Weniger Grunderwerbsteuer kann Wohnungsbooster zünden
Die neue Bundesregierung steht in den Startlöchern – die Hoffnungen im Bereich Wohnen sind hoch. Mit einem Werkzeug könnte der jahrelang versprochene Wohnungsbooster gezündet werden, meinen Tim von Campenhausen, Leiter der Unternehmensentwicklung bei Fidania, und Dominik Hermann von Koenen Bauanwälte. Diese rechtlichen Maßnahmen stehen der Politik offen.
Die Grunderwerbsteuer steht seit Jahren in der Kritik: Sie beeinträchtige die Wohneigentumsbildung und bremse den Wohnungsbau. Für die Bundesländer wiederum ist die Grunderwerbsteuer eine wichtige Einnahmequelle.
Experten: Grunderwerbsteuer – effektivster Hebel für Neubau
Die Grunderwerbsteuer fällt einmalig auf die Summe eines Immobilien- oder Grundstückkaufes an und kann für Kaufinteressenten eine große Hürde sein. Seitdem die Erhebung der Steuer in Länderhand fiel*, erhöhten alle Bundesländer bis auf Bayern den Steuersatz. Im Freistaat liegt der Steuersatz noch bei 3,5 Prozent des Kaufpreises, alle übrigen Länder setzen zwischen fünf Prozent und 6,5 Prozent an.
Der Wohnungskauf verteuert sich dadurch erheblich. "Da die Grunderwerbsteuer zu den Kaufnebenkosten zählt, wird sie bei der Kaufpreisfinanzierung durch Banken nicht mitfinanziert. Immobilienkäufer müssen diese Kosten über ihr Eigenkapital abdecken", sagt von Campenhausen. Diese horrende, selbst aufzubringende Summe von vielen Tausend Euro hindere viele Interessierte an der Umsetzung von Neubauvorhaben, die der Markt unbedingt brauche.
*Die Bundesländer können die Höhe der Grunderwerbsteuer seit der Förderalismusreform 2006 selbst festlegen. Vor der Reform lag der Steuersatz einheitlich bei 3,5 Prozent.
Wieso hadert es an der Reform der Grunderwerbsteuer?
"Die Grunderwerbsteuer ist per Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) bundesweit geregelt", ergänzt Rechtsanwalt Hermann. "Nach Art. 105 GG darf der Bund Gesetze zum gleichen Regelungsgegenstand nur dann erlassen, wenn er von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch macht." Das bedeute: Nur Gesetze, die die Länder nicht in den Rechten beschneiden, sind erlaubt. "Das verhindert vollumfängliches Eingreifen des Staates – und damit einen unkomplizierten Lösungsansatz."
"Eine echte Chance wäre eine Bund-Länder-Kommission, die sich zeitnah auf einen Erlass beziehungsweise eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer für Ersterwerber und Eigennutzer von Wohnimmobilien verständigt", Fidania-Experte von Campenhausen.
Auch Hermann hält abweichende Sätze für Selbstnutzer für denkbar. Ähnliche Systeme gibt es beispielsweise in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden. Auch eine Staffelung nach Höhe der Transaktionskosten wie in Belgien wäre dem Anwalt zufolge eine mögliche Lösung. Oder: Frankreich setze auf eine Befreiung der Grunderwerbsteuer bei Neubauten und in den Niederlanden müssten Erstkäufer unter 35 Jahren keine zusätzlichen Kosten aufbringen.
Fest steht für von Campenhausen und Hermann: Eine Reform der Grunderwerbsteuer ist notwendig, um den deutschen Wohnungsmarkt wieder anzukurbeln. Wenn die schwarz-rote Regierung gegen den Wohnungsmangel aktiv werden wolle, muss sie genau hier ansetzen. Denn trotz der kürzlichen Senkung des Systemrisikopuffers der Bafin bleibe die Investition ins Eigenheim unattraktiv.
Studie: Was eine Reform der Grunderwerbsteuer bringen kann
Eine Halbierung der Grunderwerbsteuer würde laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln nicht nur die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern und die Fertigstellungszahlen erhöhen, sondern auch die Mindereinnahmen der Länder mehr als kompensieren, da sie weniger Wohnungen selbst bauen müssten.
Das Gutachten wurde vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Bauwirtschaft Baden-Württemberg (BWW), dem Landesverband Bayerischer Bauinnungen, dem Baugewerbe-Verband Niedersachsen sowie den Bauverbänden NRW in Auftrag gegeben. Untersucht wurde, wie sich eine Senkung der Grunderwerbsteuer auf die Neubaunachfrage auswirken könnte.
Zentrale Ergebnisse der Studie im Überblick
- Der Wohnungsbaubedarf ist angesichts hoher Zuwanderung und zu geringer Bautätigkeit in der Vergangenheit sehr groß. Mit den aktuell fallenden Fertigungszahlen wird sich der Druck im Wohnungsmarkt weiter erhöhen.
- Die Grunderwerbsteuer ist für die Bundesländer eine wichtige Einnahmequelle, im Jahr 2023 lag ihr Aufkommen bei 25,2 Milliarden Euro. Aufgrund rückläufiger Transaktionen liegt dieser Wert aber bereits 33 Prozent unter dem Höchststand von 2021.
- Eine Reduzierung der Grunderwerbsteuersätze um 50 Prozent würde die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern. Dieser Effekt würde sich mit einem Zeitverzug auch bei den Baufertigstellungen zeigen.
- Insbesondere in der aktuellen Lage mit hohen Bauüberhängen könnte der Effekt stärker und zeitnäher erfolgen.
- Eine Senkung der Grunderwerbsteuer um 50 Prozent wäre zwar mit einer zusätzlichen Bautätigkeit verbunden, würde über alle Bundesländer hinweg aber zu Einnahmereduzierungen von rund drei Milliarden Euro führen. Allerdings: Der staatliche Neubau von so vielen Wohnungen, wie sie über eine entsprechende Grunderwerbsteuersenkung geschaffen werden würden, hätte Kosten von rund zehn Milliarden Euro zur Folge.
- Der Effekt einer Grunderwerbsteuersenkung auf den Neubau könnte sich durch eine strukturelle Reform der Grunderwerbsteuer vergrößern, gleichzeitig könnten die Einnahmeausfälle begrenzt werden. Besonders attraktiv in diesem Sinne wäre eine Reform nach britischem Vorbild mit einem progressiven Grunderwerbsteuertarif.
IW-Gutachten "Auswirkungen einer Grunderwerbsteuersenkung auf die Neubaunachfrage" (Download)
Ökonomen: Niedrige Grunderwerbsteuer pusht Wohnungsbau
Dass eine niedrige Grunderwerbsteuer zu mehr Wohnungsbau der Privatwirtschaft führen kann und unter dem Strich für die Bundesländer günstiger käme, rechnet auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel vor.
Laut dieser Studie wurden im Untersuchungszeitraum in den Bundesländern mit niedrigen Sätzen deutlich mehr neue Wohnungen gebaut als in den Ländern mit höheren Sätzen. Über die Jahre 2011 bis 2020 hinweg lagen demnach die Bauinvestitionen zum Beispiel in Bayern durchschnittlich um acht Prozent höher.
IfW-Analyse "Zum Einfluss der Grunderwerbsteuer auf den Wohnungsneubau in Deutschland" (PDF)
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