
Die Grunderwerbsteuer ist eine lukrative Einnahmequelle für die Bundesländer. Je höher, desto mehr Geld schwemmt sie in die Kassen – das ist laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zu kurz gedacht: Mehr Wohnungen baut die Privatwirtschaft dort, wo die Sätze niedrig sind.
Eine niedrige Grunderwerbsteuer führt zu mehr Wohnungsbau der Privatwirtschaft und ist für die Bundesländer günstiger als über höhere Steuersätze staatlichen Neubau in gleichem Umfang zu finanzieren, rechnet das Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel in einer aktuellen Analyse vor. "Eine Reduktion der Grunderwerbsteuersätze dürfte die Wohnungsbautätigkeit anregen, die derzeit angesichts der Zinswende ins Stocken geraten ist", sagte Studienautor Prof. Dr. Jens Boysen-Hogrefe, stellvertretender Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am IfW.
Seit September 2006 sind die Länder berechtigt, den Grunderwerbsteuersatz selbst festzulegen. Davon haben fast alle seit 2007 regen Gebrauch gemacht. Betrachtet wurden im Zeitraum 2011 bis 2020 Bayern und Sachsen, die bis dahin die Steuer noch nie erhöht, sondern den Satz jeweils auf 3,5 Prozent belassen hatten. Sachsen erhöhte den Satz zum ersten Mal zum 1.1.2023 – auf nun 5,5 Prozent.
Wohnungsbau fördern durch weniger Grunderwerbsteuer
Laut der Studie wurden im Untersuchungszeitraum in Bayern und Sachsen mit ihren 3,5-Prozent-Sätzen deutlich mehr neue Wohnungen gebaut als in Ländern mit höheren Sätzen. Über die Jahre 2011 bis 2020 hinweg lagen demnach die Bauinvestitionen in Bayern durchschnittlich um acht Prozent und in Sachsen um elf Prozent höher.
Aus methodischen Gründen wurde zum Vergleich ein fiktives Bundesland herangezogen, das sich aus jeweils strukturell ähnlichen Ländern mit höheren Sätzen zusammensetzt. Im Fall von Bayern waren das die Länder Baden-Württemberg (fünf Prozent), Niedersachsen (fünf Prozent) und Nordrhein-Westfalen (6,5 Prozent). Sachsen wurde mit Brandenburg (6,5 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (sechs Prozent), Sachsen-Anhalt (fünf Prozent) und Thüringen (fünf Prozent) verglichen.
"Die Bautätigkeit war in den beiden Ländern mit weiterhin niedriger Grunderwerbsteuer merklich höher. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Anhebung der Grunderwerbsteuersätze in den Vergleichsländern die private Wohnungsbautätigkeit belastet hat", so Boysen-Hogrefe.
Länderfinanzausgleich: Anreiz für hohe Grunderwerbsteuer
Der Ökonom kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Mehreinnahmen der Bundesländer durch eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer in der Regel nicht ausreicht, um so viel staatlichen Wohnungsbau zu finanzieren, wie er privatwirtschaftlich verloren geht, wenn die Sätze hoch sind.
Hätten Bayern und Sachsen ihre Grunderwerbsteuersätze so erhöht wie die Vergleichsländer, hätten die Steuermehreinnahmen nur im Jahr 2012 (Bayern und Sachsen) und 2016 (nur Bayern) zur Finanzierung des staatlichen Wohnungsbaus im Umfang des privat geschaffenen Wohnraums gereicht, heißt es in der Studie. In den übrigen Jahren klaffe eine teilweise erhebliche Lücke zwischen den Mehreinnahmen durch eine erhöhte Grunderwerbsteuer und die nötigen Bauinvestitionen: Bayern hätte 2020 zum Beispiel 0,7 Milliarden Euro mehr Steuermehreinnahmen gehabt, aber mehr als zehn Milliarden Euro in den Bau investieren müssen.
Der positive Einfluss niedriger Steuern auf Immobiliendeals sei bekannt, so der IfW-Ökonom: "Offenbar ist eine Reduktion der Grunderwerbsteuer aber auch ein effektives Mittel, um speziell den Wohnungsneubau voranzutreiben." In der Praxis werde das Instrument aber durch die Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs konterkariert, weil darin die Einnahmen aus Immobilientransaktionen zu Durchschnittssätzen aller Bundesländer abgerechnet würden. "So dass Anreize bestehen, die eigenen Steuersätze über den Durchschnitt zu heben. Dieser Mechanismus bedarf daher dringend einer Überarbeitung", so Boysen-Hogrefe abschließend.
IfW-Analyse "Zum Einfluss der Grunderwerbsteuer auf den Wohnungsneubau in Deutschland" (PDF)
Immobilienkauf: Finanzminister Lindner plant Steuersenkung
Die Grunderwerbsteuer ist zuletzt in vielen Bundesländern stark gestiegen. Um Immobilienkäufer zu entlasten, will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nun gegensteuern. Die Länder sollen den Steuersatz bis auf null senken können. Die Pläne machten mit einem offiziellen Papier des Ministeriums die Runde, das laut "Handelsblatt" an die Bundesländer verschickt wurde.
Die Bundesländer sollen demnach durch eine neue Öffnungsklausel mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Grunderwerbsteuer erhalten und den Steuersatz sogar auf null herunterfahren können. Letzteres würde faktisch einem Freibetrag auf den Kaufpreis entsprechen.
"Die Länder erhalten die Befugnis, einen ermäßigten Steuersatz bei unmittelbaren Grundstückserwerben einzuführen, wenn der Erwerber des Grundstücks eine oder mehrere natürliche Personen sind und das Grundstück nach dem Erwerb den eigenen Wohnzwecken dienen soll", heißt es in dem Papier. Sie sollen zudem "weitere Einschränkungen für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes festlegen können, insbesondere eine weitere Beschränkung des Erwerberkreises".
Die geplante Reform füge sich in das bisherige System der Grunderwerbsteuer ein, weshalb eine Änderung des Grundgesetzes nicht notwendig sei, formulierte das Bundesfinanzministerium.
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