Koalitionsvertrag 2013: Ziele im Arbeitsrecht erfüllt?

Der Countdown läuft: Bis zur nächsten Bundestagswahl am 24. September 2017 sind es nur noch wenige Monate. Zeit für einen arbeitsrechtlichen Rückblick: Was hat die Koalition 2013 geplant und was hat vor allem Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles davon bis heute umgesetzt?

Ein „modernes Arbeitsrecht“, hatte sich die "GroKo" vorgenommen. So steht es im Koalitionsvertrag geschrieben. Mindestlohn, Leiharbeit und Teilzeit waren nur einige, der in der Öffentlichkeit viel diskutierten Themen der vergangenen Jahre, bei der Neuausrichtung des Arbeitsrechts. 

Allgemeine gesetzliche Mindestlohnregelung

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist wohl eines der Ziele aus dem Koalitionsvertrag, dessen Umsetzung die umfangreichsten Auswirkungen hat. Während Union und FDP einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ablehnten und stattdessen auf tarifliche Vereinbarungen setzten, war für SPD und Grüne, die Einführung der Lohnuntergrenze erklärtes Ziel, welches dann auch im Koalitionsvertrag verankert wurde. Zum 1. Januar 2015 wurde dann ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt.

Umstritten waren vor allem die Sonderegeln für Praktikanten oder Langzeitarbeitslose. Auch 100 Tage nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ließ die Kritik an der Lohnuntergrenze aus der Wirtschaft und der Union nicht nach. Die erste Anpassung erfolgte 2017, der Mindestlohn stieg in Deutschland auf 8,84 Euro. Schwierig ist auch immer noch die Frage, welche Sonderzahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind.

Arbeitnehmerüberlassung weiterentwickeln

Die Reform der Leiharbeit war eines der Großprojekte von Arbeitsministerin Andrea Nahles. Nach langen Hin und Her ist die Umsetzung vollzogen: Seit April 2017 gilt das Gesetz zur Neuregelung von Leiharbeit und Werkverträgen (AÜG)  mit neuen Regeln zur Überlassungshöchstdauer und zu Equal Pay. Dies bringt weitreichende Änderungen für Arbeitgeber, die in ihrem Unternehmen Fremdpersonal einsetzen. Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien künftig eine Arbeitnehmerüberlassung erlaubt wird, geben die kürzlich veröffentlichten fachlichen Weisungen der Arbeitsagentur.  

Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern

Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verhindern, auch das steht seit 2013 im Koalitionsvertrag der Regierung. Dazu sei es unter anderem erforderlich, verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren.

Nach viel Kritik an den Regelungen zum Werkvertrag wurde der Gesetzentwurf nachgebessert. Seit April 2017 gilt nun das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen eindämmen soll. Nachzahlung, Strafverfolgung, Bußgeld: Nach Auffassung vieler Experten ist das Risiko beim Fremdpersonaleinsatz nach der AÜG-Reform gewachsen, weshalb es für Arbeitgeber umso wichtiger sei,das Fremdpersonal im eigenen Unternehmen zu identifizieren und Werkverträge bei Bedarf sicher von anderen Beschäftigungsformen abzugrenzen.

Tarifeinheit gesetzlich regeln

Um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollte die Koalition den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben. Am 3. Juli 2015 ist das umstrittene Tarifeinheitsgesetz in Kraft getreten. Unmittelbar danach haben mehrere kleine Gewerkschaften Verfassungsbeschwerde eingereicht: Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit sehen das Streikrecht eingeschränkt und wollen das Gesetz mit dem Gang nach Karlsruhe kippen. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt zurzeit über elf Gewerkschaftsklagen zur Verfassungsmäßigkeit des Tarifeinheitsgesetzes. Abschließende Urteile sind bislang noch nicht ergangen. Schon früh äußerte auch Prof. Dr. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, gegenüber dem Personalmagazin kritische Worte zur Verfassungsmäßigkeit. 

Beschäftigtendatenschutz gesetzlich regeln

Der Bundestag hat am 27. April 2017 ein neues Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verabschiedet, um die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; hierzu ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Philipp Byers), umzusetzen. Hierin wird auch der Beschäftigtendatenschutz neu geregelt. Der neue § 26 BDSG ist ausführlicher als die bisherige Regelung zum Datenschutz am Arbeitsplatz, § 32 BDSG. Der Bundesrat muss jedoch dem Gesetz noch zustimmen. (Update am 24.05.2017: Der Bundesrat hat zugestimmt.)

Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich beispielsweise wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, wollte die Koalition das Teilzeitrecht weiter entwickeln und einen Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit (Rückkehrrecht) sicherstellen. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat hierzu in diesem Jahr einen Gesetzentwurf für zeitlich befristete Teilzeit vorgelegt. Dieser stößt bei Arbeitgebern auf große Ablehnung und ist auch innerhalb der Koalition noch umstritten. (Update am 23.05.2017: Der Gesetzentwurf ist gescheitert.)

Ganzheitlicher Arbeitsschutz

Ein wichtiger Punkt auf der Agenda der "GroKo" war auch der Schutz von Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit. Dies sei ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung, hieß es. Durch das neue Mutterschutzgesetz wird auch der mutterschutzrechtliche Arbeitsschutz verstärkt. Der Bundestag hat das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzes verabschiedet. Die Reform tritt am 1.1.2018 in Kraft. Änderungen zum Schutz von Beschäftigten am Arbeitsplatz sind aber insbesondere durch die Reform der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) erfolgt. Diese ist 2016 in Kraft getreten und enthält unter anderem Neuregelungen zur Ausgestaltung des Arbeitsschutzes an Homeoffice-Arbeitsplätzen.

Allgemeinverbindlicherklärungen nach dem Tarifvertragsgesetz

Ein weiteres Ziel der Koalition, war die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen. Das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie ist im August 2014 in Kraft getreten. Es beinhaltet neben dem Mindestlohngesetz (MiLoG) auch Regelungen für die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit (AVE) von Tarifverträgen und die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen. Vor allem das bisher erforderliche Mindestquorum von 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei den tarifgebundenen Arbeitgebern, wurde damit aufgegeben. 

Arbeitnehmer-Entsendegesetz erweitern

Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) über die bereits dort genannten Branchen hinaus für alle Branchen öffnen. Dies ist so umgesetzt worden: Um einzelnen Branchen den Übergang in den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu erleichtern, wurde das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle Branchen geöffnet.