Bedeutung des Gegenstandwerts für den Anwalt

Die Höhe der Anwaltsgebühren und der Gerichtskosten ergeben sich meist aus dem Gegenstands- oder Verfahrenswert. Den Streitwert richtig einzuordnen und die korrekte Berechnung durchzuführen, ist wichtig für das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant und für ein angemessenes Honorar. Auch Gericht und Gegenseite reagieren sensibel auf Fehler oder Extreme bei der Berechnung.

Die Höhe der Anwaltsgebühren ergeben sich aus dem Gegenstands- bzw. Verfahrenswert. Hier die richtige Wertberechnung durchzuführen, ist wichtig für das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Auch das Gericht und die Gegenseite reagieren sensibel auf Fehler bei der Berechnung.

Nicht zuletzt betrifft eine realistische, nicht zu niedrige Festsetzung die wirtschaftliche Existenz der Kanzlei. Dies gilt vor allem, weil die fortschreitende Digitalisierung hohe Kosten verursacht, die nicht direkt auf den Mandanten umgelegt werden können und die letzte echte Gebührenerhöhung im Jahr 2013 stattgefunden hat.

Es handelt sich immer um ein Spannungsverhältnis: Mandant und Gegenseite bevorzugen niedrige Streit- bzw. Gegenstandswerte, Anwalt und Gericht sind meist gegen Streitwertminimierung (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.5.2011, 2 W 15/11). Ausnahme: Der Anwalt schließt eine vom Gegenstandswert unabhängige Honorarvereinbarung.

Gegenstandswert: Grundsätze der Festsetzung

Es ist für Anwälte wichtig, die Grundsätze der Festsetzung zu beherrschen. Sie sind recht komplex. Sie unterscheiden sich nicht nur danach, ob es um eine Geldforderung, einen Gegenstand oder wiederkehrende Leistungen geht; es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen und Rechtsprechung. Manchmal muss auch geschätzt werden. In einigen Fällen gibt das Gesetz die Werte vor (vgl. z.B. § 23 Abs. 4 RVG oder § 194 Abs. 2 BRAO).

Es lohnt sich, Urteile in der Kanzlei zum Thema „Gegenstandswert“ zu sammeln, um Fehler zu vermeiden, die dann wiederum Zeit kosten (BGH, Urteil v. 19.4.2018, IX ZR 187/17: Gebühren des Anwalts bei einem Totalschaden richten sich nach dem Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des Unfallfahrzeugs), aber auch ggf. um die Abrechnung zu optimieren.

Zeit ist angesichts vieler Neuerungen wie beA oder DS-GVO etc. Mangelware, doch es gibt gute Gründe für Anwalt und Mandant, sich mit dem Thema „Gegenstandswert“ genau zu beschäftigen. Das beginnt bereits bei der Übernahme des Mandats.

Laut Berufsordnung der Anwälte müssen diese, wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) richten, ihre Auftraggeber vor Übernahme des Mandats darauf hinweisen (§ 49b Abs. 5 BRAO; LG Berlin, Urteil v. 7.6.2007, 51 S 42/07). Das bedeutet, dass ein Hinweis darüber erfolgen muss, dass die sich die Vergütung nach dem Gegenstandswert richtet. Eine Berechnung ist dann grundsätzlich nur auf Nachfrage notwendig.


Verstöße gegen die Aufklärungspflicht führen im Extremfall zum Wegfall des Honorars aufgrund der Aufrechnungsmöglichkeit des Mandanten mit einer Schadensersatzforderung (OLG Hamm, Urteil v. 16.6.2009, 28 U 1/09; BGH, Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06).

Laut BGH ist § 49b Abs. 5 BRAO kein gesetzliches Verbot. Der Gebührenanspruch an sich kann bei Verletzung der Hinweispflicht nicht entfallen. Die Verletzung des Aufklärungsgebots kann aber einen Schadensersatzanspruch begründen. Verletzt ein Rechtsanwalt seine gesetzliche Belehrungspflicht, muss der Mandant zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs keinen bestimmten anderen Anwalt namentlich bezeichnen und behaupten, dass dieser bereit gewesen wäre, das Mandat zu anderen, günstigeren Bedingungen abzurechnen (OLG Hamm, Urteil v. 16.6.2009, 28 U 1/09; siehe auch BGH, Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06).

Tipp: Der Deutsche Anwaltsverein empfiehlt im Hinblick auf die Entscheidung des BGH, Urteil v. 10.1.2019, III ZR 109/17, den Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO getrennt vom sonstigen Vertragstext bzw. einer Vollmacht zu erteilen, mithin räumlich und drucktechnisch deutlich abgehoben. Das Urteil befasst sich mit zusätzlichen Erklärungen innerhalb von Empfangsbekenntnissen. Die Aufklärung über die Gebühren sollte unmittelbar geprüft werden. Dabei wird die Aufklärung regelmäßig per E-Mail durchgeführt werden und nicht bloß mündlich. Selbst bei der Vereinbarung eines Zeithonorars muss die Gebührenberechnung erfolgen, um den Mandanten über die Mindestgebühr aufzuklären.

Honorar-Kommunikation mit dem Mandanten

Ob der pauschale Hinweis auf den Gegenstandswert dem Mandanten allein hilft, ist fraglich. Immerhin muss der Anwalt auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren laut BGH regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Anwalts erwarten darf; zudem sind die gesetzliche Gebühren des Anwalts allgemein zu erfahren. Nur auf Verlangen des Auftraggebers muss der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitteilen oder wenn der Mandant aus besonderen Umständen des Einzelfalls einen solchen Hinweis erwarten kann (OLG Stuttgart, Urteil v. 11.7.2016, 27 O 338/15).

Achtung: Es kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren; dies ist z.B. der Fall, wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht (BGH, Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06). Es sollte deswegen grundsätzlich die Berechnung und Herleitung der Gebühren transparent gegenüber dem Mandanten dargelegt werden. Dies fördert gerade bei höheren Kosten die Akzeptanz des Mandanten und vermeidet ein Gefühl der Überrumplung.

Gegenstandswert ist Basis für korrektes Honorar

Der richtige Gegenstandswert ist die Basis für die korrekte Abrechnung gegenüber dem Mandanten.

Nur ein angemessen hoher Gegenstandswert sichert dem Anwalt eine passende Vergütung nach den gesetzlichen Gebühren.

Bei niedrigen Gegenstandswerten bietet sich zur kostendeckenden Führung des Mandats als Alternative die Vergütungsvereinbarung nach § 3a RVG an.

Diese muss dann aber auch, wenn sie halten soll, den dort im Einzelnen normierten Anforderungen (Textform, Bezeichnung als „Vergütungsvereinbarung", etc.) genügen und dient als Beweismittel für etwaige spätere Streitigkeiten (BGH; Urteil v. 3.12.2015, IX ZR 40/15; BGH, Urteil v. 22.10.2015, IX ZR 100/13). Sie ist unbedingt als eigenes und klar erkennbares Dokument auszufertigen, § 3a RVG. Sie ist gerade nicht gemeinsam mit der Vollmacht in einem Dokument aufzuführen.

Hinweis: Der Abschluss einer mündlichen Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten ist kein mit dem Berufsrecht zu ahndender Verstoß gem. § 43 BRAO (AnwG Hamm, Beschluss v. 11.5.2017, 2 AnwG 52/16).