Tausende Wohnungen mit Share-Deal-"Kniff" verkauft

In Deutschland sind in den vergangenen drei Jahren mindestens 150.000 Wohnungen verkauft und gekauft worden, ohne dass Grunderwerbsteuer fällig wurde – dank sogenannter Share Deals. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.

Sogenannte Share Deals wurden zwischen 2018 und 2021 deutschlandweit beim Kauf von mindestens 150.000 Wohnungen genutzt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor. Bei einem Share Deal werden Immobilien in einem Unternehmen gebündelt und der Käufer übernimmt Anteile (Shares) an dem Unternehmen – da es sich nicht um einen Immobilienkauf im eigentlichen Sinn handelt, fällt die Grunderwerbsteuer weg.

Die Grunderwerbsteuer fällt an, wenn eine Immobilie den Eigentümer wechselt. Bis zu 6,5 Prozent je nach Bundesland müssen an das Finanzamt abgeführt werden.

Unter den Käufern: Bekannte Akteure wie Vonovia

Die Daten, die die Bundesregierung ihrer Antwort zugrunde legt, beziehen sich auf "Immobilienportfolios mit mehr als 800 Wohneinheiten" – Geschäfte, bei denen weniger als 800 Wohnungen auf einen Schlag gehandelt wurden, sind nicht mitgerechnet. In der Liste tauchen auch bekannte Namen wie Adler Real Estate oder Vonovia auf. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" könnte der Immobilienriese womöglich bei der Milliarden-Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen vom Share-Deal-"Sparmodell" profitieren.

Die Bundesregierung weiß nach eigener Aussage aber nicht, bei wie vielen der aufgelisteten Großdeals tatsächlich keine Grunderwerbsteuer gezahlt worden ist. Daher kann die Regierung nicht abschätzen, wie viel Steuern ihr genau entgangen sind. Schätzungen zufolge gehen dem Fiskus pro Jahr mehr als eine Milliarde Euro durch Share Deals verloren.

Zuerst berichtet über Anfrage und Antwort hatte der Saarländische Rundfunk (SR). In gemeinsamen Recherchen mit Correctiv hatte der SR zudem Anfang 2021 ein Share-Deal-Geschäft aufgedeckt: Ein Portfolio mit tausenden Wohnungen in ganz Deutschland war in diesem Fall mehrfach weiterverkauft worden, ohne dass die internationalen Investoren Grunderwerbsteuer gezahlt hätten. Dabei ging es um Mietshäuser unter anderem im Saarland, Nordrhein-Westfalen und in Sachsen-Anhalt.

Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken zu Share Deals (PDF)

Share Deals: Seit dem 1. Juli gilt ein neues Grunderwerbsteuergesetz

Seit Anfang Juli gilt ein verschärftes Grunderwerbsteuergesetz, das Share Deals künftig unattraktiver machen soll. Allerdings bietet auch das nach Ansicht von Steuerexperten zu viele Schlupflöcher für Immobilieninvestoren. Share Deals sind auch künftig nicht verboten – neu ist nur, dass sie jetzt auch grunderwerbsteuerlich behandelt werden.

Die steuerauslösende Grenze beim Erwerb von Immobilien über Share Deals wurde im neuen Gesetz von 95 auf 90 Prozent gesenkt. Bisher konnte die Grunderwerbsteuer gespart werden, wenn Unternehmen bis zu 94,9 Prozent an einer Gesellschaft erworben haben. Auch die Haltefrist wurde verlängert: Ein Minderheitsgesellschafter muss seinen Anteil künftig zehn Jahre halten statt bisher fünf. Die Steuer fällt also künftig an, wenn innerhalb von zehn Jahren mehr als 90 Prozent der Anteile an einer Immobilien-Gesellschaft den Eigentümer wechseln.

Die Ersatzbemessungsgrundlage auf Grundstücksverkäufe wird nun im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen angewendet – die sogenannte Vorbehaltensfrist wurde auf 15 Jahre verlängert und die Begrenzung des Verspätungszuschlags aufgehoben. Neben der Senkung der Schwellenwerte und der Verlängerung der Haltefristen wurden zudem die Regeln für Kapitalgesellschaften verschärft und eine Klausel für börsennotierte Unternehmen ("Börsenklausel") eingeführt.

Union und SPD hatten sich am 14.4.2021 im Finanzausschuss des Bundestages auf einen Entwurf zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes geeinigt, der Bundestag stimmte am 21. April in zweiter und dritter Lesung zu. Am 7. Mai hat der Bundesrat die Maßnahmen gegen Share Deals beschlossen. Das Gesetz wurde am 17.5.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1.7.2021 in Kraft.

Immobilienbranche: Share-Deal-Reform ist "Bärendienst" am Wirtschaftsstandort Deutschland

Während die Länder nun auf Mehreinnahmen womöglich in Milliardenhöhe hoffen, hagelte es aus der Immobilienbranche Kritik an der Gesetzesreform. Share Deals haben nach Auffassung der Marktakteure gerade den Zweck, Unternehmen bei Umstrukturierungen oder Verkäufen steuerlich nicht unnötig zu belasten. Dafür war die Regel einmal gemacht: Um nicht bei jeder Verschiebung von Anteilen automatisch eine Grunderwerbsteuerpflicht auszulösen. Bei Share Deals handele es sich nicht um missbräuchliche Steuergestaltungen – "wie dies einige Politiker darzustellen versuchen", sagte Dr. Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des Ausschusses Steuerrecht beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA).

Mit dem neuen Gesetz würden Unternehmen auch mit nur einer Produktions- oder Verwaltungsimmobilie von der Neuregelung erfasst und müssten mitunter selbst bei Kleinstübertragungen von Anteilen für das gesamte Immobilieneigentum Grunderwerbsteuer zahlen, erklärte ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner seine Bedenken. "Und plötzlich kommen zum Beispiel Industrieunternehmen in die Bredouille, Grunderwerbsteuer zu zahlen, ohne dass ein Grundstück den Eigentümer wechselt." Auch die Börsenklausel schaffe hier keine Abhilfe.

Die greife etwa bei mittelbaren Anteilsübertragungen gar nicht – sei an dem börsennotierten Unternehmen ein Fonds beteiligt, könne der Handel mit den Anteilsscheinen des Fonds zu einem Grunderwerbsteueranfall beim börsennotierten Unternehmen auf den gesamten Grundbesitz führen. "Hierbei reden wir mitunter von dreistelligen Millionenbeträgen – und das wiederkehrend", so Mattner. Dieses Gesetz sei ein "Bärendienst" für den deutschen Wirtschaftsstandort.

Auch Bau­­träger und Pro­jekt­ent­wick­ler gehören zu den Ak­teuren, die Share Deals häufiger nutzen. Sie kaufen Grundstücke, realisieren das Bauvorhaben und ver­kau­fen das fertige Objekt an einen Investor. Laut Jochen Schenk, Vorstandschef der Real I.S. AG, verfügen sie meist über wenig Eigen­ka­pi­tal. Wenn sie bei Share Deals länger an Ob­jek­ten be­tei­ligt blei­ben müssten, könne das dazu führen, dass sie ihre Akti­vi­tä­ten zu­rück­­­fah­­ren müssten, da das in Share Deals gebundene Kapital nicht anderweitig eingesetzt werden könne.


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Share Deal, Grunderwerbsteuer