Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft.

2. Für die Frage, ob der "Erbe unbekannt" ist und ob ein Sicherungsbedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts bzw. des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle getretenen Beschwerdegerichts aus zu beurteilen. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.

3. Die Erteilung einer (General)Vollmacht durch den Erblasser, die über dessen Tod bis zum Widerruf durch die Erben fortgilt, steht bereits deswegen einem Sicherungsbedürfnis hinsichtlich der Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht entgegen, wenn der wirksam bestellte Nachlasspfleger in Ausübung seines Amtes mittlerweile die Vollmacht wirksam widerrufen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1960-1961; FamFG § 47

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 622 VI 590/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 13.3.2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7950,65 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegen im Ergebnis die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB betreffend den Nachlass des Erblassers und die Bestellung des Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger durch das Nachlassgericht vor.

1. Gemäß § 1960 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kann das Nachlassgericht dem unbekannten Erben einen Nachlasspfleger bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht.

a) Dabei ist die Frage, ob der Erbe "unbekannt" ist und ob ein Sicherungsbedürfnis besteht, vom Standpunkt des Nachlassgerichts bzw. des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle getretenen Beschwerdegerichts aus zu beurteilen, wobei der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sicherungsmaßnahme maßgebend ist (OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585 m.w.N.).

Unbekannt ist die Person (der) Erben aus Sicht des Nachlassgerichts, wenn nicht mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, wer Erbe ist, sei es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen.

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze stehen die gesetzlichen Erben des Erblassers weder mütterlich noch väterlich abschließend fest.

aa) Hinsichtlich der in Betracht kommenden gesetzlichen Erben der dritten Ordnung väterlicherseits liegen derzeit keine urkundlich belastbare Erkenntnisse vor. Gleiches gilt hinsichtlich der in Betracht kommenden gesetzlichen Erben der dritten Ordnung mütterlicherseits.

bb) Die Beteiligte zu 1 selbst hat zwar in dem Antwortschreiben an das Nachlassgericht vom 22.1.2018 angegeben, einen Erbschein betreffend die Rechtsnachfolge des Erblassers zu benötigen, worin die schlüssige Annahme der Erbschaft erblickt werden kann (vgl. Palandt/Weidlich BGB 77. Auflage ≪2018 ≫ § 1943 Rn. 2). Ob diese aber tatsächlich gesetzliche Erbin ist, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Entsprechende Nachweise für das von ihr erklärte Verwandtschaftsverhältnis liegen derzeit ebenfalls noch nicht vor. Die von ihr vorgelegten Geburtsurkunden belegen nicht umfassend und abschließend ihre Verwandtschaft zu dem Erblasser. Vorgelegt wurden zunächst lediglich die Geburtsurkunde des Erblassers sowie die der Beschwerdeführerin. Insoweit fehlt weiterhin der Nachweis, dass die Mutter des Erblassers wie auch die Mutter der Beschwerdeführerin von "XXX und XXX" abstammen. Insofern fehlen die Geburtsurkunde von "XXX" und "XXX". Diese können nach der Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten derzeit nicht vorgelegt werden. Vorhanden sind lediglich die entsprechenden Sterbeurkunden. Insoweit ist ihre Verwandtschaft zu dem Erblasser auch weiterhin nicht hinreichend geklärt, so dass derzeit keine hohe Wahrscheinlichkeit für ihr gesetzliches Erbrecht besteht.

2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht auch ein Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 1960 Abs. 1 BGB für die Anordnung der Nachlasspflegschaft.

a) Ein solches ist dann gegeben, wenn ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet ist, was sich nach dem Interesse des endgültigen Erben beurteilt. Es kann fehlen, wenn dringliche Nachlassangelegenheiten bereits von einer bevollmächtigten handlungsfähigen Person erledigt werden und missbräuchliche Verfügungen vor Erbscheinserteilung ausgeschlossen sind (OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585 m.w.N.).

Ein solches Bedürfnis ist aber auch ohne eine konkrete Gefährdung des Nachlasses anzunehmen, wenn der Erbe unbekannt ist und dieser ohne Ermittlung durch das Nachlassgericht bzw. durch einen Nachlasspfleger niemals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten würde (OLG Hamm FamRZ 2015, 2196, 2197). Denn bei der Nachlasspflegschaft im Sinne des § 1960 BGB handelte es sich nicht um eine Vermögens-, sondern um eine Personenpflegschaft (KG NJW 1971, 565, 566). Die Erbenermit...

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