Circular Economy: Sogar nachhaltige Gebäude fallen durch
Insgesamt 38 Immobilien in sechs Ländern hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gemeinsam mit europäischen Partnern unter die Lupe genommen – 35 Neubauten und drei Sanierungsprojekte. Nahezu alle Immobilien (95 Prozent) waren besonders nachhaltig entwickelt und entsprechend zertifiziert, bei einigen war die Zertifizierung beantragt.
Kreislauffähige Immobilienwirtschaft: Eine Utopie?
Doch selbst diese Immobilien hatten keine Chance, die Circular-Economy-Kriterien der EU zu erfüllen: Sie fielen ausnahmslos bei der Studie durch, kein einziges Projekt haben die Tester als Taxonomie-konform eingestuft. Mehr noch: Mehr als die Hälfte aller Neubauten erfüllte sogar noch nicht einmal die Hälfte der Anforderungen.
Das Ergebnis sei überraschend, meint die DGNB. Der Wandel zur Kreislaufwirtschaft sei zwar in aller Munde, aber offenbar in der Immobilienbranche noch nicht fest verankert und in der "gebauten Realität" nicht vorhanden, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. Die Immobilienbranche sei auf den von der Europäischen Union (EU) vorgegebenen Wandel zur Kreislaufwirtschaft nicht vorbereitet.
Die EU-Taxonomie-Verordnung als Baustein des "European Green Deals" ist Ende 2021 offiziell in Kraft getreten, das Ziel ist, Umwelt- und Klimaschutz durch einen kreislauforientierten Wirtschaftsansatz voranzutreiben. Auch die Bauwirtschaft wird künftig danach handeln müssen, als eine von insgesamt neun Wirtschaftssektoren.
Zirkuläres Bauen: Baustoffe und Ressourcen in Endlosschleife
Kreislaufwirtschaft in der Immobilienwirtschaft – oder auch Circular Economy, zirkuläres Bauen und "Cradle-to-Cradle" – sind Schlagworte, die beschreiben, dass Materialien, Bauteile und auch ganze Gebäude so lange repariert und wiederverwertet werden wie möglich. Das wichtigste Prinzip besteht darin, von Beginn an in Kreisläufen zu denken.
Die Idee: Bei richtiger Planung und Materialauswahl können Ressourcen sozusagen in endlosen Schleifen geführt und so stetig wiedergenutzt werden, statt sie als Müll zu entsorgen.
Der Bausektor bietet hierbei große Einsparmöglichkeiten: Er gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. Bauabfälle machen mehr als die Hälfte des Gesamtabfallaufkommens in Deutschland aus. Wie enorm das Potenzial an Sekundärrohstoffen in den Materialbeständen bereits bestehender Gebäude ist, zeigt eine Statistik des Umweltbundesamts: Ein gewöhnlicher Altbau mit zehn Wohneinheiten liefert demnach durchschnittlich 1.500 Tonnen Material zur Wiederverwertung, darunter insbesondere Metall, Kunststoff, Bitumen und Holz.
Einige Rohstoffe, beispielsweise Glas und Stahl, werden bereits heute in größerem Umfang in die Produktion rückgeführt, Frischbeton, Mauerziegel, Glaswolle, Holzfaserplatten und andere Baustoffe hingegen nur in sehr geringen Mengen. Grund dafür sind die Qualitätsanforderungen an die Materialien. Das Wiederverwendungspotenzial aller verbauten Rohstoffe im Bauwesen liegt laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) derzeit bei rund sieben Prozent.
EU-Taxonomie: Kein Bauprojekt erfüllt die Materialquote
Die Wiederverwendung von Bauteilen und der Einsatz von Rezyklaten waren auch eine der Punkte, die sich bei der DGNB-Untersuchung als besonders schwierig herausgestellt haben.
So konnte kein Projekt die laut EU-Taxonomie vorgegebene Materialquote erfüllen, die vorsieht, dass die eingesetzten Baumaterialien zu mindestens 15 Prozent wiederverwendet, zu 15 Prozent recycelt und zu 20 Prozent entweder nachwachsend, wiederverwendet oder recycelt sein müssen. Gründe hierfür waren laut DGNB die fehlende Verfügbarkeit entsprechender Materialien und der auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichteten Informationen und Daten.
"Wenn die Materialquoten selbst von Projekten, die sich Kreislaufwirtschaft als Schwerpunkt gesetzt haben, nicht erfüllt werden können, verfehlt die Taxonomie ihre Lenkungswirkung", so Lemaitre.
DGNB: Konkrete Empfehlungen an die EU sind auf dem Weg
Positiv sei hervorzuheben, dass die Projekte beim Nachweis des zukünftigen Werterhalt des Gebäudes und der Baumaterialien besser abgeschnitten hätten, etwa durch Aufzeigen einer auf Flexibilität und Rückbaubarkeit ausgerichteten Konstruktion. Allerdings habe es auch hierbei eine große Hürde gegeben, sagt die DGNB: Geeignete Methoden und Dokumentationsvorgaben seien schwierig zu finden. Einfacher sei das bei Projekten gewesen, die parallel eine Nachhaltigkeitszertifizierung realisiert hätten und darin verankerte Vorgaben nutzen konnten.
Aus den Studienergebnissen hat die DGNB konkrete Empfehlungen abgeleitet – diese seien auch bereits an die EU-Kommission übermittelt worden. Als zentrales Element fordert die DGNB einen Gebäuderessourcenpass, der sämtliche Daten zur Kreislauffähigkeit von Materialien, aber auch Informationen zur Instandhaltung und zu zukünftigen Rückbaumaßnahmen enthält.
Außerdem hält die DGNB einen konkreten "Fahrplan" für sinnvoll, damit der Markt sich auf die künftigen Anforderungen vorbereiten kann. Als kritisch stuft die Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen es ein, dass in den Taxonomie-Kriterien grundsätzlich der Anreiz dafür fehlt, Bestandsgebäude zu sanieren und sparsam mit Ressourcen umzugehen.
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