Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten: BAG befragt EuGH

Der EuGH soll klären, ob es Teilzeitbeschäftigte diskriminiert, wenn bei der Zahlung einer tariflichen "Mehrflugdienststundenvergütung" ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden nicht zwischen Voll- und Teilzeitkräften differenziert wird. EU-Generalanwalt Nicholas Emiliou sieht in seinen Schlussanträgen keine Diskriminierung.

Teilzeitbeschäftigte dürfen wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmende. Eine unterschiedliche Behandlung muss sachlich gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) muss entscheiden, ob ein Pilot, der in Teilzeit beschäftigt ist, bei der Vergütung diskriminiert wird. Die Fluggesellschaft, bei der er arbeitet, zahlt Mitarbeitenden aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen eine Zusatzvergütung, wenn eine bestimmte Zahl an Arbeitsstunden überschritten ist, wobei nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten unterschieden wird. Diese Regelungen werfen aus Sicht der Erfurter Richter Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht auf. Daher soll der EuGH dem BAG diese vorab beantworten.

Schlussanträge vor dem EuGH: Keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Vergütung

Generalanwalt Nicholas Emiliou hat am 1. Dezember 2022 seine Schlussanträge vor dem EuGH gehalten. Die Frage des Bundesarbeitsgerichts nach einer möglichen Diskriminierung und sachlichen Rechtfertigung beantwortet der Generalanwalt folgendermaßen: In der tariflichen Regelung, die bestimmte Auslösegrenzen für Zusatzvergütung vorsieht, die für Voll-und Teilzeitkräfte gleich sind, sei keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Vergütung zu erkennen. Beschäftigte in Teilzeit erhielten dadurch keine geringere Vergütung, so der Generalanwalt. Vielmehr erhielten sie für die gleiche Anzahl geleisteter Flugstunden die gleiche Vergütung wie vollzeitbeschäftigte Piloten. Ein Absenken der Grenze würde dagegen zu einer Besserstellung der Teilzeitbeschäftigten führen, stellte der Generalanwalt fest. 

Der Fall: Pilot in Teilzeit sieht sich bei Vergütung diskriminiert

Der Arbeitnehmer ist als Pilot und Erster Offizier seit 2001 bei einer deutschen Airline beschäftigt. Er arbeitet seit 2010 in Teilzeit und hat seine Arbeitszeit auf 90 Prozent der Vollarbeitszeit verringert. Dafür erhält er eine um zehn Prozent ermäßigte Grundvergütung. In der Praxis wird das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis so umgesetzt, dass er zusätzlich 37 freie Tage im Jahr erhält. An seinen Einsatztagen sind seine Flugdienststunden jedoch nicht reduziert.

Nach den einschlägigen Tarifverträgen für das Cockpitpersonal erhalten Beschäftigte eine "Mehrflugdienststundenvergütung", wenn sie eine bestimmte Zahl von Flugdienststunden im Monat geleistet und damit die Grenzen für die erhöhte Vergütung überschritten ("ausgelöst") haben. Diese sogenannten Auslösegrenzen gelten einheitlich für Arbeitnehmende in Teilzeit und in Vollzeit.

Auslösegrenzen für Teilzeitbeschäftigte senken?

Der Pilot verlangt vom Arbeitgeber die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Flugdienststunden, die er im Verhältnis mehr geleistet hat. Nach seiner Auffassung sind die tariflichen Bestimmungen unwirksam, da sie Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund schlechter als Arbeitnehmende in Vollzeit behandelten. Die Auslösegrenzen für die Zusatzzahlung müssten proportional für Teilzeitbeschäftigte abgesenkt werden.

Höhere Arbeitsbelastung als sachliche Rechtfertigung?

Der Arbeitgeber hält die Tarifnormen dagegen für wirksam. Die Zusatzvergütung für Mehrflugdienststunden diene dazu, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Diese bestehe aber erst, wenn die tariflichen Auslösegrenzen überschritten seien.

BAG befragt EuGH zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht

Das BAG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren seine Fragen vorgelegt. Die Richter in Luxemburg sollen klären, ob eine mögliche schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gerechtfertigt sein kann, wenn die zusätzliche Vergütung eine besondere Arbeitsbelastung ausgleichen soll. Zudem möchte das BAG wissen, ob bei der Prüfung einer möglichen Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten - dadurch, dass die Zusatzvergütung von einer einheitlichen Stundenanzahl abhängt - auf die Gesamtvergütung und nicht auf den Entgeltbestandteil der zusätzlichen Vergütung abzustellen ist. Das EuGH-Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.

Hinweis: Schlussanträge vom 1. Dezember 2022 in der Rechtssache C‑660/20 ; BAG, Beschluss vom 11. November 2020, Az: 10 AZR 185/20 (A); Vorinstanz: LAG München, Urteil vom 19. November 2019, Az: 6 Sa 370/19


Das könnte Sie auch interessieren:

Wann Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilzeit haben

Diskriminierung auch ohne konkreten Bewerber möglich

Müssen Arbeitgeber bei Mehrarbeitszuschlägen die Urlaubszeiten berücksichtigen?

Schlagworte zum Thema:  Teilzeitarbeit, Diskriminierung, EuGH, Vergütung