
Die Immobilienfinanzierer sind schlechter Stimmung: Der Index im BF.Quartalsbarometer fällt im ersten Quartal 2023 auf minus 19,44 Punkte – das ist ein neuer Negativrekord. Schuld daran sind niedrige Kreditvolumina und hohe Refinanzierungskosten. Die Margen gehen steil nach oben.
Das BF.Quartalsbarometer, ein Stimmungsindex der gewerblichen Immobilienfinanzierung, den Bulwiengesa vierteljährlich im Auftrag der BF.direkt AG erstellt, stürzt im ersten Quartal 2023 weiter ab: Der Indexwert sinkt vom bisherigen Negativrekord von minus 18,21 Punkten im Vorquartal auf minus 19,44 Punkte.
Zur Einordnung: Ein Wert von null würde für einen ausgeglichenen Finanzierungsmarkt sprechen. Der Wert des BF.Quartalsbarometers fällt bereits das sechste Quartal in Folge. Im ersten Quartal 2015 war der Index auf seinem bisherigen Höchststand von 8,11 Punkten.
Kreditvolumen: Mehr als 50 Millionen Euro sind selten
Besonders die niedrigen Kreditvolumina und die steigenden Liquiditätskosten drücken den Barometerwert aktuell. Knapp die Hälfte (40 Prozent) der Kredite weisen mittlerweile einen Umfang von weniger als zehn Millionen Euro auf – nur noch 12,5 Prozent entfallen auf Kredite mit mehr als 50 Millionen Euro Volumen. Mehr als die Hälfte der 110 befragten Experten, die Kredite an Immobilienunternehmen vergeben, müssen dabei mehr für die Refinanzierung ausgeben.
"Der Barometerwert sinkt weiter, wenn auch verlangsamt. Das deckt sich mit dem Eindruck, den ich bei der Immobilienmesse Mipim gewonnen habe", sagt Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der Bulwiengesa AG: "Die Stimmung unter den Finanzierern war dort ziemlich verhalten."
Kreditvergabe und Neugeschäft stabil, Margen steigen
Die aktuelle Lage am Finanzierungsmarkt schätzen drei Viertel der Finanzierungsexperten als restriktiver ein, ein Viertel sieht keine Veränderung. Im vierten Quartal 2022 lag das Verhältnis noch bei neun zu eins. Auch bei der Entwicklung des Neugeschäfts gibt es keine weitere Verschlechterung. Nachdem im vierten Quartal 2022 noch rund 70 Prozent der Befragten angegeben hatten, dass das Neugeschäft neuerdings oder unverändert abnimmt, sind es nun 38 Prozent. Mehr als jeder Zehnte (14 Prozent) berichtet von einem wachsenden Neugeschäft.
Die Margen gehen weiter nach oben: Der Durchschnittswert in der Bestandsfinanzierung steigt sogar deutlich von 190,6 Basispunkten im Vorquartal auf 235,1 Basispunkte im ersten Quartal 2023. Die Durchschnittsmarge für Projektentwicklungen legt von 295,1 auf nun 337,1 Basispunkte zu.
"Ich rechne mit weiter steigenden Margen, denn sie sind aufgrund der Marktlage durchsetzbar und das gestiegene Risiko muss auch bezahlt werden", kommentiert Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, die aktuellen Ergebnisse des Barometers. "Gleichzeitig zeigen mehrere Parameter unserer Analyse, dass sich die Marktteilnehmer extrem risikoavers verhalten", so Fedele.
BF.Quartalsbarometer Q1/2023
Trend zu alternativen Finanzierungen setzt sich fort
Zum zweiten Mal in Folge steigen im BF-Quartalsbarometer die Loan-to-Costs (LTCs) und Loan-to-Values (LTVs) und erreichen 69,2 beziehungsweise 65 Prozent. "Diese Entwicklung dürfte eher mit Bewertungseffekten zusammenhängen als mit höherer Beleihung", meint Manuel Köppel, CFO der BF.direkt AG. Selbst ein leicht erhöhter LTV bedeute wegen des aktuellen Bewertungsniveaus meist eine deutlich geringere Darlehenssumme als in den vergangenen Quartalen. Köppel weiter: "Es handelt sich also eher um einen scheinbaren Anstieg."
Der Trend zu Alternativen zum klassischen Bankdarlehen setzt sich fort. Im ersten Quartal 2023 sehen 45,5 Prozent der Experten eine verstärkte Nachfrage. Mezzanine-Kapital ist dabei am gefragtesten, gefolgt von Eigenkapital und erstrangig besicherten Fremdkapitalinstrumenten. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Nachfrageseite. "Auf der Angebotsseite hat sich das Finanzierungsvolumen von Nachrangkapitalgebern in den vergangenen Monaten deutlich reduziert. Gerade Mezzanine-Finanzierer disponieren ihre verbliebenen liquiden Mittel mit Vorsicht. Grund ist vor allem der erschwerte Exit", sagt Professor Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS und wissenschaftlicher Berater des BF.Quartalsbarometers.
CO2-Preis in der Finanzierungspraxis
Für das aktuelle Quartalsbarometer wurden die Panelteilnehmer außerdem um eine Einschätzung zum Thema wirtschaftlicher Bedeutung der CO2-Bepreisung in der Finanzierungspraxis gebeten. Das Ergebnis: Die wenigsten der befragten Experten sehen bereits Auswirkungen, rechnen aber für die Zukunft damit. Einige Umfrageteilnehmer weisen darauf hin, dass die CO2-Umlage bereits entscheidend für die Kreditvergabe sei.
"Auch wenn das Umfeld für Neu- und Refinanzierungen schwierig bleibt, ist eine Welle an geplatzten Krediten bisher ausgeblieben", so Fedele abschließend. Er sieht auch keine Kreditkrise – der deutsche Bankensektor sei prinzipiell finanzierungsbereit. Die Schwierigkeit bestehe im Augenblick vor allem darin, dass Angebot und Nachfrage derzeit nicht zueinander fänden.
BF.Quartalsbarometer Q1/2023 (Download)
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