Pflicht zu Geldunterhalt an volljähriges Kind für eigene Wohnung?

Kann ein volljähriges Kind, das sich noch in der Ausbildung befindet, darauf bestehen, dass ihm die Eltern den Unterhalt in Geldform leisten? Wann muss es sich mit  Naturalunterhalt in Form der angebotener Kost und Logis etc. im Elternhaus begnügen? In welchen Fällen kann dies unzumutbar sein?

Egal, was die Medien verbreiten - nicht jedes Kind möchte den Aufenthalt im "Hotel Mama" so lange wie möglich ausdehnen. Hat das unterhaltsberechtigte Kind die Wahl zwischen Bar- und Naturalunterhalt?

Unterhalt volljähriges Kind: Eltern sind grundsätzlich frei in Art und Weise der Unterhaltsgewährung

Eltern können festlegen, dass der Unterhalt im Elternhaus in Form von Kost und Logis, Taschen- und Kleidergeld etc. entgegenzunehmen ist. Dieses Bestimmungsrecht gilt gegenüber minderjährigen und volljährigen unverheirateten Kindern. Von diesem Bestimmungsrecht kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn der gesamte Bedarf abgedeckt werden soll (Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Taschengeld, etc.). Das Recht des volljährigen Kindes auf die freie Selbstbestimmung tritt dabei hinter dem elterlichen Bestimmungsrecht grundsätzlich zurücktritt, da die Beachtung der finanziellen Interessen der Kindeseltern Vorrang genießt.  Leistet das volljährige Kind dem wirksam ausgeübten Bestimmungsrecht keine Folge, so verliert es seinen Unterhaltsanspruch (OLG Brandenburg, Urteil v. 15.03.2017, 9 WF 288/07).

  • Allerdings gilt dies Bestimmungsrecht nach der seit 1.1.2008 geltenden Fassung des § 1612 Abs. 2 BGB nur,
  • sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird.
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Unterhalt an volljähriges Kind für eigene Wohnung? Ein Beispielfall

Eine volljährige, noch in der Ausbildung befindliche Tochter wollte in einer eigenen Wohnung leben. Sie hatte nicht unerhebliche Probleme mit dem Erziehungsstil der Mutter gegenüber ihren noch nicht volljährigen Geschwistern. Hierüber war es zuhause bereits zu einigen Auseinandersetzungen gekommen.

  • Die Tochter war daher der Auffassung, dass ihr angesichts der bestehenden erheblichen persönlichen Differenzen mit ihrer Mutter ein Zusammenleben mit dieser nicht mehr zumutbar sei.
  • Die Mutter lehnte es aber ab, ihrer Tochter Unterhalt zu zahlen. Sie vertrat den Standpunkt, dass die Tochter weiterhin zuhause wohnen könne und dort ausreichend versorgt sei. Dies sei unter dem Strich wesentlich kostengünstiger als die Führung eines eigenen Haushalts.

Die Tochter sah das nicht ein und beantragte daher beim zuständigen Familiengericht Prozesskostenhilfe für eine von ihr beabsichtigte Unterhaltsklage. Das Familiengericht lehnte ihren Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Unterhaltsverpflichtete bestimmt, wie er den Unterhalt gewährt

Das mit der Beschwerde befasste OLG stellte klar, dass § 1612 Abs. 2 BGB den unterhaltspflichtigen Eltern – in diesem Fall der Mutter – grundsätzlich das Recht einräumt, über die Art der Unterhaltsgewährung zu entscheiden.

  • Bei der Entscheidung über die Form der Unterhaltsgewährung sei allerdings auf die Gesamtsituation und auf berechtigte Interessen des Kindes Rücksicht zu nehmen.
  • Umgekehrt gelte allerdings auch für das unterhaltsberechtigte Kind das Gebot der Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Situation des zum Unterhalt Verpflichteten.
  • Grundsätzlich seien die Interessen des Kindes hierbei nicht als gewichtiger einzustufen als die wirtschaftlichen Belange des Unterhaltsverpflichteten (OLG Brandenburgisch, Beschluss v. 18.10.2007, 9 WF 288/07).

Gericht sah kein tief greifendes Zerwürfnis

Nach Auffassung des OLG ist es für ein unterhaltsberechtigtes Kind grundsätzlich zumutbar, in der Wohnung des Unterhaltsverpflichteten zu leben, sofern dort die Platzverhältnisse ausreichend sind.

Nur wenn es dem Kind aus persönlichen Gründen oder wegen besonders schwieriger Konflikte in der Eltern-Kind-Beziehung unzumutbar sei, in der mütterlichen Wohnung zu leben, müsse das wirtschaftliche Interesse des Unterhaltsverpflichteten zurücktreten.

Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Mutter und Kind über die Erziehung der Geschwister seien jedenfalls kein ausreichender Grund, um von einer tiefgreifenden Zerrüttung der Beziehung zwischen Mutter und Tochter auszugehen.


Konflikte sind natürlicher Bestandteil des Lebens

Das Gericht wies darauf hin, dass Auseinandersetzungen und Konflikte über solche Themen zu jedem menschlichen Leben notwendigerweise dazu gehörten. Auch gelegentliche emotionale Ausbrüche, zu denen auch Beschimpfungen gehören, sind nach Auffassung des Gerichts kein ausreichender Anlass, ein Zusammenleben als unzumutbar einzustufen. Dass die Mutter ihre Tochter auch schon mal als “Balg“ beschimpft hat, liegt nach Auffassung des Gerichts nicht so außerhalb der Norm, dass ein Zusammenleben dauerhaft nicht möglich wäre.

Das OLG versagte daher der Beschwerde gegen die ablehnende PKH-Entscheidung den Erfolg (OLG Brandenburg, Beschluss v. 21.05.2008, 9 WF 116/08).

Grundsätzliche Argumente gegen Naturalunterhalt

Eine Grund zur Abänderung der von einem Elternteil getroffene Unterhaltsbestimmung auf Antrag des Kindes nach § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB

  • ist insbesondere, eine zwischen dem Kind und dem bestimmenden Elternteil eingetretene tief greifende Entfremdung,
  • die nicht alleine auf einem rücksichtslosen oder provozierenden Verhalten des Kindes beruht (OLG Celle v. 23.7.1996, 18 W 19/96, FamRZ 1997, 966; OLG Düsseldorf v. 4.7.1995, 25 Wx 20/9, FamRZ 1996, 235).

Eine tief greifende Entfremdung zwischen dem Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind kann zur Unwirksamkeit der Bestimmung jedenfalls dann führen, wenn sie auch auf unangemessene Erziehungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Für eine solche Ausnahme reichen allerdings einmalige oder gelegentliche Erziehungsfehler nicht aus

Die Belange des Kindes sind auch dann nicht hinreichend berücksichtigt, wenn es sich dem anderen Elternteil stärker verbunden fühlt und deshalb nach Volljährigkeit in dessen Haushalt umzieht und der Elternteil, bei dem es bislang gelebt hat, diesen Umzug zum Anlass nimmt, die Rückkehr in seinen Haushalt durch eine Unterhaltsbestimmung nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB zu erzwingen.

Wann ist Naturalunterhalt dem Kind zumutbar, wann nicht?

Naturalunterhalt ist nicht unzumutbar, wenn sich das Kind

  • allein auf die dominierende Art des Vaters,
  • auf persönliche Spannungen
  • den Generationenkonflikt
  • gelegentliche Wortentgleisungen der Eltern/eines Elternteils
  • seinen Wille, ohne eine Bevormundung durch die Eltern sein Leben frei und selbstbestimmend führen zu können

beruft (Aus: Deutsches Anwalt Office Premium).

Das Bedürfnis, ein eigenes Leben mit eigenem Haushalt und ggf. auch mit einem Freund oder einer Freundin zu führen, steht jedenfalls bei einem gerade volljährig gewordenen Kind, das in seiner Berufsausbildung noch keine nennenswerten Fortschritte gemacht hat, der Realisierung einer Unterhaltsbestimmung nicht entgegen.

Auch Äußerungen einer Mutter, die Tochter könne doch ausziehen, wenn es ihr nicht passe, und gegenüber Dritten, die Tochter wäre der größte Fehler ihres Lebens gewesen, sah das OLG Karlsruhe nicht als so unüblich und unzumutbar an, um eine tiefgreifende, nicht mehr zu behebende Entfremdung anzunehmen (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 23.1.2015, 2 UF 276/14 ).

Unzumutbar ist Naturalunterhalt dagegen, wenn es auf Grund des Verhaltens der Eltern zu einer schweren Störung des Vertrauensverhältnisses gekommen ist, etwa wenn Gewalttätigkeiten von Seiten der Eltern vorliegen oder diese Volljährige bestrafen wie Minderjährige.

Geldunterhalt-Argument Ausbildungsort und Fahrzeit

Liegt der Ausbildungsort oder der zugewiesene Studienplatz so weit vom Elternhaus entfernt, dass die Fahrzeit nicht zumutbar sind, geht das Recht des Kindes auf eine selbst gewählte Ausbildung dem Bestimmungsrecht der Eltern vor. Die Eltern können z.B. nicht verhindern, dass das Kind einen entfernten Studienplatz annimmt und dort wohnt, wenn dieses Studium am Wohnort der Eltern nicht möglich ist. Dann besteht Anspruch auf Geldunterhalt.

Kein Bleiberecht des volljährigen Kindes im Elternhaus

Nicht immer sind es die Kinder, die auf den Auszug aus dem Elternhaus dringen: Doch es steht dem volljährigen Kind kein gesetzliches Recht mehr zu, in der elterlichen Wohnung zu leben, denn in der von den Eltern bewohnten Wohnung haben die Eltern das Hausrecht. Sie können also von ihrem volljährigen, mit Geldunterhalt ausgestatteten und in Ausbildung befindlichen Kind verlangen, dass es auszieht.

Gesetzestext

§ 1612 BGB

(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

(2) Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. Ist das Kind minderjährig, so kann ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, eine Bestimmung nur für die Zeit treffen, in der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen ist.

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Schlagworte zum Thema:  Unterhalt, Kindesunterhalt