
Rund ein Drittel aller europäischen Beschäftigten beantwortet auch im Urlaub arbeitsbezogene Mails oder Telefonate. Das hat eine neue Studie des Technologieunternehmens SD Worx ergeben. Müssen Arbeitnehmende über das Diensthandy erreichbar sein oder Arbeitsmails checken? Oder gibt es ein Recht auf Nichterreichbarkeit?
Es ist Urlaubszeit, doch viele europäische Beschäftigte gönnen sich auch in ihren Ferien keine Zeit zum Abschalten vom Job. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Marktforschungsinstitut iVox im Auftrag des Softwareunternehmens SD Worx unter mehr als 10.119 Büroarbeitenden in Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Italien, Norwegen, Finnland und Schweden durchgeführt hat.
Danach sind rund 30 Prozent der befragten europäischen Beschäftigten auch während ihrer Urlaubstage für Kollegen oder Vorgesetzte erreichbar. Sie gaben an, auch in den Ferien hinsichtlich der Arbeit auf dem Laufenden zu bleiben und beispielsweise E-Mails zu lesen oder arbeitsbezogene Telefonate zu führen. Besonders norwegischen Arbeitnehmenden gelingt es danach nicht, von der Arbeit abzuschalten: 45 Prozent bleiben im Urlaub erreichbar. Nicht ganz so viele sind es in Deutschland. Hier gaben 23 Prozent der Befragten an, dass sie im Urlaub arbeitsbezogene E-Mails und Telefonate beantworten.
Der Regelfall: in der Freizeit Erholung statt Erreichbarkeit
Viele Berufstätige fürchten offensichtlich Konsequenzen, wenn sie außerhalb der Arbeitszeiten mal nicht für den Arbeitgeber oder Kollegen erreichbar sind. Wie ist dies rechtlich geregelt? Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind Beschäftigte in Deutschland grundsätzlich nur zu einer Erreichbarkeit im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit verpflichtet. Arbeitsfreie Zeit soll der Erholung dienen. Im Normalfall dürfen Diensthandy oder Laptop also abends, im Urlaub, an Feiertagen oder am Wochenende ausgeschaltet bleiben. Mögliche dienstliche Anrufe müssen nicht beantwortet werden.
Das Gleiche gilt für E-Mails oder Kurznachrichten – auch diese dürfen grundsätzlich ignoriert werden. Denn auch dies ist Arbeit und dient nicht der Erholung. Etwas anderes gilt selbstverständlich bei Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. In diesen Fällen müssen Mitarbeitende permanent erreichbar sein.
Was gilt für Führungskräfte?
Für Führungskräfte gilt rechtlich grundsätzlich nichts anderes. Auch für sie ist Freizeit zunächst arbeitsfreie Zeit. Eine Pflicht, permanent erreichbar zu sein, besteht nicht. Allerdings sind viele Führungskräfte freiwillig in Absprache mit dem Unternehmen für dringende Notfälle erreichbar, da es noch mehr als bei Arbeitnehmenden in ihrem eigenen Interesse ist, dass die Geschäfte auch während ihrer Abwesenheit gut laufen.
Erreichbarkeit rund um die Uhr: Blick in den Arbeitsvertrag hilft
Wann kann eine Erreichbarkeit auch außerhalb der Arbeitszeiten Pflicht sein? Gerade in höheren Positionen finden sich im Arbeitsvertrag häufig Regelungen zur Erreichbarkeit. In diesen Klauseln wird beispielsweise vereinbart, dass der Mitarbeitende gewährleisten muss, auch an freien Tagen innerhalb bestimmter Zeiten erreichbar zu sein oder einmal täglich seine Arbeitsmails abzurufen.
Allerdings gilt hier: Nicht jede Regelung im Arbeitsvertrag, die eine Erreichbarkeit auch am Wochenende, an Feiertagen oder im Urlaub vorsieht, ist auch rechtlich zulässig. Grundsätzlich sind hier die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Pausen, Ruhezeiten oder der Urlaub dienen der Erholung und Wiederherstellung der Arbeitskraft und damit letztendlich dem Gesundheitsschutz.
Hier muss zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und den Urlaubstagen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt, unterschieden werden. Nur für diese vertraglich vereinbarten Urlaubstage kann auch für die Erreichbarkeit etwas anderes gelten.
Kündigung wegen mangelnder Erreichbarkeit ist zweifelhaft
Mitarbeitende, die Anrufe vom Chef in ihrer Freizeit verweigern, müssen auch nicht mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber rechnen. Während des gesetzlichen Erholungsurlaubs oder gesetzlich vorgegebener Ruhezeiten haben Beschäftigte keine Pflicht zu arbeiten. Eine Kündigung wegen mangelnder Erreichbarkeit wäre also unwirksam. Eine solche Kündigung könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gegen eine Pflicht zur Erreichbarkeit verstoßen hat, die zulässig im Arbeitsvertrag vereinbart war.
Eine solche verhaltensbedingte Kündigung wäre jedoch ohne vorherige einschlägige Abmahnung ebenfalls unwirksam. Dem Arbeitnehmenden müsste zunächst ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen werden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist.
EU-Parlament plant Recht auf Nichterreichbarkeit
Bislang gibt es keine rechtliche Vorschrift zu einer Nichterreichbarkeit. Das soll sich künftig ändern: Mit einer großen Mehrheit hat das EU-Parlament entschieden, ein Recht auf Nichterreichbarkeit für Arbeitnehmende auf den Weg zu bringen. Diesen soll damit erlaubt sein, außerhalb ihrer Arbeitszeit keine arbeitsbezogenen Aufgaben erledigen zu müssen. Die Kommission soll nun einen gesetzlichen Rahmen schaffen, den die Mitgliedsstaaten dann umsetzen sollen. Mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit soll verbindlich geregelt werden, dass Diensthandy und Laptop aus bleiben dürfen, ohne dass Beschäftigte negative Folgen befürchten müssen.
EU-Richtlinie zu Erreichbarkeit: Verzicht auf Telefonate oder E-Mails im Urlaub und in der Freizeit
Außerhalb der regulären Arbeitszeiten, an Feiertagen, am Wochenende oder im Urlaub sollen sie weder Telefonate, E-Mails oder andere Formen der digitalen Kommunikation führen müssen. Ein solches Recht ist aus Sicht der Abgeordneten mittlerweile unerlässlich zum Schutz der Arbeitnehmenden, da die Gesundheit unter dem Druck ständiger Erreichbarkeit und durch übermäßig lange Arbeitszeiten leide.
Umsetzung durch Mitgliedstaaten: keine Entlassungen oder Benachteiligungen
Wie soll dieses Recht umgesetzt werden? Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Arbeitnehmenden dieses Recht tatsächlich in Anspruch nehmen können. Das soll zum Beispiel von den Sozialpartnern in Tarifverträgen vereinbart werden. Dabei müsse sichergestellt werden, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden in keiner Weise benachteiligen: Sie dürften nicht schlechter behandelt, angeprangert oder gar entlassen werden.
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Stimmt so nicht. Es genügt abzumahnen, auch wenn der Abmahngrund rechtlich nicht haltbar ist, dann einen Grund zu konstruieren oder herauszufordern aus dem gleichen Abmahnunsgrundtatbedtand ( hier: verhaltensbedingt), und schon ist man vor Gericht, die Richter prüfen das gar nicht, schlagen eine einvernehmliche Regelung vor und raus bist du. Verabschieden wir uns im Arbeitsrecht vollständig von der Vorstellung es handele sich um Rechtsprechung. Es ist egal was im Gesetz steht, im Arbeitsrecht macht jeder Richter/in/* wozu gerade Lust besteht, in München dies, in Köln das, in Hamburg ganz was anderes. Und wenn der Richter/in/* Hunger hat, dann ist man ohne Prüfung im Schnellverfahren seinen Job los.
Aber es betrifft den AG genauso wie den AN.
Die Richter befassen sich mit den Schriftsätzen nur noch oberflächlich.