Gesetzestext

 

(1) Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.

(2) Der Anspruch ist vererblich und übertragbar.

A. Zweck.

 

Rn 1

Die Norm regelt den Entstehungszeitpunkt (I), die Vererblichkeit und Übertragbarkeit (II) des Pflichtteilsanspruchs, der von seiner Quelle, dem abstrakten Pflichtteilsrecht (BGH NJW 58, 1964 [BGH 01.10.1958 - V ZR 53/58]), zu unterscheiden ist (Vor § 2303 Rn 4). Er geht auf die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 I 2) und ist auf Zahlung von Geld gerichtet (BGH aaO). Nachlassgegenstände können nicht verlangt, umgekehrt aber auch nicht zur Abgeltung aufgedrängt werden. Die Erfüllung kann daher für den Erben wirtschaftlich schwierig sein, wenn nicht ausreichend liquide Mittel vorhanden sind. Die Parteien können vereinbaren, dass Gegenstände an Erfüllungs statt geleistet werden (§ 364 I). Ansonsten kommt ggf Stundung in Betracht (§ 2331a). Der Erblasser kann sie vorsorglich letztwillig anordnen (s.a. § 2306 I: Möglichkeit der Ausschlagung) oder versuchen, mit dem Pflichtteilsberechtigten einen Verzicht zu vereinbaren (§ 2346 II). Zum Gläubiger und Schuldner des Anspruchs s § 2303 Rn 1, 7; zur Berechnung § 2311. § 2317 gilt auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff; Staud/Herzog Rz 1) einschl des Anspruchs gegen den Beschenkten (§ 2329).

B. Entstehung.

 

Rn 2

Der Anspruch entsteht kraft Gesetzes mit dem Erbfall (I), dh mit dem Tod des Erblassers (§ 1922). Das gilt auch, wenn der Anspruch davon abhängt, dass der Pflichtteilsberechtigte oder ein anderer das ihm Zugewendete ausschlägt (§§ 2306 I, 2307, 1371 III und ggf bei § 2309), vgl § 2332 III. Die nicht durchgeführte Ausschlagung stellt sich dann als Einwendung dar (RG JW 31, 1354; BRHP/Mayer Rz 2). Nach aA entstehe der Anspruch mit Ausschlagung, sei aber als mit dem Erbfall entstanden zu behandeln (Grünewald/Weidlich Rz 1). Auswirkungen hat der Streit auch beim Berliner Testament (§ 2269) idR nicht, da die mit den zwei Erbfällen jeweils entstandenen Pflichtteilsansprüche strikt zu trennen sind (BGH NJW 83, 2875; Kobl FamRZ 11, 146, 147). Der Anspruch entsteht nicht bei Erbverzicht ohne Pflichtteilsvorbehalt (§ 2346 I 2 Hs 2), Pflichtteilsverzicht (§ 2346 II), Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff) oder einem vor dem 1.4.98 zustande gekommenen vorzeitigen Erbausgleich (Art 227 I Nr 2 EGBGB, § 1934d, e aF). Bei Anfechtung wegen Erb- oder Pflichtteilsunwürdigkeit (§§ 2339 ff, 2345 II, 142 I) entfällt er rückwirkend.

 

Rn 3

Der Anspruch ist idR sofort fällig (§ 271; Staud/Herzog Rz 29). Verzug tritt idR mit Mahnung, endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung oder Rechtshängigkeit (nicht: bei isolierter Auskunftsklage) ein (§§ 280 II, 286, 288, 291). Eine fehlende Bezifferung des Pflichtteils (zB bei Stufenklage nach § 254 ZPO) ist unschädlich, da sie im Verantwortungsbereich des Erben liegt (§ 2314; BGH NJW 81, 1729, 1732 [BGH 06.05.1981 - IVa ZR 170/80]). Allerdings kann es ggf am erforderlichen Verschulden des Erben (§ 286 IV) fehlen (MüKo/Lange Rz 7).

C. Erlass.

 

Rn 4

Der entstandene Pflichtteilsanspruch kann nicht (wie Erbschaft oder Vermächtnis) ausgeschlagen, sondern nur (formlos) erlassen (§ 397) werden (Gottwald Rz 11; zur Beweiswürdigung Rostock 28.5.20 – 3 U 7/19). Ein als Alleinerbe eingesetzter überlebender Ehegatte kann als gesetzlicher Vertreter seiner Kinder nicht mit sich einen Erlassvertrag schließen (§§ 1629 II, 1795 II, 181); dazu wird ein Pfleger bestellt (§ 1809). Zudem bedarf es – wie auch für den Erlass mit Dritten durch für ihre minderjährigen Kinder handelnde Eltern (§§ 1643 I, 1851 Nr 1) oder Vormünder (§§ 1799 I, 1851 Nr 1) – der Genehmigung des FamG (§§ 1813, 1799, 1851); eine Ausnahme gilt nach § 1643 III, wenn der Pflichtteilsanspruch infolge der Ausschlagung eines Elternteils dem Kind angefallen ist.

D. Geltendmachung.

 

Rn 5

Mit dem Erbfall gehört der Anspruch zum pfändbaren oder in der Insolvenz (vgl §§ 35, 36 I InsO) beschlagsfähigen Vermögen des Berechtigten (BGH NJW 97, 2384; Brandbg FamRZ 99, 1436). Es bleibt aber in sein Belieben gestellt, den aus dem familiären Umfeld entspringenden Anspruch geltend zu machen (BGH NJW 82, 2771, 2772; 93, 2876; 97, 2384; LG Hildesheim FamRZ 09, 1440, 1441). Doch ist von der Verwaltungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers idR ein Pflichtteilsanspruch umfasst (BGH NJW 15, 59 Rz 10). Der Pflichtteilsanspruch kann vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden. Er ist dann mit einem Pfandrecht belegt – der Rang des Pfandrechts bestimmt sich nach diesem Zeitpunkt (BGH NJW 93, 2876, 2877 [BGH 08.07.1993 - IX ZR 116/92]) – darf aber erst verwertet werden, wenn die Voraussetzungen des § 852 I ZPO vorliegen; die beschränkte Pfändbarkeit dient nicht der Sicherung des Existenzminimums des Schuldners, sondern soll mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem allein diesem überlassen bleiben (BGH NJW 15, 59 Rz 13; FamRZ 11, 212, 213). Der Antrag auf Erlass eines Pfändungsbesch...

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