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Der Gesellschafterstreit

Der Gesellschafterstreit - Prävention


Der Gesellschafterstreit - Prävention

Streitigkeiten im Gesellschafterkreis werden regelmäßig mit besonderer Härte geführt und sind nicht nur für die Beteiligten sehr belastend, sondern können auch für die Gesellschaft existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Da sich Konflikte naturgemäß nie ganz vermeiden lassen, ist es umso wichtiger, klare Regelungen für ein geordnetes Miteinander im Gesellschafterkreis zu treffen, Streitpunkte durch eine vorausschauende Gestaltung zu reduzieren und das operative Geschäft zu schützen.

1.    Typische Streitpunkte und mögliche Maßnahmen zur Prävention

Die Gründe für Gesellschafterstreitigkeiten sind so vielfältig wie die Unternehmen selbst. Sie reichen von unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der strategischen oder personellen Ausrichtung über Differenzen bei der Gewinnverwendung und -verteilung und der Durchsetzung sonstiger monetärer Eigeninteressen bis hin zu rein persönlichen, oftmals familiären Differenzen, die in die Gesellschaft hineingetragen bzw. (auch) auf dieser Ebene ausgefochten werden. Ein auf die konkrete Gesellschaft und seine Gesellschafter angepasster Gesellschaftsvertrag legt den Grundstein für eine konfliktfreie Zusammenarbeit. Der Vertrag, ggf. ergänzt durch eine Gesellschaftervereinbarung, sollte daher alle wichtigen Bereiche präzise regeln.

1.1    Zusammensetzung der Geschäftsführung

Die personelle Zusammensetzung der Geschäftsführung birgt angesichts ihrer besonderen Bedeutung für jede Gesellschaft erhebliches Streitpotenzial. Entbrennt ein Konflikt auf Ebene der Gesellschafter, versucht eine Seite häufig (vermeintlich) dem Lager der anderen Seite zugehörige Geschäftsführer abzuberufen. Dies liegt nahe, wenn es sich um Gesellschafter-Geschäftsführer handelt, häufig geraten aber auch Fremd-Geschäftsführer als „Bauernopfer“ zwischen die Fronten. So ist nicht selten zu beobachten, dass die Abberufung von Geschäftsführern schlicht als Druckmittel dazu dienen soll, um davon unabhängige, eigene (oftmals monetäre) Interessen im Gesellschafterkreis durchzusetzen.
Gerade bei der Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern aus (angeblich) wichtigem Grund kommt es für die betreffenden Personen und regelmäßig Mehrheitsgesellschafter oftmals zu einem bösen Erwachen: Sie unterliegen, abgesehen von evident vorgeschobenen Gründen, bei der Abstimmung über ihre eigene Abberufung aus wichtigem Grund einem Stimmverbot. Ihre Stimmenmehrheit hilft ihnen in dieser Situation nicht weiter und die Minderheitsgesellschafter erreichen wenigstens vorläufig ihr Ziel. Denn ob der wichtige, eine Abberufung rechtfertigende Grund tatsächlich vorlag oder die Abberufung unwirksam war, entscheiden die Gerichte in aller Regel erst Jahre später. Sind für die Bestellung von neuen Geschäftsführern zudem auch noch die Stimmen der Minderheitsgesellschafter erforderlich, kann die damit einhergehende Blockademöglichkeit ein ganz erhebliches Druckpotential darstellen.
Da die Möglichkeit zur Abberufung von Geschäftsführern aus wichtigem Grund im Gesellschaftsvertag nicht abbedungen werden kann, sind die Regelungen zur Bestellung von Geschäftsführern von herausragender Bedeutung. Die Gesellschafter (und ihre Rechtsberater) sollten die denkbaren Konstellationen daher im Rahmen der Satzungsgestaltung „durchspielen“ bzw. die bestehende Satzung auf den Prüfstand stellen und der jeweiligen personellen Konstellation im Gesellschafterkreis anpassen, bevor es zum Streit kommt. Zu denken ist hier bspw. an Quoren für die Bestellung von Geschäftsführern, Entsenderechte für bestimmte Gesellschafter(-stämme) aber auch an die Verlagerung der Bestellungsbefugnis auf einen fakultativen Aufsichtsrat oder starken Beirat (dazu sogleich).

1.2    Aufsichtsrat und Beirat

Bei komplexeren Gesellschafterstrukturen, etwa bei über mehrere Generationen gewachsenen Familienunternehmen, kann ein sog. starker, d.h. mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteter Beirat oder ein fakultativer Aufsichtsrat Streitigkeiten vor-beugen und insbesondere deren Einfluss auf die Geschäftsführung und damit das operative Geschäft reduzieren (vgl. dazu "Der Beirat im Kontext der Unternehmensnachfolge").  Obliegt dem Beirat bspw. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und wird der Beirat nicht bloß mit einfacher Mehrheit bestellt, sondern nach einem austarierten Mechanismus besetzt, wird die (Abberufung der) Geschäftsführung erheblich seltener als Mittel zur Durchsetzung persönlicher Interessen missbraucht.

1.3    Zustimmungs- und Mehrheitserfordernisse

Mit Ausnahme bestimmter gesetzlich normierter Fälle, wie bspw. der Auflösung der Gesellschaft, Änderungen des Stammkapitals oder Umwandlungsmaßnahmen, wer-den Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Je nach personeller Zusammensetzung oder operativer Ausrichtung kann es sinnvoll sein, hiervon abzuweichen und für bedeutende Maßnahmen wie der Bestellung von Geschäftsführern andere Mehrheitserfordernisse im Gesellschaftsvertrag vorzusehen.
Regelmäßig enthalten Gesellschaftsverträge zudem Klauseln, nach denen die Geschäftsführung vor der Durchführung bestimmter Maßnahmen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen muss. Solche Kataloge zustimmungspflichtiger Geschäfte sind grundsätzlich sinnvoll, sofern auch sie auf die konkreten Verhältnisse im Gesellschafterkreis abgestimmt sind. Ist dies nicht der Fall und werden einerseits die Schwellen für Zustimmungserfordernisse (zu) niedrig gewählt, hat die Geschäftsführung also nicht nur bei grundlegenden Geschäften, sondern auch bei zahlreichen operativen Fragen das Placet der Gesellschafter einzuholen, und werden anderseits die Mehrheitserfordernisse für den zustimmenden Beschluss zu hoch angesetzt, kann dies im Streitfall schnell zur Lähmung der Geschäftsführung durch Blockade einzelner Gesellschafter führen. 
Gesellschaftsvertragliche Quoren sollten vor diesem Hintergrund, insbesondere im Zusammenspiel mit Zustimmungserfordernissen, nicht leichtfertig aus einem Formularbuch zusammenkopiert, sondern auf die individuelle Situation zugeschnitten werden. 
Dies gilt auch und insbesondere bei Zwei-Personen-Gesellschaften bzw. einer Stimmrechtsverteilung von 50/50. Was auf den ersten Blick fair erscheint, stellt sich im Konfliktfall in Form einer Pattsituation als fundamentales Problem für die Gesellschaft dar. In diesen Fällen sind sog. Deadlock-Klauseln dringend zu empfehlen, die einen Weg aus der dauerhaften Blockade vorgeben (durch Mediation, Entscheidung durch einen bestimmten externen Dritten etc.).

1.4    Ergebnisverwendung 

Bei den regelmäßig von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüssen birgt die Frage der Gewinnverwendung das größte Konfliktpotential und ist oftmals Stein des Anstoßes für einen Gesellschafterstreit. So ist regelmäßig zu beobachten, dass geschäftsführende Gesellschafter für eine überwiegende oder vollständige Thesaurierung der Gewinne stimmen, während die weiteren, „nur“ kapitalmäßig beteiligten Gesellschafter für eine Ausschüttung plädieren. Da die geschäftsführenden Gesellschafter häufig auch Mehrheitseigner sind, gehen die Minderheitsgesellschafter in diesen Fällen leer aus und fühlen sich des Werts ihrer Beteiligung beraubt. Ob eine (vollständige) Thesaurierung im Interesse des Unternehmens erforderlich ist oder ob den Minderheitsgesellschaftern in treuwidriger Weise Gewinne vorenthalten und sie bildlich gesprochen „ausgehungert“ werden, ist dann eine von Gerichten zu entscheidende Frage des Einzelfalls.
Derartigen Streitigkeiten lässt sich durch klare Regelungen zur Gewinnverwendung vorbeugen. So kann bspw. eine vollständige Thesaurierung bis zu einem bestimmten Betrag festgehalten und ein gewisser Prozentsatz des den Betrag übersteigenden Gewinns stets ausgeschüttet werden. Über den dann noch verbleibenden Gewinn entscheiden die Gesellschafter sodann jährlich. Auf diese Weise wird ein gewisser Ausgleich zwischen den „Extrempositionen“, vollständige Thesaurierung oder vollständige Ausschüttung, hergestellt und der Anreiz, gegen einen Gewinnverwendungsbeschlüsse gerichtlich vorzugehen, erheblich reduziert.

1.5    Formalitäten und Verfahren der Beschlussfassung

Die Formalitäten und das Verfahren der Beschlussfassung stellen selten den Ausgangspunkt grundlegender Streitigkeiten dar. Kommt es indes zu Differenzen im Gesellschafterkreis wird regelmäßig (auch) hierüber intensiv gestritten. Es ist daher im Interesse aller Beteiligten ratsam, präzise Regelungen bzgl. der 
•    Form und Frist der Einberufung einer Gesellschafterversammlung,
•    Beschlussfassungen außerhalb von physischen Versammlungen (Videokonferenz),
•    Umlaufverfahren,
•    Teilnahme von Beratern,
•    Versammlungsleitung und Protokollierung sowie 
•    der Beschlussanfechtung (hierzu sogleich)
zu treffen.

1.6    Beschlussanfechtung und Schiedsklauseln

Kommt es dennoch zum Streit über von der Gesellschafterversammlung gefasste Beschlüsse, sollten die Leitplanken auch hier klar geregelt werden. Hierzu gehört insbesondere die Frist, innerhalb derer Klage zu erheben ist. Daneben können die Gesellschafter erwägen, Schiedsklauseln in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, die sie ggf. vor nicht-öffentliche Schiedsgerichte statt vor die staatlichen Gerichte führen.

1.7    Ausscheiden, Abfindung und Nachfolge

Besonders intensive Konflikte ergeben sich häufig daraus, dass ein (Minderheits-)Gesellschafter den Gesellschafterkreis verlassen und seine Beteiligung zu Geld machen will, er diese aber nicht an Dritte veräußern kann (oder darf), und der Gesellschaftsvertrag keine oder keine passenden Regelungen für diesen Fall vorsieht. Es ist sodann oftmals zu beobachten, dass zahlreiche Nebenkriegsschauplätze eröffnet und mit allen Mitteln Druck auf die Mitgesellschafter ausgeübt werden soll, um sie zum Kauf der eigenen Beteiligung zu bewegen. Regelungen, die es Gesellschaftern auch ohne eine Veräußerung ihrer Anteile ermöglichen, die Gesellschaft für eine angemessene Abfindung zu verlassen, helfen, solchen langwierigen Streitigkeiten vorzubeugen. Dabei sind die Interessen der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter mit denen des scheidenden Gesellschafters in Einklang zu bringen. So kann bspw. eine Kündigungsmöglichkeit aufgenommen und eine Auszahlung der Abfindung in mehreren Tranchen über drei bis fünf Jahre vorgesehen werden.
Es liegt indes auf der Hand, dass ohne klare Regelungen auch die Höhe der Abfindung besonders streitanfällig ist. Neben der Art und Weise der Auszahlung bedarf daher deren Ermittlung besonderer Beachtung. Neben präzisen Vorgaben zur Berechnung hat es sich in der Praxis bewährt, bei Differenzen über die Höhe der Abfindung ein verbindliches Verfahren zur Entscheidung durch fachkundige Dritte, etwa einen vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) zu bestimmenden Sachverständigen, in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.
Dies gilt auch und insbesondere für die spiegelbildlichen Fälle, bei denen sich der Gesellschafter nicht freiwillig von seinen Anteilen lösen möchte, sondern vielmehr gegen seinen Willen aus dem Gesellschafterkreis ausgeschlossen bzw. seine Anteile eingezogen werden sollen. Auch insoweit ist dringend zu empfehlen, möglichst klare Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Insbesondere sollten wichtige, eine Einziehung rechtfertigende Gründe näher konkretisiert und Fallgruppen formuliert werden.
Neben der Möglichkeit zur Kündigung und (Zwangs-)Einziehung sollten sich die Gesellschafter im Rahmen der Gründung (oder falls hierzu noch keine Regelungen getroffen wurden, auch zu einem späteren Zeitpunkt) darüber Gedanken machen, wer Teil des Gesellschafterkreises sein bzw. werden darf. Sollen bspw. die Erben eines Gesellschafters aus der Gesellschaft (gegen Abfindung) ausgeschlossen werden können? Soll dies auch bei Abkömmlingen gelten? Und dürfen die Anteile an Dritte veräußert werden oder bedarf dies der Zustimmung der weiteren Gesellschafter? Haben die Mitgesellschafter ein Vorkaufsrecht oder sollen diese Mitveräußerungsrechte oder sogar -pflichten haben?
In pattanfälligen Konstellationen, etwa Zwei-Personen-Gesellschaften oder, was häufig übersehen wird, bei sehr weitreichenden Zustimmungspflichten i.V.m. hohen Quoren (siehe Ziff. 1.3), sollte auch über einen grundlegenden Lösungsmechanismus nachgedacht werden. Neben etwaig vorgeschalteten Schlichtung- oder Mediations-verfahren kann bspw. ein sog. Shoot-out-Verfahren festgelegt werden:

  • Russian Roulette: Ein Gesellschafter bietet dem anderen Gesellschafter seine Anteile zum Kauf an. Dieser kann das Angebot nur ablehnen, wenn er den Spieß umdreht und selbst anbietet, die Anteile zu diesem Preis zu erwerben .
  • Texas Shoot-out: Beide Gesellschafter geben ein verdecktes Kaufangebot ab, das höhere Angebot gewinnt; der höher Bietende muss die Anteile des anderen erwerben.

Auf diesem Wege kann sichergestellt werden, dass sich zerstrittene Gesellschafter ohne langwierige gerichtliche Verfahren voneinander lösen können. Angesichts der drastischen Folgen ist dabei sorgsam darauf zu achten, die Voraussetzungen, Fristen und formalen Abläufe für einen solchen Shoot-out klar zu regeln.

2.    Regelmäßige Überprüfung und Anpassung

Streitvermeidung ist sowohl auf zwischenmenschlicher als auch auf rechtlicher Ebene kein einmaliger Vorgang, sondern ein kontinuierlicher und fortlaufender Prozess. Gesellschaftsverträge und Gesellschaftervereinbarungen sollten daher in regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand gestellt und an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Nur eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Vertragsgrundlage kann dauerhaft Konflikte verhindern. 
Gerade bei wachsenden Gesellschafterkreisen, wie es etwa bei Familiengesellschaften durch die Generationenfolge häufig der Fall ist, sollte dabei auch die Rechtsform selbst in den Blick genommen werden. Teilweise passt hier die oftmals über Jahrzehnte bewährte GmbH nicht mehr und die Aktiengesellschaft bietet strukturelle Vorteile, um die Geschäftsführung und das operative Geschäft vor Sonderinteressen und Einflussnahmen einzelner Gesellschafter zu schützen.

3.    Fazit

Klare, individuell angepasste Regelungen reduzieren das Risiko von Streitigkeiten erheblich und ermöglichen es, etwaig auftretende Differenzen zu lösen. Sollten dennoch Konflikte entstehen, erläutern wir im nächsten Teil unserer Beitragsreihe, welche Aspekte dabei zu berücksichtigen sind.
 


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