Gesetzestext

 

(1) Erbunwürdig ist:

1. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
2. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
3. wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
4. wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.

(2) Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die Straftat begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.

A. Zweck.

 

Rn 1

Bei den genannten Erbunwürdigkeitsgründen besteht ein mutmaßlicher Wille des Erblassers, dass der sie Verwirklichende von der Partizipation an seinem Nachlass ausgeschlossen sein soll (MüKo/Helms Rz 2 f). Zudem sollen sie präventiv verhüten, dass ein potenzieller Erbe den Erbfall herbeiführt (Nr 1) oder die Testierfreiheit des Erblassers (und seine Würde, so Muscheler ZEV 09, 58, 61) iÜ verletzt, indem er ihm ungünstige Anordnungen des Erblassers verhindert (Erman/Simon Vor § 2339 Rz 1). Nach aA ist eine zivilrechtliche Strafe für (idR strafrechtlich relevante) Handlungen zum Nachteil des Erblassers vorgesehen (RGRK/Kregel Rz 1). Die Gründe sind enumerativ genannt, wobei in engen Grenzen iRd einzelnen Gründe eine Analogie nicht ausgeschlossen ist (Staud/Olshausen Rz 21; aA Damrau/Kurze Rz 5; NK/Kroiß Rz 2). §§ 2339 ff gelten auch für den Lebenspartner, obwohl ein Verweis in § 10 VI 2 LPartG fehlt.

B. Herbeiführung der Erbunwürdigkeit.

 

Rn 2

Im Fall des § 2345 führt die Erklärung der Anfechtung, ansonsten das nach dem Erbfall durch Anfechtung des Erbfalls mittels Klage (§§ 2340, 2341) eines dazu Berechtigten (§ 2341) zu erwirkende rechtkräftige Urt zur Erbunwürdigkeit. Der entscheidende Zivilrichter ist nicht an strafgerichtliche Urteile gebunden (BGH ZEV 05, 307), hat sich aber ggf mit den Feststellungen bei seiner Beweiswürdigung auseinander zu setzen. Nach § 2345 können auch ein Vermächtnisnehmer und ein Pflichtteilsberechtigter ausgeschlossen werden. Nach Verzeihung (§ 2343) oder Verfristung (§ 2340) ist Erbunwürdigkeit ausgeschlossen. Unwürdigkeit besteht nur im Verhältnis zu einem bestimmten Erblasser.

C. Einzelne Voraussetzungen.

 

Rn 3

Die verfassungsgemäße (BVerfG NJW 05, 1561, 1565 [BVerfG 19.04.2005 - 1 BvR 1644/00]) Nr 1 erfasst §§ 211, 212 StGB in allen Beteiligungsformen, auch versuchten (§§ 22, 23 StGB – BGH NJW 15, 1382 Rz 10, 17) Mord oder Totschlag (NK/Kroiß Rz 4), wobei strafbefreiender Rücktritt (§ 24 StGB) auch Erbunwürdigkeit entfallen lässt (DErbK/Schnabel Rz 7). Erforderlich ist vorsätzliches, rechtswidriges und schuldhaftes (BGH NJW 15, 1382 Rz 22) Handeln. IÜ kommt es auf die Motive nicht an (BGH NJW 15, 1382 [BGH 11.03.2015 - IV ZR 400/14] Rz 15). Nicht erfasst ist die Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB – BGH aaO Rz 11) oder die fahrlässige Herbeiführung der Todesfolge (§ 222, uU §§ 227, 251 StGB). Bei Tötung des Vorerben durch den Nacherben gilt § 162 II analog (BGH NJW 68, 2051 f) oder direkt (MüKo/Helms Rz 9). Zur Einziehung nach §§ 73 ff StGB s BGH NStZ 20, 477 [BGH 23.01.2020 - 5 StR 518/19]). Die Testierunfähigkeit hat der Erbe herbeigeführt, wenn er bewirkte, dass der Erblasser dauerhaft aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr testieren kann, ihn zB in Siechtum oder Geisteskrankheit versetzte oder körperlich verstümmelte (vgl § 226 I Nr 3 StGB). Subjektiv genügt die vorsätzliche Herbeiführung dieses Zustandes (NK/Kroiß Rz 7); Absicht ist nicht erforderlich.

 

Rn 4

Nr 2 setzt voraus, dass der Erblasser die Errichtung oder Aufhebung einer bestimmten letztwilligen Verfügung konkret beabsichtigte, diese Absicht aber nicht umsetzte. Dafür muss der Erbe vorsätzlich kausal geworden sein. Sein bloßer Versuch genügt nicht. Seine Verhinderungshandlung kann zB in Gewalt, Drohung oder arglistiger Täuschung, zB über Formvorschriften (BGH NJW 65, 496 [BGH 03.12.1964 - Ia ZB 18/64]) oder eine angebliche Vernichtung des Testaments, so dass Widerruf nach § 2255 unterbleibt (BGH NJW-RR 90, 515, 516 [BGH 14.02.1990 - IV ZR 286/88]), oder Ausnutzung einer Zwangslage des Erblassers bestehen. Unterlassen genügt nur, wenn der Erbe zum Handeln verpflichtet war.

Vorsatz und Widerrechtlichkeit sind so wie bei § 123 zu verstehen (BGH aaO).

 

Rn 5

Nr 3 unterscheidet sich von Nr 2, indem sie verlangt, dass der Erblasser wirksam eine Verfügung vTw trifft.

Versuch genügt auch hier nicht. Handelt der Erbe mit Gewalt in Form von vis absoluta, ist die Verfügung unwirksam, so dass kein Bedürfnis zur analogen Anwendung besteht (Staud/Olshau...

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