Tipps für einen erholsamen Urlaub
"Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten", so steht es seit 1963 in § 8 des Bundesurlaubsgesetzes. Doch eine aktuelle Umfrage der Jobplattform Indeed unter 1.000 Arbeitnehmenden legt nahe, dass das bei vielen Angestellten in Deutschland nicht der Realität entspricht.
Mehr als die Hälfte arbeitet im Urlaub
Laut Studie geben 57,3 Prozent der befragten Arbeitnehmenden in Deutschland an, im Urlaub zu arbeiten. 19,6 Prozent davon tun das sogar regelmäßig, 37,7 Prozent immerhin gelegentlich. Die Bereitschaft, sich trotz Auszeit beruflich zu betätigen, liegt sogar noch höher: 71 Prozent der Deutschen fühlen sich in den Ferien verpflichtet, erreichbar zu sein.
Dieses Gefühl ist oft nicht aus der Luft gegriffen: Fast jede/r zweite Arbeitnehmende (48,7 Prozent) wurde schon im Urlaub zu beruflichen Themen kontaktiert. Zusätzlich zu der mangelnden Rücksichtnahme sind auch unzureichende Strukturen ein Faktor. So haben 29,1 Prozent der Deutschen keine funktionierende Vertretung und müssen deshalb auch während ihrer Auszeit dienstlich erreichbar sein. Von 17,3 Prozent wird Arbeitsbereitschaft im Urlaub sogar explizit vom Vorgesetzten erwartet.
Doch auch die Arbeitnehmenden selbst tragen eine Mitschuld. Laut der Studie verfolgen 29,6 Prozent der Befragten eigenständig die Geschehnisse, um im Urlaub nichts zu verpassen. Nur 16,2 Prozent geben an, wirklich gerne auch im Urlaub zu arbeiten, wobei dieser Wert bei Topverdienern (mehr als 7.000 Euro im Monat) mit 28 Prozent deutlich höher liegt als beim Rest.
Erreichbarkeit im Urlaub: wirtschaftliche Lage erhöht den Druck
Angesichts des stagnierenden Wirtschaftswachstums, der angespannten Lage am Jobmarkt und der Gefahr, von Künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden, empfindet jede/r zweite Befragte Druck, sich im Urlaub mit der Arbeit zu beschäftigen. 33,7 Prozent dieser Befragten verfolgen angesichts der aktuellen Situation das Geschehen im Job aufmerksamer als früher, ohne aktiv zu werden. Währenddessen geben 16,7 Prozent an, heute deutlich häufiger erreichbar zu sein. 7,3 Prozent der Befragten empfinden Stress in die entgegengesetzte Richtung: Ihnen ist es angesichts der aktuellen Lage umso wichtiger, abzuschalten.
Urlaub: Vor- und Nachbereitung ist ein Stressfaktor
Unabhängig davon, ob im Urlaub gearbeitet wird oder nicht: Auch die Vorbereitung einer Auszeit kann zur Zerreißprobe werden. 73,1 Prozent der Befragten geben an, vor ihrem letzten Urlaub Überstunden gemacht zu haben, um ihre Abwesenheit angemessen vorzubereiten, bei 22,9 Prozent nimmt das sogar über fünf Stunden in Anspruch. Und kaum ist die freie Zeit vorbei, steht für die Angestellten häufig noch mehr Stress an: 62 Prozent hatten während ihrer Abwesenheit keine Vertretung oder empfanden diese als unzureichend. Diese Belastung vor und nach dem Urlaub könnte dazu beitragen haben, dass mehr als zwei Drittel der Befragten (64,3 Prozent) sich nach ihrem letzten Urlaub nicht wirklich erholt gefühlt hat.
Frauen leiden mehr unter Urlaubsstress als Männer
Die Untersuchung zeigt teils signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Zum Beispiel fühlen sich 32,9 Prozent der Männer im Urlaub nicht verpflichtet, für die Arbeit verfügbar zu sein. Bei Frauen sind es dagegen nur 24,7 Prozent. Die Woche vor ihrem Urlaub empfanden 64,4 Prozent aller Frauen im Vergleich zu einer normalen Arbeitswoche als stressiger, verglichen mit lediglich 52 Prozent bei den Männern. Außerdem machen Frauen häufiger hohe Überstunden im Vorfeld ihrer Auszeit: Während nur 4,8 Prozent der Männer über zehn Überstunden in ihrer letzten Woche machen, sind es bei den Frauen mit 9,2 Prozent fast doppelt so viele. Dafür sind Männer im Durchschnitt häufiger mit ihrer Vertretung unzufrieden.
15 Tipps für einen erholsamen Urlaub
Das alles sind keine guten Voraussetzungen und keine guten Aussichten für einen erholsamen Urlaub. Denn gedankliche Distanz ist entscheidend, um den Urlaub wirklich genießen und richtig abschalten zu können. Trainerin und Coach Sabine Prohaska hat Tipps parat, wie Sie relaxt in den Urlaub fahren, Ihre Auszeit entspannt genießen und Stress vor und nach dem Urlaub vermeiden.
Tipp 1: Verreisen Sie offiziell einen Tag früher
Sagen Sie allen Freunden und Bekannten sowie Kunden und Kollegen, mit denen Sie nicht direkt zusammenarbeiten, dass Ihr Urlaub einen Tag früher beginnt. Sonst stapeln sich am letzten Arbeitstag die dringlichen Aufgaben auf Ihrem Schreibtisch und Ihr Telefon klingelt ohne Unterlass.
Tipp 2: Legen Sie keine Termine auf den letzten Arbeitstag
Vereinbaren Sie für den letzten Arbeitstag keine Reisetermine, Meetings sowie Arzt- und Friseurbesuche. Denn diese dauern oft länger als geplant. Die Folge: Sie starten völlig außer Atem in den Urlaub.
Tipp 3: Arbeiten Sie alles Wichtige und Dringende im Vorfeld ab
Erledigen Sie vor dem Urlaub alle wichtigen und dringlichen Aufgaben, die Sie nicht delegieren können. Sonst plagt Sie im Urlaub das schlechte Gewissen und es fällt Ihnen schwer, abzuschalten.
Tipp 4: Nehmen Sie keine Arbeitsunterlagen in den Urlaub mit
Urlaub ist Urlaub. Lassen Sie alle Unterlagen, die Sie an Ihre Arbeit erinnern, zuhause. Packen Sie auch keine Fachliteratur ein, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit steht. Und: Lesen Sie keine Tageszeitungen, schon gar nicht deren Wirtschaftsteil.
Tipp 5: Verhindern Sie, dass bei Ihrer Rückkehr ein Arbeitsberg auf Sie wartet
Sagen Sie Ihrem Assistenten oder Stellvertreter: "Nach meinem Urlaub sollten maximal so viele Vorgänge auf meinem Schreibtisch liegen, wie ich Urlaubstage habe." Sonst verleidet Ihnen der Gedanke an die Arbeit, die Sie erwartet, die letzten Urlaubstage.
Tipp 6: Nehmen Sie kein Mobiltelefon mit in den Urlaub
Vergessen Sie Ihr Smartphone zuhause. Denn wenn Sie sich permanent darüber informieren, was zuhause oder beispielsweise an der Börse passiert, gewinnen Sie nicht den nötigen Abstand vom Alltag, um wirklich weg zu sein. Sollte dies nicht möglich sein, dann lassen Sie zum Beispiel die eingehenden Telefonate in der Mailbox auflaufen. Dann entscheiden Sie selbst, ob und wann Sie zurückrufen.
Tipp 7: Beginnen Sie frühzeitig mit dem Packen
Beginnen Sie vier, fünf Tage vor Reiseantritt mit dem Packen. Dann können Sie noch rechtzeitig einen neuen Bikini oder eine neue Badehose kaufen, wenn Sie feststellen, dass Sie in Ihrem alten Outfit keine gute Figur mehr machen.
Tipp 8: Stimmen Sie sich bereits zuhause auf den Urlaub ein
Zum Beispiel, indem Sie abends im Bett Reiseführer schmökern oder sich auf Youtube Filmchen über Ihr Urlaubsziel anschauen.
Tipp 9: Feiern Sie den Urlaubsbeginn
Zum Beispiel, indem Sie im Flugzeug ein Gläschen Sekt trinken.
Tipp 10: Haben Sie kein schlechtes Gewissen beim Nichtstun
Vergessen Sie im Urlaub alles, was Sie über das Thema Zeit- und Selbstmanagement gehört haben. Im Urlaub gibt es nur eine "wichtige" und "dringliche" Aufgabe: sich erholen.
Tipp 11: Stellen Sie sich nicht unter Leistungsdruck
Übertragen Sie das Leistungsdenken, dem Sie im Alltag huldigen, nicht auf Ihren Urlaub. Sie müssen nicht jeden Berg erklimmen und nicht jedes Museum besuchen.
Tipp 12: Gestalten Sie Ihren Urlaub "agil"
Arbeiten Sie kein starres, vorab formuliertes Urlaubsproramm ab. Machen Sie das, wozu Sie gerade Lust und Laune haben – zum Beispiel nichts.
Tipp 13: Lassen Sie "Fünfe gerade sein"
Bei der Arbeit können Sie das "Null-Fehler-Prinzip" verfolgen. Doch im Urlaub sollten Sie ein "easy living" praktizieren. Sonst ärgern Sie sich über jeden lahmen Kellner und zu warmen Cocktail.
Tipp 14: "Verlängern" Sie Ihren Urlaub
Sagen Sie allen Personen, mit denen Sie nicht direkt zusammenarbeiten, dass Sie erst zwei Tage später zurückkehren. Sonst klingelt Ihr Telefon nach der Rückkehr ohne Unterlass. Dann ist die Erholung im Handumdrehen verflogen.
Tipp 15: Behalten Sie den Urlaub in Erinnerung
Stellen Sie ein Urlaubsfoto auf Ihren Schreibtisch oder laden Sie es als Startbild auf Ihren PC. Dann können Sie noch ab und zu von der Südsee oder den Bergen träumen.
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