Sonderzahlungen und Zuschläge können Mindestlohnanspruch erfüllen
Eher ungewöhnlich schnell – bereits wenige Monate nach dem zweitinstanzlichen Urteil – hat nun das BAG erstmals zur Frage der Berechnung des Mindestlohns entschieden. Der Rechtsstreit betraf eine äußerst praxisrelevante Frage des Mindestlohngesetzes, bei der das BAG - wie es scheint - schnell für klare Verhältnisse sorgen wollte: die Anrechnung von Sonderzahlungen. Im Ergebnis bestätigte die Entscheidung der obersten Arbeitsrichter das Urteil der Vorinstanz.
Sonderzahlungen erfüllen prinzipiell den Mindestlohnanspruch
Inhaltlich stellten die BAG-Richter fest, dass Sonderzahlungen durchaus dafür herangezogen werden können, den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zu erfüllen. Der Arbeitgeber schulde den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Erfolgen nun Entgeltzahlungen als Gegenleistung für die geforderte Arbeit, so erfüllen diese den Mindestlohnanspruch, entschied das BAG. Sie sind also auf die gesetzlich geforderten 8,50 Euro anzurechnen, soweit die Zahlungen dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben.
Dagegen kommt solchen Entgeltzahlungen keine Erfüllungswirkung – sie sind also nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen, sondern zusätzliche Leistungen – zu, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt. Auch Zahlungen, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, zum Beispiel in § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), sind nicht auf die gesetzliche Lohnuntergrenze anzurechnen.
Fall: Zählen Sonderzahlungen zum Mindestlohn?
Im konkreten Fall klagte eine in Vollzeit beschäftigte Mitarbeiterin, deren Arbeitsvertrag neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vorsieht. Kurz vor der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns vereinbarte der Arbeitgeber im Dezember 2014 mit dem Betriebsrat eine Regelung über die Auszahlung der Jahressonderzahlungen.
Seit Januar 2015 zahlt das Unternehmen der Mitarbeiterin allmonatlich neben dem Bruttogehalt von 1.391,36 Euro je ein Zwölftel des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds, in der Summe also insgesamt 1.507,30 Euro brutto. Mit dieser zusätzlichen anteiligen Sonderzahlung ergibt sich ein Stundenlohn von mehr als 8,50 Euro.
BAG: Mindestlohn verändert nicht Anspruch auf Sonderzahlungen
Im Verfahren verlangte die Mitarbeiterin nun, dass das Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns geleistet werden müssen. Ebenso sollte die Grundlage von 8,50 Euro brutto pro Stunde für die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gelten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte der Frau Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 80 Cent brutto zugesprochen und im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Das BAG schloss sich nun der Meinung des LAG an und wies die Revision ab. Der gesetzliche Mindestlohn trete als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese aber nicht, argumentierten die Richter.
Sonderzahlung als Gegenleistung für tatsächlich geleistete Arbeit?
Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin sei erfüllt. Schließlich komme auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu, urteilte das BAG. Daher hatte die Mitarbeiterin aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen sowie erhöhte Lohnzuschläge.
Ausnahme Nachtzuschlag: Nicht auf Mindestlohn anzurechnen
Zu den Nachtarbeitszuschlägen hatte bereits die Vorinstanz, das LAG Berlin-Brandenburg, entschieden, dass diese auf der Basis des Mindestlohns von 8,50 Euro zu berechnen seien. Denn § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz schreibe einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer "zustehende Bruttoarbeitsentgelt" vor.
Das BAG billigte dieses Ergebnis, da die Nachtarbeitszuschläge nicht Gegenleistung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sind und damit nicht den Mindestlohnanspruch der Mitarbeiterin erfüllen. Vielmehr beruhen die Zahlungen auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung.
Hinweis: BAG, Urteil vom 25. Mai 2016, Az. 5 AZR 135/16; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2016, Az.19 Sa 1851/15
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