Gesetzestext

 

(1) Wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Der Pfleger hat die Pflicht und das Recht, die ihm übertragenen Angelegenheiten im Interesse des Pfleglings zu dessen Wohl zu besorgen und diesen zu vertreten.

(2) Wird eine Pflegschaft erforderlich, so haben die Eltern oder der Vormund dies dem Familiengericht unverzüglich anzuzeigen.

 

Rn 1

Normzweck. Die Pflegschaft weist zahlreiche Parallelen zu Vormundschaft (§§ 1773 ff), Betreuung (§§ 1814 ff) und Beistandschaft (§§ 1712 ff) auf, da auch sie als eine gerichtlich angeordnete Fürsorgetätigkeit für Personen (Ausn § 1883) vorgesehen ist, die ihre Angelegenheiten nicht selbst wahrnehmen können. Im Gegensatz zur Vormundschaft ist die Pflegschaft jedoch nicht als umfassendes Sorgeverhältnis ausgestaltet, sondern dient nur der Besorgung bestimmter Angelegenheiten. Praktische Bedeutung hat besonders die Ergänzungspflegschaft für Minderjährige (§§ 1809, 1811), die – soweit notwendig – den Ersatz eines Teils der elterlichen oder vormundschaftlichen Sorge erlaubt.

 

Rn 2

Die Pflegschaft wird abschließend in den §§ 1809 ff u 1882 ff geregelt. Ergänzt werden diese Normen durch die Sonderregelung für die Beistandschaft (§§ 1712 ff) und die Nachlasspflegschaft (§§ 1960, 1961). Eine analoge Anwendung der Pflegschaftsregeln auf andere Fälle eines konkreten Schutzbedürfnisses ist nicht möglich. Soweit in anderen Normen außerhalb des BGB aber Pflegschaften oder ähnliche Fürsorgemaßnahmen angeordnet sind (zB § 16 VwVfG, § 207 BauGB, §§ 290 ff, 433 StPO), können ggf die Regeln über die Führung der Pflegschaft entspr Anwendung finden, soweit das mit dem Zweck der anordnenden Normen vereinbar ist (Soergel/Zimmermann Vor § 1909 aF Rz 8).

 

Rn 3

Die Anordnung der Pflegschaft beschränkt die vorhandene Geschäftsfähigkeit des Pfleglings nicht. Der Pfleger hat lediglich iRd ihm mit der gesetzlichen Anordnung zugewiesenen Aufgabenkreises die gesetzliche Vertretung des Pfleglings. Die Pflegschaft endet grds mit ihrer Aufhebung (§§ 1812 I, 1886), ausnw kraft Gesetzes (§§ 1812 II, 1887). Sind Vormundschaft und Pflegschaft gleichzeitig angeordnet, geht die Pflegschaft idR vor, soweit nicht bestimmte Angelegenheiten dem Pfleger und dem Vormund zur gemeinsamen Wahrnehmung übertragen worden sind (§ 1789 I).

 

Rn 4

Verfahren: Bei der Pflegschaft über Minderjährige sind idR die Vorschriften über die Vormundschaft (s § 1813) bzw bei sonstigen Pflegschaften die Vorschriften des Betreuungsrechts (s § 1888) entspr anwendbar, soweit sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Die Pflegschaft bedarf stets einer ausdrücklichen Anordnung (§§ 1809 ff, 1882 ff), die grds vAw zu erfolgen hat; es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Für die Bestellung und Beaufsichtigung des Pflegers ist idR das FamG (nicht zB in Verfahren nach § 96 GBO; 342 I Nr 2 FamFG) zuständig, soweit die Pflegschaft einen Minderjährigen oder ein ungeborenes Kind betrifft (§ 151 Nr 5 FamFG). Die übrigen Pflegschaftssachen sind den Betreuungsgerichten zugewiesen (§ 340 Nr 1 FamFG).

 

Rn 5

Internationales Privatrecht: s Art 24 EGBGB.

 

Rn 6

Normzweck. § 1809 regelt die Voraussetzungen der Ergänzungspflegschaft. Die bisher in § 1909 aF geregelte Zuwendungspflegschaft wird nun in § 1811 geregelt. Die bisher in § 1909 III aF vorgesehene Möglichkeit der Ersatzpflegschaft entfällt. Durch Einführung des vorläufigen Vormunds gem § 1774 II gibt es keinen Anwendungsbereich für den Ersatzpfleger mehr. Die bisher von § 1909 III aF erfassten Fälle, in denen zwar die Voraussetzungen der Vormundschaft vorliegen, jedoch die Angelegenheiten nicht aufgeschoben werden können, bis der Vormund bestellt ist, können nunmehr durch die Bestellung des Vereins oder des Jugendamtes als vorläufigen Vormund gelöst werden (BTDrs 19/24445, 225 f).

 

Rn 7

Nach § 1809 I 1 kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur derjenige einen Pfleger erhalten, der unter elterlicher Sorge (ggf auch eines alleinsorgeberechtigten Elternteils: BayObLG FamRZ 89, 1342, 1343) oder Vormundschaft steht. Für Volljährige findet die Vorschrift keine Anwendung. Die Pflegschaft kann für die Erledigung einzelner Rechtshandlungen oder für eine rechtliche Vertretung von unbestimmter Dauer angeordnet werden (zur Abgrenzung: BayObLG Rpfleger 81, 302). Der Pfleger tritt iRd Bestellung anstelle der Eltern und des Vormunds und verdrängt in diesem Bereich die elterliche Sorge (§ 1630 I) und die Vormundschaft (§ 1774).

 

Rn 8

Voraussetzungen der Pflegerbestellung. Nur im Fall der Verhinderung des Trägers der elterlichen Sorge oder des Vormunds kommt die Bestellung eines Pflegers in Betracht. Bei der Verhinderung kann es sich sowohl um eine rechtliche als auch eine tatsächliche handeln (zB §§ 1629 IIa, 1666–1667, 1673, 1674, 1789 II, 1824), für eine bestimmte Aufgabe oder einen Aufgabenkreis aus den Bereichen der Personen- oder Vermögenssorge (Brandbg FamRZ 15, 1044). Worauf...

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