Wohninvestmentmarkt: Höhenflug auch ohne Elefantenhochzeit

Das alte Jahr endete wie erwartet mit einem Handelsrekord bei Wohnimmobilien, wie Studien bestätigen. Um die 50 Milliarden Euro wurden investiert – auch ohne die rund 20 Milliarden Euro aus der Fusion der Konzerne Deutsche Wohnen und Vonovia ist das Ergebnis überragend.

Wohnimmobilien für 51,8 Milliarden Euro wurden im Jahr 2021 gehandelt, schreibt das Maklerhaus Savills. Damit sei der bisherige Rekord von 2015 (23,3 Milliarden Euro) um mehr als das Doppelte übertroffen. Die Megafusion der Wohnungskonzerne Deutschen Wohnen und Vonovia war demnach ein maßgeblicher Faktor – aber nicht der einzige Treiber laut Savills. BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) und NAI Apollo kommen auf ein ähnliches Jahresendergebnis um die 51 Milliarden Euro. Laut CBRE und JLL lag der Gesamtumsatz knapp unter 50 Milliarden Euro.

Die Nachfrage nach Wohnimmobilien sei insgesamt deutlich gestiegen, berichtet Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany: "Wohnimmobilien gelten bei vielen Investierenden als Anleihesubstitut par excellence, so dass weiterhin zusätzliches Kapital in den Markt fließt." Ein Ende sei nicht in Sicht. Der Investmentmarkt habe sich zudem spürbar internationalisiert. "Weitere Akteure und Fondsvehikel starten erst jetzt mit dem Portfolioaufbau. Dies wird zu weiterhin intensiven Bieterwettstreiten führen", so Nemecek. Investoren aus dem Ausland haben vergangenes Jahr deutsche Wohnimmobilien für mehr als 10 Milliarden Euro gekauft – der bisherige Höchstwert lag bei 3,7 Milliarden Euro.

Neubauten: Begehrte Anlageprodukte – ESG als Treiber

Rund 5,6 Milliarden Euro – laut Savills in Summe so viel wie nie – flossen 2021 in den Kauf von Projektentwicklungen. BNPPRE kommt beim Handel mit Projektentwicklungen auf ein Allzeithoch von knapp 6,3 Milliarden Euro und CBRE sogar auf 6,6 Milliarden Euro. Dies unterstreiche die hohe Nachfrage nach neuen Wohnimmobilien am Investmentmarkt, erklärt Matti Schenk, Associate, Research Germany bei Savills. Diese seien nicht nur von einigen Mietregulierungen ausgenommen, sondern hätten Vorteile im Hinblick auf eine höhere Inflationsrate. Der Experte erwartet für 2022 einen noch größeren Run auf Neubauten – angesichts steigender Fertigstellungszahlen dürften mehr Produkte verfügbar sein als noch vor einigen Jahren.

Das omnipräsente Thema ESG könnte für zusätzliche Nachfrage nach Neubauten sorgen. "Da ein beträchtlicher Teil des institutionellen Anlagevolumens ESG-konform ausgerichtet ist oder noch wird, dürfte dies Kapital in Neubauten umlenken", meint Schenk. Neben dem E (Environment) in ESG wird laut Savills zunehmend das S (Social) in den Fokus rücken. "In Wohnimmobilien zielt das S in ESG vielfach auf die Erschwinglichkeit ab, so dass Anteile geförderter Wohnungen im Portfolio an Attraktivität gewinnen könnten", so Schenk weiter.

Nachhaltigkeit war 2021 das meistdiskutierte Thema – "auch auf dem institutionellen Wohninvestmentmarkt haben sich ESG-konforme Immobilien sichtbar etabliert", ergänzt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Dies gelte vor allem für das Thema Energieeffizienz: "Die neue EU-Taxonomie wird dieser Entwicklung im weiteren Jahresverlauf zusätzlichen Auftrieb geben und dürfte vor allem auf dem Immobilienmarkt für neue Impulse sorgen." JLL gehe davon aus, dass Investoren verstärkt nach Immobilien suchen werden, die taxonomiekonform sind. Für nicht-nachhaltige Immobilien könnte dies bedeuten, dass Verkäufer aufgrund geringerer Nachfrage teilweise Abschläge hinnehmen müssen. Das werde zusätzlich Bewegung in den Markt bringen.

Berlin, Berlin: Jeder zweite Euro floss in die Hauptstadt

Mehr als drei Viertel (83 Prozent) des Transaktionsvolumens entfiel 2021 laut Savills auf Portfoliodeals – hier spielte die Megafusion ebenfalls eine Rolle, aber auch weitere Großtransaktionen, darunter der Verkauf eines Pakets mit mehr als 15.000 Wohnungen von Vonovia und Deutsche Wohnen an die kommunalen Berliner Wohnungsunternehmen. Das machte die Hauptstadt 2021 zum mit Abstand umsatzstärksten Standort in Deutschland: Etwa 56 Prozent des Transaktionsvolumens entfielen auf nach Angaben von Savills auf Berlin.

"Anders als in der Vergangenheit – als nahezu ausschließlich die großen Metropolen im Blickpunkt standen – wurde dieses Jahr 53 Prozent des Volumens außerhalb der A-Städte investiert", stellt Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH, fest. Wäre in diesem Marktsegment nicht ein großer Angebotsengpass zu verzeichnen gewesen, "wäre das Volumen mit Sicherheit noch höher ausgefallen", meint Meszelinsky. Insgesamt erzielten die sogenannten A-Standorte dem BNPPRE-Experten zufolge einen Umsatz von rund 34,7 Milliarden, was einem Anteil von 68 Prozent am Gesamtvolumen 2021 entspricht.

CBRE hält im laufenden Jahr ein Handelsvolumen von bis zu 30 Milliarden Euro für realistisch – unberücksichtigt der Übernahme der Deutschen Wohnen wäre das Ergebnis dann auf oder gar über dem Niveau des Rekordjahres 2021. Ein Treiber des Marktgeschehens dürften demnach Portfoliobereinigungen sein. "Die Rahmenbedingungen für Wohninvestments sind weiterhin sehr gut, so dass auch 2022 von einem hohen Umsatz auszugehen ist, auch wenn der im vergangenen Jahr aufgestellte Rekord vermutlich für die Ewigkeit ist", fasst Meszelinsky die Aussichten zusammen. In den Metropolen bestünde nach wie vor ein großer Nachfrageüberhang, von dem vor allem moderne Neubauwohnungen profitieren könnten.

Trotz Renditekompression: Nachfrage bleibt auf hohem Niveau

Da starke Nachfrage aufgrund des attraktiven Risikoprofils bei Wohnimmobilien führte laut CBRE 2021 zu einer leichten Renditekompression. Im Durchschnitt der Top-7-Märkte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) ging demnach die Nettospitzenrendite von 2,3 Prozent Ende 2020 um 0,1 Prozentpunkte auf 2,2 Prozent Ende 2021 zurück. In Berlin, München und Frankfurt am Main betrug die Nettospitzenrendite Ende 2021 nur noch 2,1 Prozent. BNPPRE geht davon aus, dass sich diese Entwicklung im laufenden Jahr fortsetzen wird.

CBRE stellt fest, dass Mikroapartments und Student-Housing 2021 eine deutliche Erholung erlebt haben. Nach einem Umsatz von 637 Millionen Euro im Jahr 2020 in diesem Segment, lag das Transaktionsvolumen im Rekordjahr 2021 bei 1,3 Milliarden Euro. "Denn diese Objekte bieten attraktivere Renditen als klassisches Wohnen und sind deswegen sowohl als Beimischung zu herkömmlichen Wohnportfolios, aber auch als eigenständige Portfolios begehrt", kommentiert Michael Schlatterer, Senior Director Residential Valuation bei CBRE in Deutschland. Aktuell gebe es zahlreiche Akteure, die verstärkt in dieses Segment investieren wollen. "In diesem Zusammenhang sind einige größere Transaktionen, aber auch Konsolidierungstendenzen zu erwarten."
 

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