 BGB eine Vermutung in Höhe von fünf Prozent der Vergütung vor, sodass der Unternehmer für die wegen der Kündigung nicht mehr erbrachten Teile der Leistung eine Vergütung in Höhe von fünf Prozent des Vereinbarten erwarten kann.
Dem Bauherrn kann im Zusammenhang mit Lieferengpässen außerdem ein Recht auf außerordentliche Kündigung gemäß § 648a BGB zustehen. So kommt es aufgrund der langen Lieferzeiten von Baumaterialien regelmäßig dazu, dass das Unternehmen die vereinbarten Termine nicht einhalten kann. Gelangt der Auftragnehmer mit seiner Leistung schuldhaft in Verzug und fordert der Bauherr ihn daraufhin mit Fristsetzung und unter Androhung einer außerordentlichen Kündigung zur Leistungserbringung auf, entsteht bei erfolglosem Ablauf ein Kündigungsrecht für den Bauherrn.
Kündigung durch Baufirma: Anpassung des Vertrags
Auch dem Bauunternehmer kann im Zusammenhang mit den momentanen Lieferproblemen ein Recht auf Rücktritt beziehungsweise außerordentliche Kündigung zustehen.
Nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) kann die benachteiligte Partei eine Anpassung des Vertrages verlangen, wenn sich äußere Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände so nicht geschlossen hätten. Des Weiteren muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag für die benachteiligte Partei unzumutbar sein.
Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder nicht zumutbar, kann die benachteiligte Partei vom Vertrag zurücktreten. Eine schwerwiegende Veränderung von Umständen kann unter anderem dann angenommen werden, wenn nach Abschluss des Vertrags ein Krieg ausbricht und dieser direkt oder indirekt – etwa über Sanktionen – Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarte Leistung hat.
An einen Anspruch nach § 313 BGB werden allerdings sehr hohe Anforderungen gestellt, sodass nicht jedes Erschwernis zu einem Recht auf Anpassung oder gar Rücktritt führt. Die Parteien eines Bauvertrages, der nach Beginn des Krieges abgeschlossen wurde, hätten die Störungen bereits vorhersehen können, weshalb ein Anspruch aus § 313 BGB eher abzulehnen ist.
Höhere Materialpreise durch Nachtrag in Rechnung gestellt?
In der Praxis deutlich häufiger fordern die Unternehmen über § 313 BGB eine höhere Vergütung aufgrund der gestiegenen Materialpreise. Ob dem Auftragnehmer ein Recht auf Anpassung der Vergütung zusteht, ist am Einzelfall zu entscheiden. So kommt es unter anderem darauf an, ob ein Pauschalpreis vereinbart wurde, ob der Vertrag eine Stoffpreisgleitklausel enthält und welche Risikoverteilung vorgesehen ist. Das Gesetzt sieht keine Regelung vor, inwiefern der Vertrag dann anzupassen ist, also wie Mehrkosten zu verteilen sind.
Ebenso häufig reichen Auftragnehmer Nachträge ein, in welchen die erhöhten Materialpreise dem Bauherrn in Rechnung gestellt werden. Dies hat zumeist Diskussionen der Parteien über die Berechtigung des Nachtrags in der bezifferten Höhe zur Folge. Wenn sie sich nicht über die Höhe der Vergütung einigen, kann der Unternehmer laut § 650c Abs. 3 BGB 80 Prozent der im Nachtrag angesetzten Vergütung fordern. Diese muss der Bauherr zunächst zahlen, eine endgültige Abrechnung erfolgt erst im Rahmen der Schlussrechnung.
Zahlt der Bauherr diese vorgeschriebenen 80 Prozent nicht, kommt es zu Mahnungen, zur Einstellung der Leistung und dann zur außerordentlichen Kündigung durch den Unternehmer. Denn diesem steht im Falle von ausbleibenden Zahlungen neben einem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB auch regelmäßig ein Recht auf außerordentliche Kündigung zu, da der Besteller seiner Hauptleistungspflicht nicht nachkommt.
Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB
Schließlich kann der Unternehmer eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB fordern. Das ist eine Sicherheit, die der Unternehmer jederzeit fordern kann und die der Bauherr dann in Höhe von 110 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs zu stellen hat. Die Sicherheit wird in der Praxis meistens in Form einer Bürgschaft geleistet. Wenn die gesetzte Frist zur Leistung der Sicherheit erfolglos verstreicht, hat der Unternehmer das Recht nach § 650f Abs. 5 BGB den Vertrag zu kündigen.
Auch im Rahmen dieser Kündigung greift sodann die Vergütungsregelung aus § 648 BGB, wonach dem Unternehmer fünf Prozent der ausstehenden Vergütung zustehen.
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