Gesetzestext

 

(1) Das Familiengericht hat die Vormundschaft für einen Minderjährigen anzuordnen und ihm einen Vormund zu bestellen, wenn

1. er nicht unter elterlicher Sorge steht,
2. seine Eltern nicht berechtigt sind, ihn in den seine Person und sein Vermögen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten, oder
3. sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.

(2) Ist anzunehmen, dass ein Kind mit seiner Geburt einen Vormund benötigt, so kann schon vor der Geburt des Kindes eine Vormundschaft angeordnet und ein Vormund bestellt werden. Die Bestellung wird mit der Geburt des Kindes wirksam.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Da Minderjährige entweder geschäftsunfähig (§ 104 Nr 1) oder nur beschränkt geschäftsfähig (§ 106) sind, können sie nicht selbst rechtsgeschäftlich uneingeschränkt für sich handeln. Sie werden daher insoweit durch ihre sorgeberechtigten Eltern gemeinsam vertreten (§§ 1626, 1629); bzw das nicht in einer Ehe geborene Kind wird idR durch seine Mutter vertreten (§ 1626a II). Entfällt die gesetzliche Vertretung durch die Sorgeberechtigten, so erhält der Minderjährige nach § 1773 bzw § 1680 II 2 einen Vormund als gesetzlichen Vertreter, um seine volle rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit wieder herzustellen. Zusätzlich obliegt dem Vormund auch die Sorge für den Minderjährigen. Für Kinder nicht verheirateter Eltern wird diese Vorschrift durch § 1786 ergänzt. Bei adoptierten Kindern tritt mit Einwilligung eines Elternteils in die Adoption Amtsvormundschaft des Jugendamtes ein (§ 1751 I).

B. Voraussetzungen der Anordnung der Vormundschaft.

 

Rn 2

I stellt klar, dass die Vormundschaft grds (mit Ausnahme der Vormundschaft kraft Gesetzes nach § 1751 I 2 und § 1786) nicht von selbst eintritt, sondern angeordnet werden muss.

Die Vormundschaft kann nur für Minderjährige angeordnet werden. Sie endet daher automatisch mit der Volljährigkeit des Mündels (§§ 2, 1806). Besteht über den Mündigkeitstermin hinaus ein weiterer Fürsorgebedarf, so muss ein Betreuer bestellt werden (vgl § 1814).

C. Fallgruppen.

 

Rn 3

Eine Vormundschaft wird nach I in drei Fällen angeordnet: Nach Nr 1, wenn der Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge steht (§ 1626), wenn also ein eheliches Kind keinen lebenden Elternteil mehr hat oder bei einem nicht in einer Ehe geborenem Kind die Mutter verstirbt, ohne dass zuvor eine Sorgerechtserklärung (§ 1626a I) abgegeben wurde. Nach Nr 2, wenn die Sorgeberechtigten sowohl von der Personen- als auch von der Vermögenssorge ausgeschlossen sind bzw ihr Sorgerecht für beide Sorgebereiche ruht (§§ 1673 ff). Dies ist etwa der Fall, wenn der alleinsorgeberechtigten Mutter, beiden sorgeberechtigten Elternteilen bzw dem überlebenden Elternteil, die elterliche Sorge vollständig entzogen wurde (§ 1666). Auch wenn der oder die Sorgeberechtigten selbst unter Betreuung stehen, nimmt nicht der Betreuer die Vormundschaft wahr, sondern das Kind muss einen Vormund erhalten (§ 1814). Ist hingegen nur ein Teilbereich der elterlichen Sorge (zB nur die Personen- oder die Vermögenssorge) entzogen, so genügt die Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1809) für diesen Teilbereich. Sind beide Eltern vorhanden, aber nur einer von ihnen sorgeberechtigt, so wird das FamG für den Fall, dass der sorgeberechtigte Elternteil verstirbt oder auf andere Weise sein Sorgerecht verliert, idR die Alleinsorge auf den anderen Elternteil übertragen (§ 1680 I u II) soweit dies nicht dem Kindeswohl widerspricht (BayObLG NJWE-FER 98, 269). Ist hingegen nur ein Elternteil von der Vertretung ausgeschlossen (§ 1638), so wird der Minderjährige vom anderen Elternteil allein vertreten, soweit dieser nicht ausnahmsweise (§ 1629 II 1 u III) ausgeschlossen ist, was für den konkreten Fall vor Anordnung der Vormundschaft durch das Gericht zu klären ist (Saarbr JAmt 04, 163). Nach Nr 3 ist außerdem für Findelkinder ein Vormund zu bestellen, wenn der Familienstand nicht zu ermitteln ist, (§§ 25, 26 PStG, 152 III FamFG). Ist der Familienstand lediglich bestritten, kommt nur die Anordnung einer Pflegschaft (§ 1809) in Betracht.

 

Rn 4

II bestimmt, dass soweit erforderlich auch bereits vor der Geburt eines Kindes, wenn feststeht, dass dieses im Zeitpunkt seiner Geburt eines Vormundes bedürfen wird, ein solcher bestellt werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn die nicht verheiratete Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes noch minderjährig oder geschäftsunfähig ist (§§ 1626a II, 1673 II). Der Eintritt einer Amtsvormundschaft des Jugendamtes (§ 1786 I 2) lässt sich auf diesem Wege vermeiden.

D. Mängel bei der Anordnung der Vormundschaft.

 

Rn 5

Örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeitsmängel führen idR nicht zur Unwirksamkeit der Anordnung (vgl Staud/Veit § 1774 aF Rz 27 ff). Elementare materielle Mängel der Anordnung der Vormundschaft, wie etwa die Anordnung der Vormundschaft für eine juristische Person, für einen bereits verstorbenen Mündel oder für einen Volljährigen führen genau, wie die Geschäftsunfähigkeit des bestellten Vormunds (§ 1780), zur Nichtigkeit der Anordnung (vgl Staud/Veit § 1774 aF Rz 32). Fehlen materielle Voraussetzungen für die Anordnung (so zB bei der Doppelanordnung der Vormundschaft),...

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