Von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken: Vergütung anpassen

Eine Arbeitnehmerin, die ihre Arbeitszeit von Teilzeit auf Vollzeit aufstockt, hat nicht nur Anspruch auf mehr Gehalt, sondern auch auf eine höhere Leistungszulage. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Wer seine Arbeitszeit aufstockt, kann üblicherweise auch eine entsprechend höhere Vergütung erwarten. In der Praxis wird die Höhe der Vergütung regelmäßig am zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung bemessen. Doch bedeutet das auch, dass der Arbeitgeber eine Leistungszulage entsprechend der geänderten Arbeitszeit anpassen muss? Diese Frage hatte das Bundearbeitsgericht im Fall einer Diplom-Physikingenieurin zu entscheiden. Der Arbeitgeber wollte ursprünglich weder, dass die in Teilzeit beschäftigte Mitarbeiterin ihre Arbeitszeit auf Vollzeit verdoppelt, noch wollte er eine doppelte Leistungszulage zahlen. Vor Gericht setzte sich die Arbeitnehmerin durch.

Der Fall: Arbeitnehmerin stockt von Teilzeit auf Vollzeit auf

Die Arbeitnehmerin war als Diplom-Physikingenieurin in der Strahlentherapie bereits von 1998 bis 2007 bei dem Arbeitgeber, einem Krankenhaus, beschäftigt. Die gleiche Tätigkeit übte sie im Anschluss bei einem anderen Arbeitgeber, zuletzt in Teilzeit 50 Prozent aus.

2014 kehrte sie ebenfalls mit der Hälfte der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten zu ihrem vorigen Arbeitgeber zurück, um dort erneut als Diplom-Physikingenieurin in der Strahlentherapie tätig zu werden. Arbeitsvertraglich vereinbart wurde dabei die Geltung des Bundes-Angestellten-Tarifvertrags in kirchlicher Fassung (BAT-KF) und eine Vergütung nach dessen Entgeltgruppe 14. Da die Arbeitnehmerin bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ein höheres Gehalt bezogen hatte, einigten sich die Parteien auf eine zusätzliche monatliche Zahlung von 250 Euro brutto, um die Differenz auszugleichen. Ohne diese zusätzliche Zahlung, die in den Gehaltsabrechnungen später als „Leistungszulage“ ausgewiesen wurde, wäre die Arbeitnehmerin nicht bereit gewesen, zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückzukommen.  

Höhere Zulage wegen Vollzeittätigkeit?

Im Jahr 2020 beantragte die Mitarbeiterin von Teilzeit auf Vollzeit aufzustocken. Tariflich vorgesehenen waren bei einer Vollzeittätigkeit eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden. Dies lehnte der Arbeitgeber zunächst ab, woraufhin die Arbeitnehmerin im Februar 2022 eine auf § 9 TzBfG gestützte Klage erhob. Daraufhin einigte sich der Arbeitgeber mit ihr außergerichtlich auf eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf Vollzeit ab dem 1. Mai 2022. Die Tätigkeit wurde seitdem als Vollzeittätigkeit entsprechend dem BAT-KF vergütet, eine höhere Zulage lehnte der Arbeitgeber ab.

Die Arbeitnehmerin machte geltend, dass die Zulage als Vergütungsbestandteil wegen des nunmehr bestehenden Vollzeitarbeitsverhältnisses von 250 Euro auf 500 Euro brutto erhöht werden müsse. Nach Meinung des Arbeitgebers handelte es sich bei der monatlichen Zahlung aber um eine Pauschale, die zu Abwerbungszwecken gedacht war, nicht um einen Vergütungsbestandteil, der in Abhängigkeit zur Arbeitszeit stehe.

BAG: Zulage ist Vergütungsbestandteil

Das BAG kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber angesichts der verdoppelten Arbeitszeit auch die Zulage von 250 Euro auf 500 Euro monatlich erhöhen muss - und zwar ab dem Zeitpunkt der Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit. Aus Sicht des Gerichts war die "Abwerbung" der Arbeitnehmerin von ihrem vorherigen Arbeitgeber allenfalls das Motiv für die Bereitschaft des Arbeitgebers, der Mitarbeiterin eine höhere Vergütung zu zahlen, als tarifvertraglich vorgesehen war. De facto habe er ihr mit der Zulage eine übertarifliche Vergütung versprochen und gezahlt, um sie wieder als Arbeitnehmerin zu gewinnen.

Damit handele es sich bei der Zulage um einen Teil der Vergütung, die der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin für deren Arbeitsleistung nach § 611a Abs. 2 BGB schulde. Richtigerweise habe der Arbeitgeber der Mitarbeiterin entsprechend der gängigen Praxis einen neuen Arbeitsvertrag angeboten, indem die Erhöhung der Vergütung entsprechend der erhöhten Arbeitszeit vorgesehen war. Allerdings habe er fälschlicherweise angenommen, dass es sich bei der von ihm gewährten Zulage nicht um einen Vergütungsbestandteil handele. Diese hätte folglich ebenfalls angepasst werden müssen.

Kein Anspruch auf Vergütungsanpassung aus TzBfG

Die rechtliche Grundlage für die Anpassung der Vergütung bei der Aufstockung der Arbeitszeit folgt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nicht aus § 9 TzBfG. Dies hatte das Landesarbeitsgericht fehlerhaft angenommen. Das Bundesarbeitsgericht korrigierte diese Auffassung und stellte fest: Sowohl bei der Verkürzung der Arbeitszeit als auch bei deren Verlängerung überlässt das Gesetz die Folgen für die Gegenleistung der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien.

Da mit der Aufstockung auf Vollzeit das auf die bisherige Teilzeitbeschäftigung zugeschnittene Synallagma von Leistung und Gegenleistung außer Balance gerät, bedürfe es regelmäßig einer Neujustierung. In der Praxis werde dies üblicherweise so gehandhabt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag vorlegt, bei dem die Höhe der Vergütung am zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung bemessen ist. Vorliegend nahm die Arbeitnehmerin den Arbeitsvertrag nicht an, da ihr die Erhöhung der Zulage fehlte.

Anpassung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung

Wenn sich die Parteien - wie vorliegend - nicht einigen können, müsse die geschuldete Vergütung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden. Maßgeblich sei also, was Arbeitgeber und Arbeitnehmerin für einen solchen Fall "bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten". Hier habe der Arbeitgeber entsprechend der im Arbeitsleben gängigen Praxis in dem neuen Arbeitsvertrag eine dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende quotale Erhöhung der Vergütung vorgesehen und gewollt, stellte das Gericht fest. Er habe nur verkannt, dass die Zulage ein Vergütungsbestandteil sei. Damit war die Zulage entsprechend zu verdoppeln.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023, Az. 5 AZR 168/23, Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2023, Az. 12 Sa 20/23 


Das könnte Sie auch interessieren:

Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben

Teilzeitbeschäftigte bei Überstundenregelung benachteiligt

Betriebsrente darf für Teilzeitbeschäftigte geringer ausfallen


Schlagworte zum Thema:  Teilzeitarbeit, Arbeitszeit, Vergütung, BAG-Urteil