Vorkaufsrecht bei Share Deals: Hamburg zieht es durch
Die Stadt Hamburg hat erstmals bei einem Verkauf von Anteilen an einer grundstückshaltenden Gesellschaft – einem sogenannten Share Deal – ein gemeindliches Vorkaufsrecht ausgeübt und damit juristisches Neuland betreten. Die Motivation für diese Art von Grundstücksgeschäften liegt vor allem darin, dass die Grunderwerbsteuer gespart werden kann oder gerade auch, um ein gemeindliches Vorkaufsrecht abzuwenden.
Der zur Finanzbehörde gehörende Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) hat sich zwar bereits Ende 2022 auf diesem Weg das 57.000 Quadratmeter große Gelände "Freudenberger Areals" in Harburg gesichert, zwischen den Beteiligten wurde aber jetzt erst eine Einigung zur weiteren Abwicklung des Ankaufs erzielt, wie der Senat am 22. Februar mitteilte. Damit konnte eine gerichtliche Auseinandersetzung vermieden werden.
Verordnung zur Begründung eines besonderen Vorkaufsrechts
Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts soll die geordnete Entwicklung des östlichen Harburger Binnenhafens sichergestellt und eine städtebauliche Fehlentwicklung unterbunden werden.
Die Stadt Hamburg hatte durch eine Verordnung zur Begründung eines besonderen Vorkaufsrechts die Möglichkeit eines Zugriffs auf die Grundstücke geschaffen. "Die erstmalige Ausübung des Vorkaufsrechts bei einem Share Deal unterstreicht, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Grundstücke zu sichern, die für die übergeordnete Entwicklung Hamburgs essenziell sind", sagte Karen Pein (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen.
Kommunen steht gemäß § 24 Baugesetzbuch (BauGB) unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht beim Verkauf von Grundstücken (Asset Deals) zu. Share Deals – bei denen nicht das Eigentum am Grundstück selbst, sondern Anteile einer im Grundbuch als Grundstückseigentümerin eingetragenen Gesellschaft veräußert werden – regelt der Paragraf grundsätzlich nicht. Berlin hatte vor drei Jahren den Vorstoß gemacht.
Vorkaufsrecht bei Share Deals: Liegt im Bundesrat auf Eis
Das Land Berlin will das kommunale Vorkaufsrecht bundesweit auf grundstücksbezogene Share Deals ausweiten. Im Februar 2021 hat der Senat einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, mit dem das allgemeine gesetzliche Vorkaufsrecht der Kommunen beim Verkauf von Grundstücken (Asset Deals) auf sogenannte Share Deals ausgeweitet werden soll. Der Bundesrat hatte die Drucksache am 26.3.2021 auf der Tagesordnung. Weitere Beratungen innerhalb der Ausschüsse wurden aber auf unbestimmte Zeit bis zum Wiederaufruf vertagt.
In dem Berliner Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des Baugesetzbuchs (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz) formuliert die federführende Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dass das Vorkaufsrecht auf alle vertraglichen Gestaltungen ausdehnt werden solle, "die bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf eines Grundstücks entsprechen". Damit sind auch Share Deals gemeint.
Der Entwurf sieht vor, dass alle Vertragsparteien und öffentlichen Stellen – etwa Notare und Gerichte – künftig zur Anzeige von Share Deals gegenüber den Kommunen verpflichtet werden können. Bei Verstößen sollen Bußgelder in Höhe von bis zu 500.000 Euro verhängt werden können. Außerdem soll die Frist zur Ausübung von Vorkaufsrechten (§ 28 Absatz 2 Satz 1 BauGB) von zwei auf vier Monate ausgedehnt werden.
BGH: Share Deals grundsätzlich nicht für Vorkauf geeignet
Bei "Umgehungsgeschäften", heißt es im Berliner Gesetzentwurf, "insbesondere in Form von Share Deals" werde derzeit überwiegend auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.1.2012 verwiesen. Die Entscheidung befasste sich mit der Ausübung des zivilrechtlichen Vorkaufsrechts (§ 463 BGB) bei Vorliegen einer den Vorkaufsfall auslösenden kaufähnlichen Vertragsgestaltung.
Share Deals sind nach der BGH-Rechtsprechung zwar grundsätzlich nicht geeignet, um einen Vorkaufsrechtsfall auszulösen, doch es seien Vertragsgestaltungen denkbar, "die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können", so die Auffassung der Karlsruher Richter. Allerdings handelte es sich in dem vorliegenden Fall klar um ein Umgehensgeschäft, mit dem gerade das gemeindliche Vorkaufsrecht verhindert werden sollte.
"Die vom BGH aufgestellten Grundsätze zu § 463 BGB bieten der Verwaltung jedoch nur bedingt eine Handhabe gegen die Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechts", schreiben die Verfasser des Berliner Gesetzentwurfs. Die Erstreckung der Vorschriften über das gemeindliche Vorkaufsrecht auf Umgehungsgeschäfte sei mit Rechtsunsicherheit verbunden, solange sie nicht im Wortlaut klargestellt werde. Vor allem aber würden solche Umgehungsgeschäfte nach derzeitiger Rechtslage der Gemeinde nur in seltenen Fällen bekannt: Eine Mitteilungspflicht nach § 28 Absatz 1 Satz 1 BauGB besteht nur für Grundstückskaufverträge.
VG Berlin stellt Share Deals Immobiliengeschäften gleich
Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) hatte am 13.12.2019 in einem Eilverfahren (Az. VG 19 L 566.19) entschieden, es sei "möglich, dass sogenannte Umgehungsgeschäfte, die kaufähnlich sind, den Vorkaufsfall auslösen". In diesem Fall ging es um das Bezirksamt Neukölln, das einen Share Deal bei zwei Immobilien unter die Lupe nehmen wollte, um zu prüfen, ob ein Vorkaufsrecht umgangen wurde.
Die Behörde verlangte, dass die vollständigen notariellen Unterlagen zum Share Deal vorgelegt werden. Der Erwerb der Gesellschaftsanteile sei – so die Begründung des Gerichts – ein Vorgang, der dem Bezirk die Ausübung seines Vorkaufsrechts eröffnen könnte. Die Beteiligten des Immobiliengeschäfts verweigerten dem Bezirk die Einsicht der Unterlagen. Sie argumentierten, aus einem Share Deal folge kein Vorkaufsrecht, eine Umgehung sei also nicht zu befürchten.
Dem widersprach das VG Berlin: Zwar löse ein Share Deal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich kein Vorkaufsrecht aus – jenseits eines Kaufs seien aber Vertragsgestaltungen denkbar, die einem solchen Rechtsgeschäft so nahe kämen, dass sie diesem gleichgestellt werden könnten. Die im Baugesetzbuch geregelten Voraussetzungen für die Anordnung der Behörde zur Vorlage von Unterlagen seien erfüllt.
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