Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
Wer sich ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht auf Lebenszeit (§ 1093 BGB) gesichert hat, braucht nicht ohne Weiteres zu befürchten, dass er dieses durch einen Umzug ins Pflegeheim verliert.
Anspruch auf Räumung bei Umzug der Wohnberechtigten ins Pflegeheim?
Die Erbin eines Hausgrundstücks verlangte von der Beklagten Räumung, nachdem die Mutter der Beklagten, zu deren Gunsten ein lebenslanges Wohnrecht bestellt worden war, zunächst in ein Pflegeheim und später in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung umgezogen war. Sie vertrat die Auffassung, dass das Wohnrecht ihrer Mutter mit deren Umzug in ein Pflegeheim erloschen sei. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage ab.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein persönliches Ausübungshindernis, das allein in der Person des Berechtigten liege, nicht zum Erlöschen des Wohnungsrechts führe. Ein solches Hindernis liegt häufig bei der Unterbringung des Berechtigten in einem Alten- oder Pflegeheim vor.
Das entspricht der Wertung des Gesetzgebers, wonach das auf Lebenszeit eingeräumte Wohnungsrecht erst mit dem Tod des Berechtigten erlischt.
Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zwar ein rein subjektives, also in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis vorliegt, es aber aus den besonderen Gründen des Einzelfalls objektiv ausgeschlossen erscheint, dass der Berechtigte das Wohnungsrecht jemals wieder ausüben kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Berechtigte aus medizinischen Gründen dauerhaft auf eine apparative Versorgung angewiesen ist, die nur in einer stationären Einrichtung erbracht werden kann.
Wenn ein Wohnberechtigter seine Wohnung aus sonstigen gesundheitlichen Gründen aufgibt, insbesondere weil er alt und pflegebedürftig ist, kann eine Rückkehr in diese Wohnung nie völlig ausgeschlossen werden. Auch wenn dies unwahrscheinlich erscheint.
Insoweit liegt nur ein subjektives Ausübungshindernis vor, das das Wohnrecht nicht entfallen lässt, da es in seiner freien Entscheidung liegt, das Wohnrecht wieder auszuüben und sich in der Wohnung pflegen zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass es der Mutter der Beklagten aus besonderen gesundheitlichen Gründen objektiv unmöglich sein sollte, das Wohnungsrecht jemals wieder selbst auszuüben, waren in dem zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ersichtlich.
(OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 2.1.2007, 3 U 116/06)
Anspruch auf Löschung bei Umzug des Berechtigten ins Pflegeheim?
In einem weiteren Fall verlangten die Erben einer Wohnung von einer wohnberechtigten Frau, dass sie der Löschung des Wohnrechts aus dem Grundbuch zustimmt. Sie verwiesen darauf, dass die Frau nach dem Suizid ihres Mannes mit ihren beiden Kindern ausgezogen sei.
Das OLG Saarbrücken vertrat jedoch in einem Prozesskostenhilfeverfahren eine andere Auffassung. Es führte aus, dass das Wohnrecht als Unterfall der persönlichen Dienstbarkeit nur dann erlösche, wenn der Wohnungsberechtigte sein Wohnrecht nicht mehr ausüben könne. Dies sei der Fall, wenn die Ausübung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dauerhaft unmöglich werde.
Ein persönliches Ausübungshindernis, wie der Auszug des Berechtigten, genüge dafür nicht. Der Wohnberechtigte habe hier theoretisch jederzeit die Möglichkeit, in seine alte Wohnung zurückzukehren. Selbst ein dauerhafter Wechsel in eine andere Wohnung oder in ein Pflegeheim bringe das Wohnrecht nicht zum Erlöschen. In diesem Fall stehe dem Berechtigten die Möglichkeit offen, das Recht mit Zustimmung des Grundstückeigentümers einem anderen zu überlassen. Zumindest der typische Fall des Umzugs eines Wohnberechtigten in ein Alten- oder Pflegeheim bringt daher das Wohnrecht nicht zum Erlöschen. Im Hinblick auf den Umzug in ein solchem Heim geben die Richter zu bedenken, dass die Rückkehr eines Wohnberechtigten in seine Wohnung normalerweise nicht ausgeschlossen werden kann, wenn er diese wegen seines Alters und seiner Pflegebedürftigkeit verlassen hat.
(OLG Saarbrücken, Beschluss v. 5.8.2010, 5 W 175/10-65)
Festhalten an Wohnrecht und Schikaneverbot
In einem dritten Fall überließen Eltern ihr Zweifamilienhaus ihrem Sohn und dessen Ehefrau. Im Gegenzug räumte der Sohn ihnen ein lebenslanges Wohnrecht an einer Wohnung ein. Nachdem die Eltern aus gesundheitlichen ins Pflegeheim gezogen waren und die Mutter nach dem Tod ihres Mannes die Pflegestufe 4 zugesprochen bekommen hatte, verlangte der Sohn samt seiner Ehefrau, dass seine Mutter der Löschungsbewilligung des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnrechtes zustimmt und die Wohnung räumt.
Das LG Lübeck wies die Klage ab. Das Gericht führte aus, dass subjektives dauerndes Ausübungshindernis in der Person des Berechtigten in Gestalt der Unterbringung in einem Pflegeheim nicht dazu führt, dass die Dienstbarkeit erlischt. Dabei verwiesen die Richter auf eine Entscheidung des BGH, in dem es um die Frage ging, inwieweit der Verzicht auf ein dingliches Wohnrecht eine Zuwendung aus dem Vermögen des Wohnungsberechtigten darstellt (Urteil v. 20.10. 2020, X ZR 7/20)
(LG Lübeck, Urteil v. 7.12.2022, 10 O 101/22)
Kein Verstoß gegen Schikaneverbot
Das Gericht weist auch darauf hin, dass die Aufrechterhaltung des Wohnrechts nicht gegen das Schikaneverbot des § 242 BGB verstößt. Dies ergebe sich auch nicht daraus, dass der Eigentümer eine Zwischenvermietung ablehne. Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.
Alternativen: Bedingung, Befristung, Entschädigungsregelung
Die Löschung des Wohnrechts ist daher i.d.R. nur im Einvernehmen mit dem Berechtigten möglich. Eine Alternative wäre, das Wohnrecht gegen eine Entschädigung abzukaufen oder einen Käufer zu suchen, der die Wohnung trotz des Wohnrechts erwirbt.
Sinnvoll kann es sein, vorab eine Bedingung oder Befristung zu vereinbaren oder das Abkaufen gegen eine Entschädigung in Betracht gezogen oder entsprechend vorab zu regeln.
Verzicht auf das Wohnrecht birgt Gefahr des Sozialregresses
Selbst wenn der Berechtigte wegen des Umzugs auf sein Wohnungsrecht verzichtet (BGH, Beschluss v. 25.1.2012, XII ZB 479/11; BGH, Urteil v. 20.10.2020, X ZR 7/20), droht im Falle der Verarmung ein Rückforderungsanspruch seitens des Heimträgers, indem der Verzicht auf das Wohnungsrecht als Schenkung behandelt wird (OLG Nürnberg, Urteil v. 22.7.2013, 4 U 1571/12).
Der Rückforderungsanspruch ergebe sich aus § 528 BGB: Das Gericht ordnete das grundbuchlich gesicherte Wohnungsrecht eine geldwerte Vermögensposition dar, die unentgeltlich aufgegeben wurde. Damit liege in der Löschung ein Geschenk an die beklagten Grundstückseigentümer und eine Schenkung, weil die Löschung vertraglich vereinbart wurde.
Hintergrund: Wie kann das Wohnrecht sonst enden?
- Bei einer Zwangsversteigerung erlischt das Wohnrecht. Der Inhaber des Wohnrechts hat in diesem Fall zwar eine Geldforderung in Höhe des ermittelten Werts, doch häufig kommt es vor, dass der Versteigerungserlös sehr niedrig ist, was auf die Geldforderung durchschlägt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Wohnrecht ranghöher ist, als das Recht des betreibenden Gläubigers. Um ein dauerhaftes Wohnrecht abzusichern, müsste es erstrangig im Grundbuch eingetragen werden. Allerdings fordert bei Immobiliendarlehen regelmäßig die Darlehen gewährende Bank den ersten Rang als Sicherheit ein.
- Das Wohnrecht wird ferner hinfällig, wenn die Räumlichkeiten nachhaltig unbewohnbar geworden sind.
- Wenn eine Klausel (Wiederverheiratungsklausel etc.) oder auch eine Befristung im Wohnrecht aufgenommen wurde, endet das Wohnrecht mit Eintritt der Frist oder in der Klausel geregelten Bedingung.
- Es ist darüber hinaus jedenfalls von der herrschenden Meinung anerkannt, dass die Zerstörung des Gebäudes einen besonderen, im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnten Erlöschungsgrund darstellt.
Elegantere Alternative für den Berechtigten: Nießbrauch
Meist ist es sinnvoller, statt des Wohnrechts den lebenslangen Nießbrauch zu wählen. Der Vorteil: Der Berechtigte kann selbst entscheidet, was er mit der Immobilie weiterhin macht und wie er den Nießbrauch nutzt. Er kann ihn selbst in Anspruch nehmen oder vermieten und hat die Mieteinnahmen zur freien Verfügung.
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