Bedingte Erbeinsetzung nur für bestimmten Geschehensablauf
Eine testamentarische Verfügung, die eine Person als Erben für den Fall einsetzt, dass der Erblasserin und ihrem Bruder „auf den Reisen etwas passieren“ sollte, enthält eine echte Bedingung. Die nur für diesen Fall angeordnete Erbeinsetzung einer Person ist rechtlich nicht als Einsetzung zum Schlusserben zu werten.
Bedingte Erbeinsetzung
Die Erblasserin begab sich zu Lebzeiten mehrfach gemeinsam mit ihrem 9 Jahre jüngeren Bruder auf Reisen. Mit eigenhändigem Testament hatte sie im Alter von 71 Jahren die mit ihr befreundete Ehefrau des Sohnes ihres Lebensgefährten für den Fall zu ihrer Alleinerbin bestimmt, dass ihr und ihrem Bruder „auf den Reisen etwas passieren“ sollte.
Konkurrierende Erbscheinanträge
Nach dem Tod der Erblasserin nahm der Bruder als der alleinige gesetzliche Erbe die Erbschaft an, verstarb aber nach wenigen Monaten selbst. Der für die gesetzlichen Erben des Bruders eingesetzte Nachlasspfleger – im Erbscheinverfahren Beteiligter zu 2 - wie auch die in dem Testament der Erblasserin bedachte ehemalige Freundin - Beteiligte zu 1 - beantragten jeweils beim zuständigen Nachlassgericht die Ausstellung eines Erbscheins.
Erbscheinantrag des Nachlasspflegers zurückgewiesen
Das Nachlassgericht hat den Antrag des Nachlasspflegers auf Erteilung des Erbscheins unter Hinweis auf die testamentarische Einsetzung der ehemaligen Freundin und Beteiligte zu 1 als Alleinerbin zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Nachlasspflegers hatte beim OLG Erfolg.
Testament lediglich als Foto auf dem Smartphone vorgelegt
Das Beschwerdegericht ging in seiner Entscheidung zunächst davon aus, dass die Erblasserin wirksam eine testamentarische Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 verfügt hatte. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die Beteiligte zu 1 das Original des Testaments nicht vorlegte, sondern lediglich eine Fotografie des Testaments auf ihrem Smartphone vorweisen konnte. Eine bloße Fotografie eines Testaments ist in der Regel im Hinblick auf die in § 2247 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Formstrenge von Testamenten in der Regel kein hinreichender Nachweis für die wirksame Errichtung eines Testaments durch den Erblasser.
Strenge Beweisanforderungen an Testamentsfotografie
Eine Fotografie kann laut OLG jedoch dann als Nachweis ausreichend sein, wenn an dem ursprünglichen Vorhandensein des Originals keine vernünftigen Zweifel bestehen (OLG Hamburg, Beschluss v. 7.8.2016, 2 W 49/16). Im Ergebnis unterliege auch die Kopie einer Testamentsurkunde der freien Beweiswürdigung des Gerichts, wobei an die Beweisführung in einem solchen Fall allerdings strenge Anforderungen zu stellen seien (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 8.10.2015, 11 Wx 78/14).
Keine Zweifel an Echtheit des Testaments
Das Gericht hatte zur Errichtung des Testaments durch die Erblasserin Beweis erhoben und Zeugen vernommen. Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Schrift auf dem Foto des Testaments um die Handschrift der Erblasserin handelte und aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen keine Zweifel an der Authentizität des Testaments bestanden.
Testament ist auslegungsbedürftig
Dieses Ergebnis führte allerdings nicht zur Anerkennung der Erbenstellung der Beteiligten zu 1. Das OLG stellte klar, dass die Formulierung in dem Testament „sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren“ auslegungsbedürftig ist. Nehme der Text eines Testaments in Form eines Konditionalsatzes auf bestimmte Umstände Bezug, stelle sich die Frage, ob der Erblasser seine Anordnung von einer Bedingung abhängig machen wollte (BayObLG, Beschluss v. 20.7.1993, 1 Z BR 63/92). Entscheidend für die Auslegung sei die Beantwortung der Frage, ob der Erblasser die Erbeinsetzung mit einem bestimmten, zum Tod führenden Geschehen und/oder mit einem bestimmten Todeszeitpunkt zu verknüpfen wollte oder ob die Erbeinsetzung auch unabhängig davon gelten sollte.
Erbeinsetzung nur für bestimmten Geschehensablauf
Nach Auffassung des OLG bestand im konkreten Fall eine enge Verknüpfung zwischen einem gegebenenfalls zum Tod führenden Geschehen auf den gemeinsamen Reisen und der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1. Nur für den Fall, dass sowohl der Erblasserin als auch ihrem Bruder auf ihren Reisen etwas passiert, d.h. dass beide zu Tode kommen, habe die Erblasserin die Beteiligte zu 1 zu ihrer Alleinerbin einsetzen wollen. Die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments bereits 71 Jahre alt gewesen. Ihr einziger naher Angehöriger sei ihr 9 Jahre jüngerer Bruder gewesen, der sie im Fall ihres Vorversterbens allein beerben würde. Daran habe die Erblasserin auch nichts ändern wollen. Lediglich für den Fall, dass ihr Bruder sie nicht beerben könne, weil er bereits vor ihr oder mit ihr verstirbt, habe sie die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin eingesetzt.
Keine echte Schlusserbeneinsetzung
Demgegenüber hatte die Erblasserin nach der Auslegung des Gerichts für den Fall, dass ihr Bruder nach ihrem Tod ihr gesetzlicher Erbe wird, keine Bestimmung getroffen. Hierzu habe sie auch keine Veranlassung gehabt. Die Beziehung zwischen der Erblasserin und ihrem Bruder sei eng gewesen, der Bruder habe Bankvollmacht über die Konten der Erblasserin gehabt und sich vor ihrem Tod im Altenheim um sie gekümmert. Sie habe weder Veranlassung gehabt, die Beteiligte zu 1 für den Fall ihres Ablebens vor ihrem Bruder als Alleinerbin noch, diese als Schlusserbin nach dem Tod ihres Bruders einzusetzen.
Beschwerde des Nachlasspflegers erfolgreich
Im Ergebnis hat das OLG das Nachlassgericht angewiesen, dem Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, das der Bruder der Erblasserin ihr alleiniger Erbe war.
(OLG München, Beschluss v. 7.10.2025, 33 Wx 25/25 e)
Hintergrund:
Zur Auslegung von letztwilligen Verfügungen bei auslegungsbedürftigen Formulierungen existiert eine lange Reihe unterschiedlicher Gerichtsurteile. Die testamentarische Einsetzung eines Erben muss danach so konkret sein, dass im Zeitpunkt des Erbfalls anhand objektiver Kriterien ermittelt werden kann, wer unter welchen Umständen Erbe werden soll. Subjektive Wertungen - auch seitens eines Gerichts - sind hierbei nicht zulässig. Erblasser sollten sich also um möglichst exakte Formulierungen in letztwilligen Verfügungen bemühen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass ihr letzter Wille mangels Bestimmtheit nicht umgesetzt wird.
- Die Formulierung, Erbe soll derjenige sein, der es mit dem Sohn „besonders gut konnte“ ist nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe zu vage. Was der Erblasser mit dieser Formulierung gemeint habe, sei nach objektiven Kriterien nicht eindeutig zu ermitteln (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 10.7.2025,14 W 36/24).
- Auch eine testamentarische Verfügung, wonach diejenige Person zum Alleinerben bestimmt wird, die „mich bis zu meinem Tod pflegt und betreut“, ist ohne weiterführende Angaben zu unbestimmt und führt zur Unwirksamkeit des Testaments (OLG München, Beschluss v. 25.9.2023, 33 Wx 38/23e).
- Nicht wirksam ist die Einsetzung einer Person als Erbe, die dem Erblasser in den letzten Jahren bis zu seinem Tod „beistehen“ wird (BayObLG, Beschluss v. 27.11.1990, 1a Z 76/88) oder „der auf mich aufpasst und nicht ins Heim steckt“ (OLG Braunschweig, Beschluss v. 20.3.2019, 1 W 42/17).
- Zu unbestimmt ist in einem gemeinschaftlichen Testament die Verfügung, Erbe soll sein, „wer den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat“ (OLG Köln, Beschluss v. 14.11.2016, 2 Wx 536/16).
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