Schenkung: 10-Jahresfrist bei Immobilien mit Wohnrecht

Eine Schenkung, die zehn Jahre zurückliegt, wird nicht mehr beim Pflichtteil eines Erbberechtigten berücksichtigt. Doch gilt das auch, wenn ein Erblasser weiterhin in der verschenkten Immobilie wohnt? Antwort auf diese Frage gibt ein aktuelles Urteil des BGH: Ausschlaggebend für den endgültigen Vollzug der Schenkung ist, ob die Schenkenden noch "Herr im Haus waren" oder nicht mehr.

Zehn Jahre muss eine Schenkung an Dritte zurückliegen, damit sie nicht mehr im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruches des Erbberechtigten angerechnet wird. So schreibt es § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB vor.

Umgehung des Pflichtteils oder legitime Schenkung?

Die Frist beginnt mit Eintritt des Leistungserfolges. Bei Grundstücken ist das der Zeitpunkt, zu dem die Umschreibung im Grundbuch stattgefunden hat (BGH, Urteil vom 02.12.1987, IVa ZR 149/86, BGHZ 102, 289, 292).

An sich klingt das alles sehr einfach, doch wie so oft liegt die Tücke im Detail.

  • Der BGH geht nämlich auch davon aus, dass eine Leistung in diesem Sinne nicht schon vorliegt, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt,
  • sondern erst, wenn er auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand - sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche - im Wesentlichen weiterhin zu nutzen (IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395, 398 f.).

Wenn der Eigentümer zwar seine Rechtsstellung formal aufgibt, wirtschaftlich aber weiterhin im „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes bleibt, ist das also nicht der Fall.

Kam Ex-Eigentümer weiter in den Genuss des Eigentums?

Doch wann kommt der Ex-Eigentümer noch in den Genuss des an sich aufgegebenen Eigentums? Mit dieser Frage hat sich der BGH jetzt in einem aktuellen Urteil beschäftigt und seine bisherige Rechtsprechung weiter konkretisiert.

Ein Sohn hatte gegenüber seiner Mutter, der Alleinerbin seines im August 2012 verstorbenen Vaters, Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen einer Schenkung geltend gemacht, die im Dezember 1993 stattgefunden hatte.

Mit der Schenkung hatten seine Eltern ein Wohnhaus mitsamt Grundstück an den zweiten Sohn, den Bruder des Klägers, übertragen.

Grundstücksschenkung mit vielen Einschränkungen

  • Die Eltern behielten sich als Gesamtberechtigte ein Wohnungsrecht an den Räumen im Erdgeschoss vor, das auch die Mitbenutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung sowie die Nutzung der Garage umfasste.
  • Weiterhin vereinbarten sie, dass der Beschenkte das Grundstück zu ihren Lebzeiten weder veräußern, noch darauf ohne ihre Zustimmung Um- oder Ausbaumaßnahmen vornehmen durfte.
  • Schließlich räumten die Eltern ihm das Recht ein, Grundpfandrechte bis zur Höhe von 200.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen für beliebige Gläubiger zur Eintragung im Rang vor dem Wohnungsrecht zu bewilligen.

Im November 1994 wurde all dies ins Grundbuch eingetragen.

Wie wirkt sich die Schenkung auf den Pflichtteil aus?

Letztlich streitentscheidend, ob das geschenkte Haus in Höhe eines Miteigentumsanteils des Klägers in den Pflichtteil eingerechnet werden musste oder nicht, war die Frage:

Stand das Nutzungsrecht der Eltern dem Ablauf der pflichtteilsrechtlichen Zehn-Jahres-Frist entgegen?

Der BGH beantwortete dies mit Nein.

Entscheidend ist, wer "Herr im Haus" ist

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten sich ein Wohnungsrecht nicht an dem aus drei Etagen bestehenden gesamten Haus vorbehalten, sondern es auf das Erdgeschoss, den Garten und die Garage beschränkt.

Besteht sein im Wohnungsrecht verankerte Ausschließungsrecht aber nur an Teilen der übergebenen Immobilie, so ist der Erblasser nicht mehr als "Herr im Haus" anzusehen.

Entscheidend im Fall war zudem, dass den Eltern jedenfalls kein weitgehend alleiniges Nutzungsrecht unter Ausschluss des beschenkten Sohnes an dem Grundstück mehr zustand. Ihr Hausgrundstück konnten die Eltern nicht mehr in der bisherigen Art und Weise nutzen. Die ihnen vertraglich eingeräumte Dienstbarkeit hätten sie nur dann einem anderen überlassen können, wenn die Überlassung vom Sohn gestattet worden wäre. Ein solches Recht war den Eltern hier nicht vorbehalten worden. Das verschenkte Grundstück war bei der Errechnung des Pflichtteils also nicht mehr einzubeziehen.

(BGH, Urteil vom 29.06.2016, IV ZR 474/15).


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