Gesetzestext

 

Das Nachlassgericht hat in den Fällen des § 1960 Abs. 1 einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift ermöglicht dem Nachlassgläubiger die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Nachlass bereits vor Annahme der Erbschaft (§ 1958 Rn 2). Ist der Erbe unbekannt, können die Nachlassgläubiger – auch ohne dass ein Sicherungsbedürfnis iSd § 1960 vorliegen muss (Brandbg ErbR 21, 686 [OLG Brandenburg 13.04.2021 - 3 W 35/21]) – die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen, um einen durch den Tod des Erblassers unterbrochenen Prozess fortzusetzen oder die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Auch das Betreiben der Zwangsvollstreckung stellt eine gerichtliche Geltendmachung dar, eine Pflegerbestellung kommt hier aber nur in Betracht, wenn die Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen wurde, da die Klauselerteilung gegen den Erben vor Annahme der Erbschaft an § 1958 scheitert; bei bereits gegen den Erblasser begonnener Zwangsvollstreckung ist anstelle des Nachlasspflegers ein Vertreter nach § 779 II ZPO zu bestellen, sodass es an einem Rechtsschutzbedürfnis für Maßnahmen nach § 1961 fehlt (München FamRZ 14, 966). Der Nachlasspfleger wird durch seine Bestellung in Bezug auf den Nachlass zum gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben und ist somit befugt, die Kündigung entgegenzunehmen und über die Art und Weise der Räumung zu verhandeln (Hamm ErbR 10, 367).

 

Rn 2

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft in Form einer sog Erbteilspflegschaft ist dann möglich, wenn nur ein Teil der Erben bekannt ist (§ 2160 Rn 2).

 

Rn 3

Gegen die Antragsablehnung steht dem antragstellenden Gläubiger das Recht zur Beschwerde nach § 58 FamFG zu (Hamm Rpfleger 87, 416 [OLG Hamm 03.07.1987 - 15 W 182/87]).

B. Antragstellung.

 

Rn 4

Antragsberechtigt ist der Nachlassgläubiger, der beabsichtigt, einen Anspruch gegen den Nachlass gerichtlich durchzusetzen und jeder, der berechtigt ist, eine Forderung des Nachlassgläubigers geltend zu machen (Soergel/Naczinsky § 1961 Rz 2). So ist etwa auf Antrag des Vermieters des Verstorbenen, wenn keine Erben festgestellt wurden, eine Nachlasspflegschaft anzuordnen mit dem Wirkungskreis der Vertretung der unbekannten Erben bei der Beendigung und Abwicklung des Wohnraummietverhältnisses (Hamm FamRZ 11, 63), und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger seinen Anspruch zugleich gerichtlich geltend macht (Köln ErbR 11, 94). Es genügt, dass der Vermieter den Anspruch zunächst außergerichtlich verfolgen will; die Voraussetzungen des § 1961 sind regelmäßig gegeben, wenn der Erbe unbekannt und der Vermieter des Verstorbenen einen Ansprechpartner benötigt, um die Kündigung des Mietvertrages aussprechen und die Räumung der Mietwohnung erreichen zu können (Köln FamRZ 11, 1251; KG NJW-Spezial 17, 611).

 

Rn 5

Der Antrag bedarf keiner Form, er kann auch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Nachlassgerichts (§ 1960 Rn 11). Er muss Angaben zur Inhaberschaft ggü dem Nachlass enthalten. Einer Glaubhaftmachung bedarf es nicht, er kann bei offensichtlicher Mutwilligkeit oder Unbegründetheit abgelehnt werden (MüKo/Leipold § 1961 Rz 8). Er ist abzulehnen, wenn Testamentsvollstreckung besteht, es sei denn die Wirksamkeit des Testaments ist zweifelhaft.

C. Voraussetzungen.

 

Rn 6

Ein Erbe ist bekannt, wenn der Erbschein erteilt ist oder die Gläubiger die zur sachgemäßen Rechtsverfolgung erforderlichen Tatsachen kennen (LG Oldenburg Rpfleger 82, 105). Dabei hat das Nachlassgericht insb die Situation des Nachlassgläubigers zu berücksichtigen, der ohne aufwendige Nachforschungen seine Rechte unmittelbar gegen den Erben geltend machen können soll (KG NJW-RR 99, 157 [KG Berlin 24.02.1998 - 1 W 364/98]).

 

Rn 7

Der Erbe muss unbekannt sein (§ 1960 Rn 5).

 

Rn 8

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist die Bestellung eines Nachlasspflegers zwingend, ein Ermessen des Nachlassgerichts besteht nicht.

 

Rn 9

Der Gläubiger muss dabei die gerichtliche Geltendmachung nicht sofort bezwecken (MüKo/Leipold § 1961 Rz 6); es reicht das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses (BayObLG FamRZ 03, 562).

D. Aufgabe des Nachlasspflegers.

 

Rn 10

Die Vertretungsbefugnis des Nachlasspflegers erstreckt sich, sofern keine Beschränkung des Wirkungskreises vorgenommen wurde, auch auf die Nachlasssicherung iSd § 1960 (Hamm Rpfleger 87, 416 [OLG Hamm 03.07.1987 - 15 W 182/87]) und erfasst auch den inländischen Nachlass eines Ausländers.

 

Rn 11

Das Amt des Nachlasspflegers endet mit der Aufhebung der Pflegschaft. War der Wirkungskreis auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt, endet das Amt mit der Erledigung dieser Aufgaben, §§ 1886 II, 1812.

 

Rn 12

Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners erforderlich, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen einstweiligen besonderen Vertreter des Erben zu bestellen, sofern weder die Nachlasspflegschaft angeordnet noch ein Testamentsvollstrecker bestimmt ist (LG Oldenburg Rpfleger 82, 105).

E. Kosten.

 

Rn 13

Für die Kosten de...

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