Gutachten: Leitzins-Effekt auf Immobilienmarkt überschätzt

Der rasante Anstieg der Immobilienkredite durch die EZB-Zinspolitik verunsichert am Markt. Der Einfluss spielt aber langfristig kaum eine Rolle, heißt es in einem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) – ganz anders Fundamentalfaktoren wie Demografie. Eine Prognose.

Die Zinsen sind zuletzt stark gestiegen. Grund sind die Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB), mit denen das hohe Inflationsniveau abgefedert werden soll. Langfristig haben aber andere Faktoren Einfluss auf die Zinsentwicklung. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln im Auftrag von Hansainvest Real Assets.

Es stellen sich demnach viele Investoren und Immobilieneigentümer die Frage, ob es zu einer generellen Trendumkehr in der Zinsentwicklung kommt oder ob langfristig wieder mit sinkenden Zinsen zu rechnen ist – vor allem mit Blick auf die aktuell zu beobachtende Rückkehr der Inflation.

Zinsen: So wirken Demografie und andere strukturelle Faktoren

Die empirische Analyse des IW Köln zeigt, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in den OECD-Staaten die Zinsen langfristig fallen könnten. "Dazu beigetragen hat vor allem der Anstieg der Lebenserwartung, die in Kombination mit starren Renteneintrittsaltern zu stetig steigender Ersparnisbildung führte, wodurch die Zinsen wiederum fallen konnten, selbst wenn Investitionen etwa aufgrund der notwendigen Transformation anstiegen", heißt es im Fazit der Gutachter. Allerdings seien hier keine strukturellen Brüche berücksichtigt. Solche könnten sein:

  • ein deutlicher Anstieg der Regelaltersgrenze in vielen Staaten,
  • großer Investitionsbedarf (etwa durch Zerstörung in Kriegen oder durch Umweltkatastrophen) sowie
  • massive Investitionen in Schwellenländern.

Trotzdem könne die Demografie ein sehr starker Treiber für eher niedrigere Zinsen sein und andere Faktoren müssten den Effekt überkompensieren.

Neues Niedrigzinsumfeld: Die Theorien

Mehrere Theorien prognostizieren laut IW Köln einen dauerhaften Rückgang der Zinssätze:

  • Die Hypothese von der globalen Sparschwemme sagt voraus, dass es weltweit wegen demografischer Einflüsse einen Überschuss an Ersparnissen gegenüber Investitionen geben werde, der einen Abwärtsdruck auf die Realzinsen ausüben wird.
  • Dass ein rückläufiges Bevölkerungswachstum, eine geringere Kapitalintensität und ein sinkender relativer Preis von Investitionsgütern niedrige Investitionen und niedrigere Zinssätze verursacht, das sagt die säkulare Stagnationshypothese.
  • Die Hypothese der Verknappung sicherer Anlagen geht von einer wachsenden Kluft zwischen Angebot an sicheren Anlagen und Nachfrage nach sicheren Anlagen aus.

"Zudem existiert Literatur, die ein zu geringes Produktivitätswachstum als Ursache für das Niedrigzinsumfeld sieht", schreibt Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter des Clusters Globale und regionale Märkte des IW Köln.

Aussicht: Langfristig sinken die Zinssätze

Für Deutschland prognostiziert das IW Köln ein kontinuierliches Absinken des Realzinses von minus 0,3 Prozent (Referenzjahr 2019) auf minus 1,2 Prozent bis 2025. Danach setze sich der negative Trend bei den Realzinsen fort und führt zu einem Realzins von minus 4,5 Prozent im Jahr 2040 bis zu einem Tiefpunkt von minus 5,5 Prozent im Jahr 2050. Dieses Ergebnis steht laut Gutachten im Gegensatz zur Hypothese eines zyklischen Verhaltens der Realzinsen und stützt die Hypothese der globalen Sparschwemme und die Hypothese der säkularen Stagnation.

Simulationen mit höheren Investitionen zeigten, dass sich dieser Trend auch durch einen Investitionsboom kaum abmildern lasse, schreiben die Studienautoren. Vor diesem Hintergrund dürfte die Nachfrage nach Vermögenswerten wie Unternehmen und Immobilien steigen. Die Reagibilität der Renditen auf Zinsveränderungen sei auch weniger stark ist, als allgemein vermutet wird.

"Investoren lassen sich bei ihren Anlageentscheidungen eher von langfristigen Zinserwartungen als von kurzfristigen Veränderungen beeinflussen. Die gerechtfertigte Erwartungshaltung für die nächsten Jahrzehnte geht tendenziell davon aus, dass die Zinsentwicklung 2022 und 2023 ein Ausreißer bleiben wird", ist Voigtländer überzeugt. Für den deutschen Markt sei das wegen der schnellen Alterung der Gesellschaft besonders relevant. "Immobilien und speziell Wohnimmobilien gelten hier zu Recht als ein guter Inflationsschutz."

IW-Gutachten "Perspektiven für die Zinsentwicklung und Konsequenzen für die Immobilienmärkte"


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Schlagworte zum Thema:  Zinsen, Zinssatz, Immobilienmarkt