Kreislaufwirtschaft: Das Potenzial für die Immobilienbranche

Flexible und modulare Planung, biophiles Design und recyclebare Baustoffe, eine Regulatorik, die graue Emissionen konsequent berücksichtigt – eine Studie ordnet das Potenzial der Kreislaufwirtschaft für die Immobilienbranche ein. Der Schlüssel liegt beim standardmäßigen Materialpass und im Bestand.

In Gebäuden stecken tonnenweise CO2-Emissionen: Im Beton, in Stahlträgern und in Fensterscheiben. Jedes Bauteil, das wiederverwendet wird, jede Immobilie, die nicht neu gebaut werden muss, spart die grauen Emissionen ein. Der Schlüssel liegt in der Kreislaufwirtschaft, auch Circular Economy genannt. Es geht um die möglichst restlose Verwertung von Baustoffen ohne Abfall. "Vorbild ist die Natur: Die Natur kennt keinen Abfall", sagt Janny Stimmer Leiterin Asset Management Süd & Ost bei Wealthcap.

In einer qualitativen Studie nehmen der Investment Manager und der Immobiliendienstleister JLL die Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche unter die Lupe. Die birgt demnach großes Potenzial zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und zur Reduzierung von Treibhausgasen.

Experten von Wealthcap, JLL, der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und der digitalen Plattform Madaster geben darin Einschätzungen zum technisch-wirtschaftlichen Status quo, zum Potenzial, zum regulatorischen Rahmen und zu künftigen Entwicklungen ab.

Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche: Handlungsfelder

Die Ergebnisse der Studie sind in vier zentrale Bereiche gegliedert:

  1. Es braucht es einen verbindlichen Standard für die frühzeitige Erstellung vollumfänglicher Materialpässe für verwendete Baustoffe.
  2. Die Wiederverwendung genutzter Materialien muss in der Praxis konsequenter implementiert werden.
  3. Die Stakeholder müssen verstärkt auf biophiles Design achten: also auf naturorientierte Architektur mit begrünten Innenräumen und recycelbaren Materialien.
  4. Schon in der Planungsphase müssen flexible, modulare, bauliche Konzepte erarbeitet werden.

Der Schlüssel liegt im Bestand

Ein Fokus der Analyse liegt auf dem Erhalt von Bestandsimmobilien und der Bestandsentwicklung. Die Struktur in den deutschen Städten ist der Studie zufolge stark veraltet: Mehr als die Hälfte aller Bürogebäude in den "Top 5"-Städten Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und München wurden vor 1991 gebaut wurde. "Zugleich entscheiden sich Immobilieneigentümer und Investoren immer noch zu häufig für Abriss und Neubau", heißt es in der Studie von Wealtgcap und JLL.

Die Herstellung neuer Bauteile setzt den Experten zufolge große Mengen an umweltschädlichen Stoffen frei. Die Zement-, Stahl- und Glasindustrie gehören zu den CO2-intensivsten Wirtschaftszweigen weltweit. Für Bestandsimmobilien berge die Kreislaufwirtschaft daher eine große Chance: Durch eine effizientere Wiederverwertung von Baumaterialien könnte ein erheblicher Teil an Treibhausgasen eingespart werden – unter Berücksichtigung klimagerechter Sanierungspläne.

Baupraxis und Regulatorik: Der Nachholbedarf

Laut den Autoren der Studie wird die Kreislaufwirtschaft in der Baupraxis und Regulatorik noch nicht vollumfänglich berücksichtigt. Dabei ist der gesamte Lebenszyklus einer Immobilie, vom Bau bis hin zum Abriss, ein entscheidender Faktor für die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden.

"Reguliert wird vor allem der operative Energieverbrauch. Erzeugen moderne Gebäude im Betrieb zwar kaum schädliche Stoffe, entstehen jedoch durch ihren Bau viele graue Emissionen, die einen erheblichen Anteil an der Gesamtbilanz ausmachen können und nicht konsequent genug erfasst werden", erklärt Martina Williams, Head of Work Dynamics, DACH & CEE bei JLL.

Circular Economy: Die Praxis

Wie sich die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in der Praxis umsetzen lassen, zeigt die Studie anhand von fünf konkreten Beispielen. So hat sich der Real Asset Manager Wealthcap etwa als Eigentümer der Münchener "Ten Towers" mit 60.000 Quadratmeter Bürofläche für den Erhalt und gegen einen Neubau entschieden, der Ressourcen gefressen hätte. Unter anderem werden Bodenbeläge und Fassadenteile zur Wiederverwendung aufbereitet sowie der Strom- und Wasserverbrauch durch Effizienzmaßnahmen reduziert werden. Das nachhaltige Sanierungskonzept folgt dem Leitgedanken "Reduce, Reuse, Recycle", wie Wealthcap-Expertin Stimmer erläutert:

  • Zuerst kommt es auf einen begrenzten und ressourcenschonenden Materialeinsatz (Reduce) an,
  • anschließend auf einen möglichst langen Lebenszyklus von Materialien und Bauteilen sowie deren Wiederverwertbarkeit (Reuse),
  • erst wenn das nicht mehr möglich ist, kommen Abbruch und Recycling der Materialien ins Spiel.

"Viele Bestandshalter sowie Finanzierer und Investoren erkennen die strategische Relevanz klimagerechter Sanierungspläne und sind entschlossen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden", ergänzt Dr. Christian Simanek, Bereichsleiter Asset Management bei Wealthcap.

Studie von Wealthcap und JLL "Circular Economy. Potenziale für Bestandsimmobilien"


Das könnte Sie auch interessieren:

DIN-Roadmap: Circular Economy soll Norm werden

Taxonomie scharf gestellt: Jetzt braucht's Rechtssicherheit!

Digitales Materialkataster für zirkuläres Bauen wird "gepimpt"

Gebäuderessourcenpass: DGNB setzt Standards – los geht's!

Recycling am Bau: Mineralischer Schutt bald kein Abfall mehr?