Mandatsniederlegung zur Unzeit

Mandatsniederlegung zu Unzeit, etwa kurz vor einem Verhandlungstermin, ist eine harte und auch für ihn nicht ungefährliche Reaktion des Anwalts. Es ist z. B. ärgerlich, wenn der Mandant das Honorar trotz Fälligkeit nicht zahlt. Keine gute Idee ist es aber, Mandanten deshalb kurz vor der mündlichen Verhandlung mit der Mandatsniederlegung zu drohen. Das kann - unsensibel vorgegangen - Haftungsfolgen nach sich ziehen.

Was kann der Anwalt tun, wenn der Mandant partout nicht zahlt, aber ein Verfahren mit Anwaltswang anhängig ist? 

Warnen vor dem Niederlegen des Mandats

Die Mandatsniederlegung erfolgt nur dann nicht zur Unzeit, wenn der Anwalt

  • dem Mandanten mehrfach eine Frist zur Zahlung seines Honorars setzt
  • die Niederlegung des Mandats androht
  • und der Anwalt dem Mandanten bei bestehendem Anwaltszwangs rät,
  •  eine neue anwaltliche Vertretung zu suchen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.02.2016, 11 U 1636/15).

Keine Hau-Ruck-Aktionen in Sachen Honorar

Der BGH ist in diesem Punkt streng.  Etwa in dem Fall einer Gesellschaft, die  mit den Honorarzahlungen an die sie ständig betreuende Anwaltskanzlei über ein Jahr lang in Verzug war. Daraufhin forderte die Kanzlei von den Gesellschaftern eine persönliche Haftungsübernahme. Trotz zweier Mails im Abstand von rund fünf Wochen unterzeichneten die Gesellschafter den zugesandten Entwurf jedoch nicht.

Gesellschafter unter Druck persönlich in Haftung genommen

Direkt vor der mündlichen Verhandlung ließ sich die Kanzlei dann,  mit der Drohung, dass Mandat niederzulegen von den beiden Gesellschaftern die persönliche Haftungsübernahme unterzeichnen und wollte später auf dieser Grundlage das Honorar einklagen.

Durch Drohen mit Mandatsniederlegung Unterschrift erzwungen

Diese traten dem Zahlungsbegehren insoweit entgegen, als sie geltend machten, die persönliche Haftungsübernahme sei vor dem Gerichtstermin abgepresst worden.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Diese Entscheidung hob der BGH wieder auf.

Angedrohte Mandatskündigung ist Verschulden bei Vertragsverhandlung

Nach gefestigter Rechtsprechung begründet der Tatbestand einer rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen.

„In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen, kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen (...)

Ob eine Drohung in einem solchen Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab;

entscheidend ist, ob der Drohende an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist“,

so das Gericht (BGH, Urteil v. 7.2.2013, IX ZR 138/11).

Mandatsniederlegung zur Unzeit

Die erstmalige Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsabrede oder einer entsprechenden Haftungsübernahme ist nach Ansicht des BGH kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Vergütung zu erhalten oder zu sichern.

  • Gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB sei es dem Dienstpflichtigen verwehrt, die Kündigung des Dienstvertrages zur Unzeit auszusprechen.
  • Eine derartige Kündigung liege bei einem Anwaltsvertrag vor, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen.
Click to tweet

Kurz vor Verhandlung Fortführung des Mandats von Zahlung abhängig gemacht

Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig und handelt rechtswidrig“,

so der BGH . Ebenso, wie es dem Anwalt grundsätzlich verwehrt ist, unmittelbar vor einem Verhandlungstermin das Mandat aus Gebühreninteresse niederzulegen, darf er nach dem Urteil eine solche Maßnahme auch zur Unzeit nicht androhen.

  • Es ist dem Rechtsanwalt daher versagt, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen.
  • Auch eine derartige Drohung ist widerrechtlich, wenn der Anwalt nicht eine angemessene Zeit vor dem Termin hinreichend deutlich macht, die von ihm gewünschte Vergütungsabrede sei die Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Vertretung vor dem Zivilgericht“, befindet der BGH.

Weitere News zum Thema:

Widerruf eines Anwaltsvertrags ist ausgeschlossen

Mandant muss Anwaltshonorar auch zahlen, wenn er kündigt

Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag

Hintergrund:

Der Anwaltsvertrag ist eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB), die sowohl auftrags- als auch dienstvertragsrechtliche Elemente enthält.

Ein solcher Vertrag ist grundsätzlich jederzeit von beiden Seiten kündbar. Da es sich bei den Diensten eines Rechtsanwalts jedoch um "Dienste höherer Art" handelt, zu denen der Verteidiger nur aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seinem Mandanten beauftragt wird, darf der Rechtsanwalt nur dann kündigen, wenn sich der Mandant die Dienste anderweitig noch beschaffen kann, § 627 Abs. 2 S. 1 BGB.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn ein wichtiger Grund für die Kündigung zur Unzeit besteht. Fehlt es an einem solchen Grund, ist der Verteidiger im Falle einer unzeitigen Kündigung dem Mandanten gegenüber schadenersatzpflichtig, § 627 Abs. 2 S. 2 BGB.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Die Unzeit kann sich verkürzen

Die Unzeit kann sich zu Lasten des Mandanten verkürzen, wenn er einen „wichtigen Grund zur Kündigung“ gem. § 627 Abs. 2 2. Alt. BGB geliefert hat (Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig).

Ein wichtiger Grund kann in einer schweren Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant liegen, aufgrund derer dem Anwalt die Fortsetzung des Mandats nicht zugemutet ist

  • z. B. bewusst fehlerhafte lnformationserteilung,
  • unbegründete oder formell unangemessene Vorwürfe,
  • Weisungen, die vom Anwalt ein rechtswidriges Verhalten fordern.
Schlagworte zum Thema:  Anwaltsgebühren, Mandat