Zinsexperten sagen Zäsur für Immobilienkäufer voraus
Am Immobilienmarkt freut man sich über Planungssicherheit – spürbare Effekte werden aber erst bei einer erneuten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. Die Notenbank hat sich auch im Oktober dagegen entschieden, ob daran bei der letzten Sitzung in diesem Jahr im Dezember noch gerüttelt wird, ist offen. Die Finanzmärkte hätten bis vor Kurzem noch auf weitere Lockerung gehofft, meint Oliver Kohnen, Geschäftsführer der Baufi24 Baufinanzierung GmbH.
Auf die Bauzinsen wirken die geldpolitischen Entscheidungen indirekt. So reagiert der Markt.
Zinsentwicklung: Leitzinsanhebung 2026 wird wahrscheinlicher
Laut Kohnen rückt nun ein anderes Szenario in den Vordergrund: Das Ende des geldpolitischen Zyklus scheint erreicht. Denn die Inflationsdaten sprechen eine klare Sprache: In der Eurozone liegt die Teuerung im September mit 2,2 Prozent inzwischen wieder oberhalb des Zielwerts, in Deutschland sogar bei 2,4 Prozent. "Damit ist der Spielraum für weitere Zinssenkungen praktisch aufgebraucht", sagt der Experte. EZB-intern sei längst von einer längeren Stabilitätsphase die Rede – nicht wenige Ökonomen hielten eine Leitzinsanhebung 2026 inzwischen für wahrscheinlicher als eine Senkung.
"Die kurze Zins-Honeymoon-Phase zu Jahresbeginn ist schon wieder vorbei", schreibt der Baufi24-Experte in seinem Kommentar. Die Bauzinsen haben sich seit dem Sommer stabil um die Marke von 3,5 Prozent eingependelt – dass es noch einmal günstiger werde, sei zunehmend unwahrscheinlich. Vielmehr drohe eine Trendwende: Sollten die Zinsen 2026 wieder anziehen, würde das die Finanzierungskosten empfindlich verteuern.
Phase günstiger Immobilienkredite vor dem Ende?
Bei den Immobilienpreisen dürfte es nach neuesten Marktdaten gleichzeitig weiter aufwärts gehen: Die Preise für Neubauwohnungen lagen im dritten Quartal 2025 im Schnitt bei 5.166 Euro pro Quadratmeter – ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. "Zwar ist das kein Boom wie in den Hochzeiten der 2010er-Jahre, aber doch ein klarer Richtungswechsel", so Kohnen. In einigen Metropolregionen seien die Anstiege noch ausgeprägter. Wer 2025 gezögert habe, dürfte das inzwischen mit fünfstelligen Mehrkosten spüren – ohne dass sich die Finanzierungsbedingungen verbessert hätten.
Die Märkte rechnen demnach bis weit ins Jahr 2026 hinein nicht mehr mit sinkenden Zinsen. "Die Phase günstiger Kredite könnte schneller enden, als vielen lieb ist", sagt der Experte. Wer sich stabile Raten sichern und von vergleichsweise moderaten Preisen profitieren wolle, sollte nicht länger warten.
Zinsniveau: Herausforderung für die Immobilienwirtschaft
"Die Entscheidung der EZB, die Leitzinsen unverändert zu lassen, ist nachvollziehbar und richtig", kommentiert Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG. Für die Immobilienwirtschaft bleibe das aktuelle Zinsniveau eine Herausforderung, aber immerhin eine kalkulierbare. "Eine überhastete Zinssenkung hätte falsche Erwartungen geweckt und die Glaubwürdigkeit der EZB in ihrer Inflationsbekämpfung untergraben." Stabilität sei jetzt das Gebot der Stunde – sowohl für die Kapitalmärkte als auch für die Immobilienfinanzierung.
Eine vorschnelle geldpolitische Lockerung in Europa wäre nach Auffassung von Prof. Dr. Steffen Sebastian (Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg) angesichts der nicht vollständig gebannten Inflationsrisiken ein falsches Signal. "Auch wenn die Wirtschaft in der Eurozone eine Zinssenkung gut verkraften könnte, wäre eine Aufweichung der geldpolitischen Linie derzeit gefährlich." Er ist überzeugt, dass die Stabilität des Finanzsystems und damit auch die Immobilienbranche von dieser Disziplin langfristig profitieren wird.
"Für gewerbliche Immobilieninvestoren schafft diese Entscheidung eine stabile Kalkulationsgrundlage und erhöht die Planungssicherheit bei langfristigen Engagements", ergänzt Stefan Hoenen, Head of Commercial Real Estate bei der Hamburg Commercial Bank. Die anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen förderten die Investitionsbereitschaft in moderne und nachhaltige Wohn- und Gewerbeflächen – das sei ein Impuls, von dem nicht zuletzt auch die Realwirtschaft profitiere, da Unternehmen als Mieter bessere Standortoptionen nutzen könnten.
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