Gesetzestext

 

(1) 1Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. 2Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.

(2) Das Nachlassgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses anordnen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen.

(3) Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Nachlasspfleger keine Anwendung.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift, insb die Nachlasspflegschaft (Rn 19), dient der Wahrung der Interessen der noch nicht oder noch nicht sicher bekannten Erben. Die Nachlasspflegschaft hat iÜ keinen Vorrang vor anderen Möglichkeiten zur Klärung der Rechtslage etwa dem Aufgebotsverfahren nach § 1170 (BGH NJW 14, 693). Nach dem Erbfall ist der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers für alle sich aus der Erbschaft ergebenden Angelegenheiten zuständig. Der Staat greift in die privaten Nachlassangelegenheiten des Erben daher grds nicht ein. Bestehen von Seiten des Nachlassgerichts keine Zweifel an der Existenz der Erben, ihrer Identität, Erbberechtigung und Erbschaftsannahme, werden keine staatlichen Fürsorgemaßnahmen ergriffen (Ddorf FamRZ 95, 895). Dies gilt selbst dann, wenn bei Zerstrittenheit der vorhandenen Erben ein Tätigwerden sinnvoll erscheint (Zweibr Rpfleger 86, 433). Möglich ist hier jedoch ein Verfahren nach §§ 343 ff FamFG.

 

Rn 2

Die Anordnung der Nachlasssicherung ist nur hinsichtlich eines Erbteils zulässig, für den die Voraussetzungen des § 1960 vorliegen (Tidow RPfleger 91, 400). Sind die Erben teils unbekannt, teils ermittelt und teils unbekannten Aufenthalts kommt damit nicht etwa eine Nachlasspflegschaft für alle Erben (den gesamten Nachlass), sondern allein eine ›Teilnachlasspflegschaft‹ in Betracht, auch zu dem Zweck der Erbauseinandersetzung (Hamm ZEV 15, 364; Zimmermann FGPrax 04, 198; aA Ddorf FamRZ 19, 174; München ZEV 19, 267: kein Sicherungsinteresse). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, ist er aber unbekannten Aufenthalts, kommt eine Abwesenheitspflegschaft (§ 1884) in Betracht; hat er die Erbschaft noch nicht angenommen, kommt die Nachlasspflegschaft in Betracht (Frankf FamRZ 16, 1502).

B. Nachlasssicherung.

 

Rn 3

Es besteht (nach weitgehender Aufhebung aller landesrechtlichen Ausnahmen: vgl jedoch Art 37 I BayAGGVG) keine Verpflichtung des Nachlassgerichts, bei einem Erbfall tätig zu werden, die Erben zu ermitteln oder um deren Annahme nachzusuchen. Ist unbekannt, wer Erbe geworden ist oder ist die Erbschaft noch nicht angenommen, kann das Nachlassgericht Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Dagegen ist das Nachlassgericht zur Sicherung des Nachlasses verpflichtet, wenn der Erbe unbekannt ist und ein Sicherungsbedürfnis besteht. Es hat die Voraussetzungen vAw zu prüfen und festzustellen, und zwar unabhängig davon, ob umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen anstehen (BayObLG NJW-RR 99, 157 [KG Berlin 24.02.1998 - 1 W 364/98]). Ob die Ermittlung des Erben möglich sein wird, hat der Nachlasspfleger zu entscheiden.

 

Rn 4

Mit dem Wegfall zumindest einer Voraussetzung für die Nachlasssicherung sind die getroffenen Maßnahmen unverzüglich aufzuheben (MüKo/Leipold § 1960 Rz 27); bis zur Aufhebung ist die angeordnete Pflegschaft wirksam (BGHZ 49, 1). Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung bei der Beauftragung und Beaufsichtigung des Nachlasspflegers führt zur Amtshaftung ggü dem Erben gem § 839, Art 34 GG (Tidow Rpfleger 91, 400).

I. Unbekannter Erbe.

 

Rn 5

Ein Erbe ist aus Sicht des Nachlassgerichts unbekannt iSd § 1960, wenn nicht mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, wer Erbe ist (München ZEV 18, 704 [OLG München 16.08.2018 - 31 Wx 145/18]; Frankf ZEV 20, 95 [BFH 03.09.2019 - IX R 8/18]), etwa bei bereits erteiltem Erbschein, es sei denn, eine erfolgversprechende Beschwerde ist eingelegt (München FamRZ 20, 1879). Entspr gilt, wenn zwar mehrere Erben in Betracht kommen, das Nachlassgericht sich aber nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer von ihnen tatsächlich Erbe ist (Stuttg NJW-Spezial 15, 648), etwa bei Ungewissheit über die Gültigkeit eines Testaments (BayObLG FamRZ 96, 308), bei zahlreichen Testamenten (Ddorf Rpflger 16, 293), bei konkreten Anhaltspunkten für Testierunfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des Testaments (Ddorf ErbR 12, 345), wenn die Geburt eines weiteren Erben erwartet wird, bei einer Erbunwürdigkeitsklage (Staud/Mesina § 1960 Rz 8), eine noch zu errichtende Stiftung als Erbe berufen ist oder bei Zweifel an der Verwandtschaft einer Person (Stuttg NJW 75, 880 [OLG Stuttgart 06.02.1975 - 8 W 93/74]). Unbekannt ist der Erbe insbes auch dann, wenn ein nicht offensichtlich unbegründeter Streit mehrerer Erbprätendenten über die eingetretene Erbfolge besteht (BGH ZEV 13, 36 [BGH 17.07.2012 - IV ZB 23/11]). Besteht danach ein Sicherungsbedürfnis, muss das Nachlassgericht geeignete Maßnahmen treffen. Ist der Erbe namentlich be...

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