Gesetzestext

 

(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(2) 1Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. 2Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

(3) 1Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. 2Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. 3Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

A. Zweck.

 

Rn 1

Der Pflichtteilsberechtigte soll davor geschützt werden, dass sein Pflichtteilsanspruch durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers ausgehöhlt wird (BVerfG NJW 91, 217; BGH NJW 10, 3232, 3235 [BGH 28.04.2010 - IV ZR 73/08]; NJW-RR 07, 803, 804 [BGH 14.02.2007 - IV ZR 258/05]). Daher sieht § 2325 einen grds gegen den Erben und § 2329 einen ausnahmsweise gegen den Beschenkten gerichteten Ergänzungsanspruch vor. Dieser ist eine reine Geldforderung. Er ist nicht auf eine wertmäßige Beteiligung am Nachlass gerichtet (BGH NJW 96, 1743 [BGH 27.03.1996 - IV ZR 185/95]). Er geht auf den Betrag, um den der Pflichtteil sich erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand, der der im lebzeitigen Vermögen des Erblassers vorhanden war, zum Nachlass gerechnet wird (I). Der Pflichtteilsberechtigte wird insoweit in den Stand vor der Schenkung gesetzt (BGH NJW 73, 40 [BGH 21.06.1972 - IV ZR 69/71]; 97, 2676, 2677 [BGH 25.06.1997 - IV ZR 233/96]). Nur ganz ausnahmsweise kommt daneben ein Schutz des Pflichtteilsberechtigten gegen lebzeitige Zuwendungen nach §§ 138, 826 in Betracht (BGH FamRZ 72, 255, 257 f).

 

Rn 2

Nach § 1586b I gehen Unterhaltsverpflichtungen des Geschiedenen mit dessen Tod auf den Erben über, wobei dessen fiktiver Pflichtteil betragsmäßig eine Haftungsgrenze darstellt. Dieser fiktive Pflichtteil ist ein ergänzter Pflichtteil (BGH ZEV 01, 113; NJW 03, 1796, 1801 [BGH 05.02.2003 - XII ZR 29/00]), so dass für die Haftung auch auf Ergänzungsansprüche – auch auf fiktive Pflichtteilsergänzungsansprüche, die dem Berechtigten gem § 2325 ggü die Erben zustünden, wenn seine Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen erst durch dessen Tod aufgelöst worden wäre – abzustellen ist.

B. Rechtsnatur und anwendbare Normen.

 

Rn 3

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff) ist ggü dem Pflichtteilsanspruch (§ 2303) ein selbstständiger Anspruch (BGH NJW 73, 2876; 96, 1743 [BGH 27.03.1996 - IV ZR 185/95]). Vom Bestand dieses Anspruchs ist er unabhängig und setzt, anders als dieser, einen Ausschluss von der Erbfolge durch Verfügung vTw nicht voraus (BGH NJW 73, 995; ZEV 00, 274). Die Ausschlagung der Erbschaft durch den Pflichtteilsberechtigten berührt seinen Ergänzungsanspruch nicht, auch wenn §§ 2306 I, 1371 III nicht vorlagen (BGH NJW 73, 995; Ddorf FamRZ 06, 512). Als außerordentlicher Pflichtteilsanspruch wird der Ergänzungsanspruch rechtlich grds wie der ordentliche behandelt (BeckOKBGB/Müller Rz 2): Seine Entstehung, Geltendmachung, Vererblichkeit, Übertragbarkeit, Pfändbarkeit und der Insolvenzbeschlag richten sich nach § 2317; § 852 ZPO, §§ 35, 36 InsO (BGH NJW 93, 2876 [BGH 08.07.1993 - IX ZR 116/92]; Gottwald Rz 4). Für Schenkungen besteht idR ein Auskunftsanspruch nach § 2314 (NK/Bock Rz 45). Anders als der Erbe schuldet der beschenkte Dritte aber nicht ein Bestands- oder Vermögensverzeichnis mit allen Aktiva oder Passiva (BGH 4.6.14 – IV ZB 2/14 Rz 10). Die Entziehung des Pflichtteils (§ 2333) und der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 II) umfassen auch den Ergänzungsanspruch, wenn nichts anderes bestimmt bzw vereinbart ist (MüKo/Lange Rz 5).

C. Anspruchsinhaber.

 

Rn 4

Gläubiger des Anspruchs ist der nach § 2303 (abstrakt) Pflichtteilsberechtigte (Abkömmling, Eltern, Ehegatte, Lebenspartner), sofern sein Recht nicht durch § 2309 oder auf andere Weise ausgeschlossen ist. Ferner besteht der Anspruch für gesetzliche oder gewillkürte Erben, wenn der Wert des Hinterlassenen geringer als die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils zuzüglich des Werts des verschenkten Gegenstandes (§ 2326) ist (RGZ 58, 124, 126; 80, 135, 137). Anspruchsberechtigt ist auch der Vermächtnisnehmer, der einen Pflichtteilsrestanspruch (§ 2307) hat, oder wenn der Vermächtniswert geringer als der Wert des ordentlichen Pflichtteils zuzüglich Ergänzungspflichtteil ist (Soergel/Dieckmann Rz 1). Der Anspruch eines Abkömmlings setzt nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand; es kommt allein auf die Berechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls an (BGH NJW 12, 2730, 2731 [BGH 23.05.2012 - IV ZR 250/11]). Das müsste auch bei Adoption und zB dann gelten, wenn im Wege vorweggenomme...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge