Vertragsgenerator von Smartlaw verstößt gegen das RDG

Das Legal-Tech-Angebot „Smartlaw Vertragsgenerator“ wurde vom LG Köln als unzulässige Rechtsdienstleistung gewertet und untersagt. Die Erarbeitung „rechtssicherer Verträge in Anwaltsqualität“ sei 1. nach dem RDG der Rechtsanwaltschaft vorbehalten und 2. sei die Werbung mit "bester Anwaltsqualität" irreführend.

Das Legal-Tech-Angebot des gewerblichen Informationsdienstleisters „Wolters Kluwer Deutschland GmbH“ unterscheidet sich von anderen Legal-Tech-Angeboten u.a. dadurch, dass die dem Kunden angebotenen Rechtsdienstleistungen einen relativ hohen Individualisierungsgrad erreichen.

Beste Anwaltsqualität, aber viel günstiger?

Der kostenpflichtige Vertragsgenerator bietet laut Werbung des Anbieters den Usern die Erstellung

rechtssicherer Verträge in Anwaltsqualität“,

inhaltlich

individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt“.

Das Legal-Tech-Angebot stellt dem User auf den verschiedensten Rechtsgebieten wie dem Familien- und Erbrecht, dem Mietrecht sowie dem Arbeitsrecht diverse Vertragsvorlagen zur Verfügung. Der Generator ermöglicht es dem User durch Beantwortung einer ganzen Reihe individueller Fragen den jeweiligen Vertrag sehr konkret seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen.

Niederschwelliges Angebot individueller Vertragsgestaltung

In seinen AGB weist der Anbieter ausdrücklich darauf hin, dass er keine Rechtsberatung, sondern lediglich ein Verlagserzeugnis bereit stelle und das Angebot eine anwaltlich individuelle Beratung nicht ersetzen könne. Nach Darstellung des Anbieters soll der Generator ähnlich den Plattformen „myright.com“ oder „Flugrechte.de“ weniger finanzstarken Usern ein niederschwelliges Angebot zur Generierung individueller Vertragsgestaltungen unterbreiten.

Angebot beinhaltet Rechtsdienstleistung

Geklagt gegen den Anbieter hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg. Das LG Köln hatte zu klären, ob das Legal-Tech-Angebot eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG enthält und daher Rechtsanwälten vorbehalten ist.  Nach der Wertung des LG Köln stellt das Angebot dem User eine Rechtsdienstleistung zur Verfügung, die gemäß § 2 RDG der Erlaubnis bedarf.

  • Nach Auffassung der Kammer geht die von dem Portal erbrachte Dienstleistung weit über die Zurverfügungstellung standardisierter Vertragsmuster hinaus
  • und erreicht für den User im Unterschied zu bloßen Formularverträgen einen wesentlich höheren Individualisierungsgrad.

Durch seine Werbeaussagen erscheint der Vertragsgenerator als preiswerte Anwaltsalternative

Die Richter monierten darüber hinaus die Werbeaussagen des Anbieters, wonach dem Verbraucher ein Vertrag in Anwaltsqualität, aber günstiger und schneller als beim Anwalt zur Verfügung gestellt würde.

Die in den AGB enthaltene Klarstellung, dass das Angebot keine Rechtsberatung enthalte, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Angebot sich, nicht zuletzt auch durch die Werbeaussagen, dem unbefangenen User als preiswerte Alternative zur Vertragserstellung durch einen Rechtsanwalt und damit eindeutig als Rechtsdienstleistung darstellt.

Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ ist eine irreführende Aussage

Das LG kritisierte die Werbeaussagen aber auch insoweit, als diese bei dem Verbraucher die irreführende Vorstellung hervorriefen, durch Nutzung des Generators eine rechtlich auf ihre konkrete Situation zugeschnittene Vertragsgestaltung zu erhalten, die qualitativ der individuellen Vertragsgestaltung durch einen Rechtsanwalt gleichkomme.

Dies berge die Gefahr, dass die AGB-Formulierung, mit der dem User geraten werde, im Falle einer erforderlichen individuellen Rechtsberatung den Rat eines Anwalts einzuholen, in der Praxis eher leerlaufe.

Nicht zuletzt betonte das Gericht den erforderlichen Schutz des Verbrauchers vor unqualifizierter Rechtsberatung, den das RDG gewährleisten soll. Im Ergebnis sei das Angebot des Diensteanbieters daher unzulässig.

(LG Köln, Urteil v. 8.10.2019,33 O 35/19)

Reaktion: Rechtsanwaltskammer Hamburg begrüßt das Urteil

Die hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hat das Urteil begrüßt und betont in einer Presseerklärung, dass ein Computer, der in einem Frage-Antwort-System dem User eine individuelle Vertragsgestaltung vorschlägt, niemals die Qualität eines durch einen Rechtsanwalt erstellten Vertrages unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Mandanten bieten kann.

Das RDG behalte deshalb zu Recht Anwälten und in Ausnahmefällen besonders ermächtigten Stellen eine solche individuelle Rechtsberatung vor.

Dies diene sowohl dem Schutz der Rechtsuchenden als auch dem Schutz der Anwaltschaft vor einer Konkurrenz, die ohne rechtliche Einschränkungen wie dem Fremdfinanzierungsverbot und der obligatorischen Haftpflichtversicherung Rechtsdienstleistungen von im Ergebnis minderer Qualität auf den Markt brächten.

Hintergrund: Strittige Rechtsprechung zu Legal-Tech-Angebote - Entscheidung des BGH erwartet

Der beklagte Dienstleistungsanbieter hat bereits Rechtsmittel gegen die Entscheidung des LG angekündigt. Insoweit dürfte die am 16.10.2019 anstehende Verhandlung vor dem BGH zur Zulässigkeit des Internetangebots der Website „wenigermiete.de“ von Interesse sein.

„Wenigermiete.de“ prüft aufgrund individueller Angaben von Mietern zu ihrer Wohnung und ihrem Mietvertrag die Berechtigung des monatlichen Mietzinses u.a. unter Berücksichtigung der Mietpreisbremse. Gegen den Dienstleister hatte die Rechtsanwaltskammer Berlin geklagt. Das LG Berlin hat das Modell nicht als unzulässige Rechtsdienstleistung, sondern als zulässige Inkassodienstleistung bewertet (LG Berlin, Urteil v. 15.1.2019, 15 O 60/18; anders noch LG Berlin, Urteil v. 18.8. 2018, 63 S 1/18). Die Verfahren zeigen, wie umstritten die Bewertung dieser Legal-Tech-Angebote in der Rechtsprechungspraxis noch ist. Die Verhandlung vor dem BGH über das von der Anwaltskammer Berlin eingelegte Rechtsmittel wird daher mit Spannung erwartet.

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