Familiengerichte können Umgangsregelung verweigern
Das BVerfG hat 2 Verfassungsbeschwerden von Eltern gegen die Versagung von Umgangsregelungen durch die Instanzgerichte nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie nicht hinreichend begründet waren. Das BVerfG hat sich in den Nichtannahmebeschlüssen dennoch inhaltlich mit den jeweiligen Verfahren auseinandergesetzt und hat sich der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte angeschlossen, wonach Eltern in bestimmten Ausnahmefällen keinen Anspruch auf eine Umgangsregelung durch das Familiengericht haben.
Familiengerichte müssen auf Antrag i.d.R. eine Umgangsregelung treffen
Im Fall der Trennung bzw. Scheidung der Eltern haben beide Elternteile gemäß § 1684 Abs. 1 BGB sowohl das Recht als auch die Pflicht zum Umgang mit den gemeinsamen Kindern. Aus dem gemäß Art. 6 GG geschützten Elterngrundrecht folgt darüber hinaus nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich ein Anspruch jedes Elternteils, dass Familiengerichte auf ihren Antrag hin eine Regelung zum Umgang mit den Kindern treffen.
Absehen von einer Umgangsregelung in Ausnahmefällen
Von diesem Grundsatz haben einige Oberlandesgerichte in der Vergangenheit Ausnahmen gemacht und es unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet, dass Familiengerichte trotz des auf ein Umgangsrecht gerichtetes Begehrens eines Elternteils eine gesetzliche Umgangsregelung verweigert haben. Solche Ausnahmefälle erkennt nun auch das BVerfG an, vorausgesetzt die Versagung einer gerichtlichen Umgangsregelung erscheint zum Wohl des Kindes als erforderlich.
Wunsch des Kindes, selbst zu entscheiden
Einer der vom BVerfG nicht zugelassenen Verfassungsbeschwerden lag das Umgangsbegehren eines Vaters zu Grunde, dessen Umgangsrecht mit dem Sohn nach Trennung der Eltern vom Familiengericht wegen Kindeswohlgefährdung zeitweise vom Familiengericht ausgeschlossen wurde. Auf einen späteren Antrag des Kindesvaters auf Einräumung eines Umgangsrechts, lehnte das Familiengericht eine Umgangsregelung ab. Begründung: Der 15-jährige Sohn habe bei seiner Einvernahme vor Gericht geäußert, grundsätzlich Interesse an einem Umgang mit dem Vater zu haben. Er wolle aber von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob er mit dem Vater zusammen sein wolle oder nicht. Keinesfalls wolle er zu einem regelmäßigen Umgang mit dem Vater gezwungen sein.
Autonome Entscheidungen eines reifen Kindes sind zu berücksichtigen
Sowohl das Familiengericht als auch in der Rechtsmittelinstanz das OLG respektierten diesen ausdrücklichen Wunsch des aus ihrer Sicht für eine solche Entscheidung nach seinem Entwicklungsstand reifen Kindes und sahen von einer gerichtlichen Umgangsregelung ab. Das BVerfG bestätigte in seinem Nichtannahmebeschluss ausdrücklich die Richtigkeit dieser Instanzentscheidungen als Ausdruck der Anerkennung der Autonomie und Selbstbestimmtheit eines 15-jährigen Kindes als wichtigen Schritt auf dessen Weg zu einer selbstbewussten und unabhängigen Persönlichkeit.
Abwägung von Kindeswohl und Elterngrundrecht
Das BVerfG hob in seiner Entscheidung zwar auch die Bedeutung des durch Art. 6 GG geschützten Elternrechts hervor, das in der Regel jedem Elternteil einen Anspruch auf eine gerichtliche Umgangsregelung gewähre. Dies bedeute aber nicht, dass der Verzicht auf eine Umgangsregelung mit dem Elterngrundrecht grundsätzlich unvereinbar ist. Das Absehen von einer Umgangsregelung aus primären Erfordernissen des Kindeswohls beeinträchtige das Elterngrundrecht nicht in unangemessener Weise, zumal das Recht auf Umgang im konkreten Fall für den Kindesvater nicht völlig leerlaufe. Auch dieser müsse die Entscheidungsautonomie seines Sohnes respektieren.
Über mehrere Jahre kein Umgang der Mutter mit ihrem Kind
In dem weiteren, nicht zur Entscheidung angenommen Fall war die Verfassungsbeschwerde ebenfalls mangels hinreichender Begründung unzulässig. Allerdings äußerte das BVerfG hier deutliche Zweifel an einer angemessenen Berücksichtigung des Elternrechts durch die Instanzgerichte. Das im Jahr 2017 geborene Kind lebte beim alleinsorgeberechtigten Vater. Seit März 2021 hatte die Mutter keinen Umgang mehr mit dem Kind. Das Familiengericht hatte zuvor einen Umgang der psychisch instabilen Mutter nur unter professioneller Begleitung zugelassen. Die Mutter strebte nun ein unbegleitetes Umgangsrecht an, das nach Auffassung der Instanzgerichte wegen Gefährdung des Kindeswohls nicht in Betracht kam.
Faktischer Umgangsausschluss erfordert dezidierte Begründung
Das BVerfG rügte, dass die Instanzgerichte die befürchtete Gefährdung des Kindeswohls im Fall eines unbegleiteten Umgangs nicht hinreichend konkret spezifiziert hatten. Der mittlerweile mehrjährig völlig fehlende Umgangskontakt der Mutter mit dem Kind bedeutet nach Auffassung der Verfassungsrichter einen faktischen Ausschluss des Umgangsrechts. Ein Ausschluss des Umgangsrechts sei gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB nur bei einer konkreten Feststellung einer Kindeswohlgefährdung zulässig. Die dem Kind in einem solchen Fall drohenden psychischen oder gesundheitlichen Schäden müssten nach Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit mit Blick auf das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht vom Gericht konkret benannt werden.
Elterngrundrecht der Mutter nicht hinreichend gewürdigt
Diesen Anforderungen genügte die vorausgegangene Entscheidung des OLG nach Auffassung der Verfassungsrichter nicht. Die OLG-Entscheidung stütze sich auf eine von dem psychologischen Gutachter ausdrücklich als „vorläufig“ gekennzeichnete Einschätzung, die auch bereits über 2 Jahre zurückliege. Das OLG habe nicht berücksichtigt, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Umgangsentscheidungen mit zunehmender Dauer fehlenden Umgangs eine zunehmende Eingriffsintensität in das Elternrecht hätten. Deshalb seien besonders hohe Anforderungen an die fachgerichtliche Begründung einer solchen Entscheidung zu stellen, die hier eher nicht erfüllt seien.
(BVerfG, Beschlüsse v. 28.8.2025, 1 BvR 316/24 u. 1 BvR 810/25)
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