
Selten beginnt der Start eines neuen Mitarbeiters im Unternehmen zu Jahresbeginn. In den meisten Fällen findet der erste Arbeitstag irgendwann im Laufe des Jahres statt. Es stellt sich dann häufig die Frage, wie sich der Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnet.
Durch den Arbeitgeberwechsel soll es grundsätzlich zu keiner "Urlaubsvermehrung" des Arbeitnehmers kommen - sei es zulasten des neuen oder auch des früheren Arbeitgebers. Aber möglicherweise hat der neue Mitarbeiter seinen vollen Jahresurlaub bereits beim vorigen Arbeitgeber genommen oder ihm wurde sogar mehr Urlaub gewährt, als er eigentlich beanspruchen durfte. Wie viel Urlaub muss ihm der neue Arbeitgeber dann noch gewähren? Aufschluss gewährt hier das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel im ersten Halbjahr
Arbeitnehmer haben laut Bundesurlaubsgesetz Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub, der nach § 3 BUrlG mindestens 24 Werktage beträgt. Wann Urlaubsanspruch verfällt und wann Urlaubsübertragung möglich ist, lesen Sie hier.
Möglicherweise hat der bisherige Arbeitgeber dem ausscheidenden Mitarbeiter aber vor Ende seines Arbeitsverhältnisses bereits den vollen Jahresurlaub gewährt. Normalerweise kann er dafür kein Geld zurückfordern – zumindest nicht, wenn es nur um den gesetzlichen Mindesturlaub geht. Tarif- oder Arbeitsverträge können durchaus andere Regeln vorsehen. Allerdings hat dies Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber.
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel im zweiten Halbjahr
Wechselt der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte den Arbeitgeber hat er für diesen Zeitraum vollen Urlaubsanspruch beim bisherigen Arbeitgeber erworben, als auch einen Teilurlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber. Fälle von Doppelurlaub entsprechen aber nicht dem Urlaubszweck und sind deshalb von § 6 Abs. 1 BUrlG ausgeschlossen: Der Arbeitnehmer hat gegen seinen neuen Arbeitgeber deshalb keinen Urlaubsanspruch, soweit ihm für das laufende Kalenderjahr Urlaub bereits von seinem bisherigen Arbeitgeber gewährt wurde.
Dies betrifft nur die Konkurrenz von einem Vollurlaub mit einem Teilurlaub in einem Kalenderjahr. Zwei Teilurlaube in einem Kalenderjahr sind möglich.
Urlaubsanspruch verkürzt sich um genommenen oder abgegoltenen Urlaub
Der Grundsatz, dass es keinen Doppelurlaub geben darf, gilt sowohl für genommenen Urlaub als auch für abgegoltenen Urlaub. Anzurechnen sind alle durch den bisherigen Arbeitgeber gewährte Urlaubsansprüche, soweit dadurch der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt wurde. Wenn der Arbeitnehmer sich seinen nicht genommenen Urlaub vom bisherigen Arbeitgeber also abgelten lässt, kann der neue Arbeitgeber auch diesen auf den aktuellen Urlaubsanspruch anrechnen und diesen insoweit kürzen.
Urlaubsbescheinigung bei Arbeitgeberwechsel nach § 6 BUrlG
Damit dies so funktioniert, ist der bisherige Arbeitgeber gemäß § 6 Abs.2 BUrlG verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen, sobald das Arbeitsverhältnis endet.
Tipp: Arbeitgeber sollten die Urlaubsbescheinigung des bisherigen Arbeitgebers am besten direkt bei einer Neueinstellung - spätestens beim ersten Urlaubsantrag - einfordern, um nicht doch "doppelten Urlaub" zu gewähren.
Im Streitfall muss der Arbeitnehmer seinem neuen Arbeitgeber nachweisen, ob und wie viel Urlaub er bei seinem bisherigen Arbeitgeber bereits gewährt bekommen hat. Solange er eine Urlaubsbescheinigung nicht vorlegt oder anderweitig nachweist, ob und wie viel Urlaub bereits gewährt ist, kann der neue Arbeitgeber die Urlaubsgewährung hinausschieben.
Schlagworte zum Thema: Urlaubsanspruch, Urlaubsbescheinigung, Arbeitgeberwechsel
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Jetzt anmeldenhau10 Tue Feb 06 16:12:36 CET 2018
Interessant wäre in diesem Zusammenhang noch ein Beispiel, wie hoch der Anspruch beim neuen Arbeitgeber wäre, wenn der bisherige Arbeitgeber weniger Urlaub gewährt hätte.
Beispiel:
Arbeitgeber A: Jahresurlaub 24 Tage
Arbeitgeber B: Jahresurlaub 30 Tage
Wechsel von A nach B ab 01.03., somit wurden bei A vier Tage gewährt.
B würde von 01.03.-31.12. 25 Tage gewähren.
Ist das so korrekt, oder müsste B 26 Tage gewähren, um auf die 30 Tage Jahresurlaub zu kommen?
Antworten
Kristina Enderle da Silva Wed Feb 07 13:33:47 CET 2018
Lieber hau10,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Antwort ist leider nicht einfach - und auch nicht eindeutig: Gesetzlich ist diese Konstellation leider nicht geregelt. Es bestehen unterschiedliche Auffassungen:
Beim neuen Arbeitgeber ist nach Erfüllung der Wartezeit am 1.9. ein Vollurlaubsanspruch entstanden. Von den 30 Tagen kann der Arbeitnehmer aber nur noch 26 Tage verlangen, denn 4 Tage hat er bereits erhalten. Das bedeutet, dass der 2. Arbeitgeber nach der herrschenden Meinung den Urlaub quasi auffüllt.
In der Fachliteratur wird auch die Auffassung vertreten, der neue Arbeitgeber brauche den anteiligen Vollurlaubsanspruch nicht aufzufüllen (AnwK-ArbR/Düwell, 2. Aufl. 2010, § 6 BUrlG, Rz. 25, allerdings für den Fall des Wechsels in das neue Arbeitsverhältnis vom 30.6. zum 1.7. ), sondern habe nur seinen Zeitanteil am zugesagten Jahresurlaub zu gewähren, hier also 10/12 von 30, aufgerundet also 25 Tage.
Allerdings spricht für die hier herrschende Meinung, vom grundsätzlich geschuldeten Vollurlaub lediglich den gewährten Urlaub abzuziehen, dass § 6 BUrlG an den vom zweiten Arbeitgeber zugesagten Urlaub anknüpft und diesen mindert, soweit der erste Arbeitgeber bereits Urlaub gewährt hat. Sie stellt die wortlautnähere Auslegung dar. Hätte der Arbeitnehmer zuvor in keinem Arbeitsverhältnis gestanden, hätte er in diesem Fall in dem am 1.3. begründeten Arbeitsverhältnis auch einen Vollurlaubsanspruch erworben, da die Wartezeit nach § 4 BUrlG erfüllt ist.
Ich hoffe, wir konnten Ihnen damit weiterhelfen.
Viele Grüße
Kristina Enderle da Silva, Redaktion Personal