BRAO-Reform ist durch den Bundesrat und kommt zum Spätsommer 2022

Die Reform der Berufsausübung der Anwälte ist durch den Bundesrat und wird voraussichtlich zum 1. September 2022 in Kraft treten. Im Zentrum der Reform, die auch Steuerberater und Patentanwälte betrifft, stehen die Neuregelung der Berufsausübungsgesellschaften und die Liberalisierung der interprofessionellen Zusammenarbeit. Auf Verschärfung des Rechts zur Interessenkollision wurde verzichtet.

In seiner Sitzung vom 25.06.2021 hat der Bundesrat der Reform zugestimmt. DAV und BRAK konnten durch ihre Einwände eine Verzicht auf eine deutlich strengere Neuregelung zur Interessenkollision bei vertraulichen Informationen erreichen. Sie hatten ein ursprünglich geplantes striktes Tätigkeitsverbot bei Interessenkollision stark kritisiert.

Die Reform bringt ein Gesamtkonzept für Anwälte, Patentanwälte und Steuerberater

Mit der BRAO-Reform kommt auch eine Änderung des Steuer­be­ra­tungs­gesetzes und der Patent­an­walts­ordnung (PAO). Das "Gesetz zur Neuregelung des Berufs­rechts der anwalt­lichen und steuer­be­ra­tenden Berufs­aus­übungs­ge­sell­schaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechts­be­ra­tenden Berufe" soll auch diese Bereiche harmonisieren. 

Die Reform wird durchweg positiv aufgenommen. Insbesondere die Regelungen zur gemeinsamen Berufsausübung mit anderen freien Berufen werde nun den verfassungsrechtlichen Anforderungen des BVerfG gerecht.

DAV war gegen Regelung des Verbots der Vertretung von widerstreitenden Interessen 

Bei der Anhörung im Bundestag im April hatte die Präsidentin des DAV, Edith Kindermann, die Reform in ihren großen Leitlinien als unverzichtbar bezeichnet, wenn auch einige Einzelregelungen - wie die Regelung des Verbots der Vertretung von widerstreitenden Interessen - kritikwürdig seien. Dies Kritik traf nicht auf taube Ohren, sondern setzte sich durch. Es kam nur zu einer kleineren Konkretisierung in § 33 BRAO.

Doppelschlag zusammen mit Änderungen bei Erfolgshonorar und Prozessfinanzierung

Zeitgleich hat das Bundes­ka­binett am 20.1. das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt verabschiedet, das für Anwälte die Verbote der Vereinbarung von Erfolgs­ho­norar und Prozess­fi­nan­zierung abmildert. Diese Rechtsänderung soll die auf dem Gebiet der Inkassodienstleistungen entstandene erhebliche wettbewerbsrechtliche Schieflage beseitigen. 

Neuregelung der Berufsausübung für Anwälte, Steuerberater und Patentanwälte

Die Reform soll das Recht der Berufsausübungsgesellschaften für Anwälte, Steuerberater und Patentanwälte  komplett neu regeln. Der Entwurf ist dabei, gerade bei der interprofessionellen Zusammenarbeit, sehr weit gegangen. Was ist vorgesehen?

Eine Ausweitung möglicher Rechtformen für Anwälte - sowie Patentanwälte und Steuerberater - stand auf der Agenda. Dabei ist der Entwurf weitgehend:

  • Zukünftig sollen alle deutschem und europäischem Gesellschaftsformen für die Berufsträger zur Verfügung stehen.
  • Selbst die zunächst im Eckpunktepapier fragliche Anwalts-GmbH & Co. KG soll möglich werden.

Die Co. KG steht zurzeit nur gewerblich tätigen Gesellschaften zur Verfügung. Damit ist es der Anwaltschaft verwehrt, in den Genuss einiger erheblicher mit der GmbH & Co. KG verbundener steuerlicher Vorteile zu kommen. Sowohl die BRAK als auch der DAV plädierten daher für die Einführung dieser Gesellschaftsform für Berufsausübungsgesellschaften.

  • Außer im Fall der BGB-Gesellschaft brauchen die jeweiligen Berufsausübungsgesellschaften laut Referentenentwurf eine Zulassung der Berufskammer.
  • Sie sind selbst Träger von Berufspflichten und erhalten im Falle von anwaltlichen Berufsträgern auch ein eigenes "beA". 

Die Gesellschaften als solche sollen die Rechtsdienstleistungen erbringen, also die Mandate bearbeiten und unter anderem auch die gerichtliche Vertretung von Mandanten übernehmen (eigene Postulationsfähigkeit).

Sehr starke Liberalisierung der interprofessionellen Zusammenarbeit

Die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen wir deutlich erleichtert. Bereits im Jahr 2016 hatte das BVerfG entschieden, das Sozietätsverbot nach § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO verletze das Grundrecht der Berufsfreiheit und Kooperationen von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern (BVerfG, Beschluss v. 12.1.2016, 1 BvL 6/13). Auch auf Grund dieser Entscheidung wird mit der Reform der Kreis der sozietätsfähigen Berufe nun deutlich erweitert.

Rechtsanwälte werden, das regelt der neue § 59c BRAO, künftig mit allen Berufsträgern freien Berufe Sozietäten gründen können, die in § 1 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG) aufgeführt sind. Das wären also

Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.

Gesellschaftsregister zur Erhöhung der Transparenz

Die Berufsausübungsgesellschaften sollen in einem von der BRAK geführten elektronischen Register erfasst werden, einschließlich der Namen aller darin tätigen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sowie der nicht-anwaltlichen Gesellschafter*Innen. Dies soll auch für ausländische Gesellschaften gelten und damit die erforderliche Transparenz der Berufsausübungsgesellschaften gewährleisten.

Neuerung zur Vermeidung von Interessenkollision unterblieb

§ 43a Abs. 4 BRAO, der das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen regelt, sollte nach den Reformplänen künftig ausschließen, dass der der Rechtsanwalt sensibles Wissen verwertet, von dem er im Beruf Kenntnis erlangt hat. Eine vertrauliche Information, die ein Anwalt von einer Partei erhalten hat, sollte danach zu einem Tätigkeitsverbot führen, wenn

  • die Information aus einem anderen Mandatsverhältnis stammt,
  • die Information für die neue Rechtssache von Bedeutung sein kann und
  • deren Verwendung im Widerspruch zu den Interessen des Mandanten des vorherigen Mandats steht.

Der Protest von DAV und BRAK hat dazu dazu geführt, dass diese Änderung unterblieb.

Weiterbildungspflicht neu zugelassener Rechtsanwälte

Ein neu eingefügter § 43f BRAO verpflichtet Rechtsanwälte innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger Zulassung an einer 10-stündigen Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilzunehmen, die wesentlichen Bereiche des anwaltlichen Berufsrechts umfasst. 

Eigene Berufspflichtversicherung für die Gesellschaft

Neben der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung werden auch die Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet werden, eigenständige Berufshaftpflichtversicherungen abzuschließen. Eine Mindestversicherungssumme wird für sämtliche Rechtsformen einheitlich vorgeschrieben.

Firmierung als Rechtsanwaltsgesellschaft

Die Bezeichnung Rechtsanwaltsgesellschaft ist für eine Berufsausübungsgesellschaft zulässig, wenn die Mehrheit der Mitglieder Anwälte sind und Anwälte die Mehrheit im Geschäftsführungsorgan stellen.

Liberalisierung der Bürogemeinschaften

Erstmalig wird die Bürogemeinschaft gesetzlich definiert. Gemäß § 59p BRAO-E umfasst die Bürogemeinschaft sämtliche Gesellschaften, die die gemeinschaftliche Berufsausübung organisieren, ohne selbst Anwaltsverträge abzuschließen.

  • Die Mitglieder können aus sämtlichen Berufen stammen, mit denen Anwälte gemeinsame Mandate in einer Berufsausübungsgesellschaft annehmen dürfen, d.h. aus allen freien Berufen.
  • Darüber hinaus dürfen Mitglieder aus allen Berufen kommen, die ein Anwalt als Zweitberuf ausüben darf und
  • die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit nicht gefährden.
  • Damit können auch gewerbliche Berufe (beispielsweise Kfz-Sachverständige) in die Kooperation aufgenommen werden.

Verschwiegenheitspflicht muss gewahrt sein

Eine Pflicht zur Prüfung von Interessenkollision besteht in diesen Bürogemeinschaften nicht, allerdings sind die Vorschriften zur Verschwiegenheitspflicht sowohl von den Anwälten als auch von der gesamten Bürogemeinschaft strikt einzuhalten.

Verbesserungen für Syndikusanwälte

Syndikusanwälte erhalten eine größere Sicherheit, bei einer vorübergehenden Ausübung einer berufsfremden Tätigkeit ihre Anwaltszulassung nicht zu verlieren. Gemäß § 46 b Abs. 2 BRAO-E bleibt die Zulassung bei einer nur vorübergehenden Unterbrechung ihrer Tätigkeit (Elternzeit, Freistellung für Betriebsratstätigkeit) bestehen.

Gewichtung der Rechtsanwaltskammern in der BRAK-Versammlung

Die Stimmgewichtung in der Hauptversammlung der BRAK soll ebenfalls neu geregelt werden. In § 190 BRAO-E soll sie an die Größe der Kammern angepasst werden. Bisher hatten große  und kleine Anwaltskammer bei Abstimmungen das gleiche Stimmgewicht. Die Stimmen der einzelnen Kammern schwanken nun je nach Größe mit einer Gewichtung von 1 - 9.

Was nicht kommt:

Nicht angefasst wurde das Tätigkeitsfeld Legal Tech, also auch das Verbot von Erfolgshonoraren und die Beteiligung von Wagnis- und Fremdkapital. Das entspricht der Linie der BRAK und ihrer Stellungnahme zum Eckpunktepapier. Auch die vom DAV geforderte konkretisierte und sanktionierte allgemeine Fortbildungspflicht für Anwälte ist im Entwurf nicht vorgesehen.




Hintergrund: Die kleine Berufsrechtsreform im Mai 2017

Großer Anlauf, kurzer Sprung: Unspektakulär trat am 18.5.2017 die Neuregelung des anwaltlichen Berufsrechts in Kraft. Was als grundlegende Neujustierung des Berufsrechts der Rechtsanwälte /  Patentanwälte angekündigt wurde, ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Reförmchen geschrumpft. Das anwaltliche Berufsrecht wurde in einigen Punkten geändert und die überfällige Regelung grenzüberschreitende Tätigkeit in der EU aufgenommen.

Schlagworte zum Thema:  Bundesrechtsanwaltsordnung, Rechtsanwalt