Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin - Nachlassgericht - vom 20.01.2021, Az. 31 VI 350/20, dahin abgeändert, dass eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Beendigung, Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses über die Wohnung im Haus ...straße 8, ... W..., gelegen im 1. Obergeschoss links, angeordnet wird.

2. Die Entscheidung über Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers wird dem Nachlassgericht übertragen.

 

Gründe

I. Die verwitwete und kinderlose Erblasserin war Mieterin einer Wohnung der Antragstellerin. Mit Antrag vom 29.10.2020 hat die Antragstellerin die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zur Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung beantragt und sich darauf berufen, dass die ihnen bekannten Erben die Erbschaft nach eigener Auskunft ausgeschlagen hätten und weitere Erben nicht bekannt seien.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20.01.2021 zurückgewiesen. Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB sei, dass die Erben unbekannt seien und sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden sei. Vorliegend seien die Erben nicht unbekannt, da jedenfalls die drei postalisch bekannten Erben über ihr Ausschlagungsrecht in Kenntnis gesetzt worden seien und die Frist verstrichen sei. Zudem sei nicht bekannt, ob ein sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden sei. Ein Antrag nach § 1961 BGB sei nicht gestellt worden.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie einwendet, die Voraussetzungen des § 1961 BGB lägen vor. Die Erben seien nicht bekannt. Als Erben kämen Brüder sowie Nichten und Neffen der Erblasserin in Betracht, deren Namen und Anschriften ihr - jedenfalls teilweise - unbekannt seien. Die Kündigung habe gegenüber allen Miterben zu erfolgen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht (§§ 63, 64 FamFG) eingelegt. Die Antragstellerin ist in Folge der Ablehnung ihres Antrags beschwert, § 59 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG ist nach dem erkennbaren vermögenswertem Interesse des Beteiligten erreicht.

2. Die Beschwerde ist begründet. Es kommt nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des

§ 1960 BGB gegeben sind. Denn die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft anzuordnen ist, sind erfüllt.

Nach der zwingenden Regelung des § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des §1960 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, und ein Nachlassgläubiger die Bestellung zum Zwecke der Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beantragt hat.

Die Erben des Erblassers sind derzeit unbekannt. Die Erbenermittlung seitens des Nachlassgerichts ist nach dessen eigenen Mitteilungen an die Antragstellerin nicht abgeschlossen. Es sind weitere Ermittlungen notwendig.

Ferner hat die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Vermieterin die Bestellung eines Nachlasspflegers "zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet", beantragt. Denn es geht ihr, wie bereits aus dem ursprünglichen Antrag auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 1961 BGB ersichtlich ist, darum, ihren Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB gegen den Nachlass durchzusetzen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. August 2017 - 19 W 102/17 -, juris). Dies entspricht dem Zweck des § 1961 BGB. Dabei ist die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB nicht auf den Fall beschränkt, dass der Gläubiger seine Ansprüche gegen den Nachlass sogleich gerichtlich geltend machen möchte. Vielmehr ist anerkannt, dass es genügt, wenn der Prozessweg nur notfalls beschritten, zuvor aber mit dem Gegner gütlich verhandelt und er zur außergerichtlichen Erfüllung der Ansprüche des Antragstellers bewegt werden soll (OLG Köln, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 2 Wx 198/10 -, juris).

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts steht der Anordnung auch nicht entgegen, dass kein sicherungsbedürftiger Nachlass existiert oder der Nachlass aller Voraussicht nach dürftig ist. Der Senat folgt der Auffassung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 20.03.2012, 31 Wx 81/12, juris) und des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Beschluss vom 07.05.2015, 8 W 49/15, juris). Beide Oberlandesgerichte weisen zutreffend darauf hin, dass die Anordnung der Nachlasspflegschaft unabhängig von diesen Umständen bei Vorliegen der Voraussetzungen des §1961 BGB zwingend zu erfolgen hat.

Für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gilt § 25 Abs. 1 GNotKG. Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet mangels eines Beschwerdegegners aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14472096

ZAP 2021, 1174

ZEV 2021, 472

MDR 2021, 315

ErbR 2021, 686

MietRB 2021, 226

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