Eigene Einkünfte sind im Unterhaltsrecht grundsätzlich anzurechnen, um den eigenen Bedarf zu decken. Sie mindern demnach die Bedürftigkeit. Dabei hängt die Bedürftigkeit regelmäßig nicht nur von tatsächlich erzielten, sondern auch von fiktiven erzielbaren Einkünften ab.
Grundsätzlich setzt ein Unterhaltsanspruch Bedürftigkeit voraus
Bedürftig ist gem. § 1602 Abs. 1 BGB nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Wer also keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, obwohl er dies – vor allem mangels Ausbildung oder Krankheit - könnte und deswegen keine Einkünfte hat, kann grds. keinen Unterhalt beanspruchen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Bedürftigkeit liegt beim Bedürftigen.
Für minderjährige Kinder gelten im Rahmen der Bedürftigkeit aber Besonderheiten. Dies gilt sowohl für die Anrechnung tatsächlich erzielter Einkünfte als auch für die Zurechnung erzielbarer fiktiver Einkünfte.
Während der Berufsausbildung keine Erwerbsobliegenheit
Minderjährige Kinder erzielen in aller Regel keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Solange sie der Vollzeitschulpflicht unterliegen, besteht sogar weitgehend ein Beschäftigungsverbot nach dem JArbSchG.
- Nach dem JArbSchG sind insbesondere lediglich leichtere Arbeiten des minderjährigen Kindes zur Aufbesserung des Taschengeldes erlaubt.
- Sowohl während der allgemeinen Schulausbildung als auch während der sich anschließenden späteren Berufsausbildung trifft Kinder generell keine Erwerbsobliegenheit.
Eine solche kommt bei minderjährigen Kindern nur in Betracht, wenn das Kind sich nicht in einer Ausbildung befindet. Und selbst in diesem Fall ist streitig, ob ein arbeitsfähiges minderjähriges Kind seinen Unterhaltsbedarf durch Erwerbstätigkeit selbst decken muss.
Wird auch bei minderjährigen Kindern ein fiktives Einkommen angerechnet?
In älteren Entscheidungen wurde dies oftmals noch verneint. So hat das OLG Stuttgart im Jahr 1996 noch entschieden, dass ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind zwar seine Erwerbsobliegenheit verletzen würde, wenn es sich nach Schulabschluss nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht; dies führe jedoch anders als bei sonstigen Unterhaltsberechtigten nicht zur Anrechnung fiktiver Einkünfte.
Die neuere Rechtsprechung (z. B.: OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.06.2010, II-8 WF 117/10) geht allerdings überwiegend davon aus, dass minderjährige Kinder, die nicht mehr den Einschränkungen des JArbSchG und der vollzeitigen Schulpflicht unterliegen, von einer Erwerbspflicht nicht entbunden sind. Sind beim minderjährigen Kind fiktive Einkünfte anzurechnen, ist zu beachten, dass die Anrechnung eines solchen fiktiven Einkommens dem barunterhaltspflichtigen Elternteil wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nur zur Hälfte zugutekommt, so dass die Anrechnung nicht zu einem völligen Wegfall des Unterhaltsanspruches führen muss.
Wenn ein schulpflichtiges Kind Einkünfte erzielt
Für den Fall, dass ein schulpflichtiges Kind Einkünfte erzielt, stammen diese aus unzumutbarer Tätigkeit und sind nur nach Billigkeit entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen (BGH, Urteil v. 25.01.1995, XII ZR 240/93). In der Regel nicht anzurechnen ist bei einem Schüler ein Verdienst aus einer Nebentätigkeit zur Aufbesserung des Taschengeldes oder zur Erfüllung von Sonderwünschen.
Was gilt für die Ausbildungsvergütung?
Eine Ausnahme bildet die Ausbildungsvergütung, die als Erwerbseinkommen bedarfsmindernd anzurechnen ist. Bei unterhaltsberechtigten Kindern, die sich noch in der Ausbildung befinden, mindern Kosten, die im Rahmen der Ausbildung entstehen die Ausbildungsvergütung. Die Unterhaltsleitlinien zahlreicher Oberlandesgerichte sehen daher eine pauschale Kürzung der Ausbildungsvergütung um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf vor. Dieser beläuft sich derzeit auf 90 € bis 100 €. Bei dem Abzug dieses Betrages handelt es sich nicht um eine berufsbedingte Pauschale, sondern um eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf. Dieser findet seine Rechtfertigung neben sonstigen berufsbedingten Aufwendungen in einem Arbeitsanreiz und in der Notwendigkeit der Anschaffung von Büchern, sonstigen Lernmitteln und Einrichtungsgegenständen, die bei einem Arbeitnehmer normaler Weise nicht anfallen bzw. durch steuerliche Absetzung einen gewissen Ausgleich finden.
Fahrtkosten zum Ausbildungsort
Eine Verrechnung mit Fahrtkosten findet daher nicht statt. Die tatsächlich entstandenen berufsbedingten Fahrtkosten bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnort und Berufsschule bzw. Wohnort und Ausbildungsstätte sind regelmäßig in voller Höhe bei der Ermittlung des eigenen Einkommens eines Ausbildungsunterhalt verlangenden Kindes zu berücksichtigen.
Entlastung des Barunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils
Wenn bei einem minderjährigen Auszubildenden ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt und der nicht betreuende Elternteil für den gesamten Barunterhalt des Kindes haftet, müssen beide Elternteile angesichts der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) zu gleichen Teilen durch das Einkommen des Kindes entlastet werden. Deshalb wird die – ggf. um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf bereinigte – Ausbildungsvergütung nur zur Hälfte auf den Barunterhalt angerechnet.
Behandlung des ersten Monats der Ausbildung
Fraglich ist oftmals die Behandlung des ersten Monats der Ausbildung, wenn die Ausbildungsvergütung erst nachschüssig gezahlt wird.
Nach überwiegender Ansicht entfällt oder reduziert sich der Kindesunterhaltsanspruch eines Minderjährigen, der eine Ausbildung aufnimmt, gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil für den gesamten Monat nach der Auslegung des § 1602 Abs. 1 BGB ab dem Beginn desjenigen Monats, in dessen Verlauf die erste Ausbildungsvergütung tatsächlich ausgezahlt wird.
Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages oder Beginns der Arbeitsaufnahme kommt es demgegenüber nicht entscheidend an.
Eigenes Vermögen des minderjährigen Kindes
Aus § 1602 Abs. 2 BGB folgt, dass minderjährige unverheiratete Kinder lediglich die Einkünfte aus ihrem Vermögen, nicht jedoch das Vermögen selbst, bedarfsdeckend zu verwenden haben. Zu unterscheiden ist also der Vermögensstamm von den Vermögenserträgen (z.B. Zinsen, Dividenden etc.). Zu Vermögenserträgen zählen auch Mieterträge aus der Vermietung einer eigenen Wohnung (Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1602 BGB, Rz. 142).