Eingeschränkter Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

Nimmt ein Pflichtteilsberechtigter ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils an, so steht ihm ein Anspruch auf Vorlage eines einfachen, nicht aber eines notariellen Nachlassverzeichnisses und auch kein Anspruch auf Wertermittlung zu.

Das OLG München hat einem Pflichtteilsberechtigten den umfassenden Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie auf Ermittlung der Nachlasswerte versagt, nachdem der Pflichtteilsberechtigte ein Vermächtnis des Erblassers in Höhe des Pflichtteilsrechts angenommen hatte.

Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils

Die Parteien des vom OLG in zweiter Instanz entschiedenen Rechtsstreits streiten über erbrechtliche Ansprüche am Nachlass der im Jahre 2021 verstorbenen Ehefrau des Beklagten. Geklagt hatte der Sohn der Erblasserin. Diese hatte durch einen notariellen Ehe- und Erbvertrag ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt, mit der Maßgabe, dass dieser verpflichtet ist, den Abkömmlingen „vermächtnisweise eine Summe auszuzahlen, die gleich ist dem Werte des diesen Abkömmlingen gesetzlich gebührenden Pflichtteils“.

Klage auf notarielles Nachlassverzeichnis

Der Kläger hat das Vermächtnis ausdrücklich angenommen, forderte jedoch mit seiner gerichtlichen Klage vom Beklagten die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie die Wertermittlung des Nachlasses auf Kosten des Nachlasses. Der Klage blieb sowohl erst- als auch zweitinstanzlich der Erfolg versagt.

Auskunftsanspruch setzt bestehendes Pflichtteilsrecht voraus

Nach Auffassung beider Gerichte steht dem Kläger als Pflichtteilsberechtigter ein Auskunftsanspruch gegen den Beklagten nicht mehr zu. Der Pflichtteilsberechtigte habe gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände, dieser Anspruch setze jedoch ein noch bestehendes Pflichtteilsrecht voraus. Der Auskunftsanspruch bestehe nicht mehr, wenn ein Pflichtteilsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr besteht (BGH, Urteil v. 1.10.1958, V ZR 53/58).

Pflichtteilsanspruch mit Annahme des Vermächtnisses erloschen

Nach der Bewertung des OLG ist der Pflichtteilsanspruch des Klägers mit Annahme des Vermächtnisses erloschen. Mit Erlöschen des Pflichtteilsanspruchs bestehe das von § 2314 BGB vorausgesetzte besondere Informationsbedürfnis des Pflichtteilsberechtigten nicht mehr. Deshalb sei nach Erlöschen des Pflichtteilsrechts die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs von dem vorher bestehenden besonderen Informationsbedürfnis als Pflichtteilsberechtigter nicht mehr gedeckt, sodass der Auskunftsanspruch entweder rechtlich nicht mehr existiere oder aber die Geltendmachung rechtsmissbräuchlich sei.

Grundsätzlich anerkennenswertes Auskunftsinteresse

Trotz dieser Rechtslage ist nach Auffassung des OLG jedoch ein allgemeiner Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten auch nach Erlöschen seines Pflichtteilsanspruchs gemäß § 242 BGB anzuerkennen. Eine zweckentsprechende Geltendmachung des Vermächtnisanspruches erfordere eine zuverlässige Kenntnis vom Bestand des Nachlasses. Sei der Pflichtteilsberechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Vermächtnisses im Unklaren, so habe er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein berechtigtes Interesse, über die tatsächlichen Grundlagen seiner Rechte aus dem Vermächtnis informiert zu werden.

Reduzierter Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben

Diesem Interesse wird nach Einschätzung des Senats die Erstellung eines einfachen Nachlassverzeichnisses gerecht. Insoweit könne Berechtigte gegebenenfalls vom Auskunftspflichtigen auch eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses verlangen (OLG Hamburg, Urteil v. 28.9.2016, 2 U 29/15). Der Pflichtteilsberechtigte könne nach Erlöschen des Pflichtteilsanspruchs von den Erben aber nicht mehr die kostenpflichtige Beauftragung eines Notars zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und auch keine weiteren Maßnahmen zur Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses fordern. Ein Wertermittlungsgutachten könne der Kläger gegebenenfalls nur auf eigene Rechnung erstellen lassen.

Auskunftsklage abgewiesen

Den Anspruch auf Erstellung eines einfachen Nachlassverzeichnisses hatte der Beklagte nach Auffassung des OLG zwischenzeitlich erfüllt, indem er dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LG ein einfaches Nachlassverzeichnis übergeben hatte. Damit war die Auskunftsklage insgesamt abzuweisen.

(OLG München, Urteil v.21.11.2022, 33 U 2216/21)

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