
Das BAG hat kürzlich einem schwerbehinderten Bewerber eine Entschädigung zugesprochen, weil er vom Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Welche besonderen Pflichten im Bewerbungsprozess von Menschen mit einer Schwerbehinderung gelten.
Das BAG hat kürzlich einem schwerbehinderten Bewerber eine Entschädigung zugesprochen, weil er vom Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Welche besonderen Pflichten im Bewerbungsprozess von Menschen mit einer Schwerbehinderung gelten.
Bereits mit Eingang einer Bewerbung eines Schwerbehinderten haben Arbeitgeber unverzüglich die Schwerbehindertenvertretung zu informieren. Im gesamten Bewerbungsprozess sind zudem weitere Pflichten zu beachten. Für öffentliche Arbeitgeber gilt dies in besonderem Maße. Erst kürzlich sprach das Bundesarbeitsgericht (BAG) einem Bewerber eine Entschädigungszahlung wegen Benachteiligung nach dem AGG zu. Ein schwerbehinderter Bewerber hatte sich als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst beworben und war nicht zu einem Gespräch eingeladen worden. (Lesen Sie mehr in der News: Öffentliche Arbeitgeber müssen Schwerbehinderte zum Vorstellungsgespräch einladen)
Bewerbung von Schwerbehinderten: Pflicht zur Unterrichtung
Wenn eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen eingeht, ist der Arbeitgeber verpflichtet die Schwerbehindertenvertretung und die betriebliche Interessensvertretung, also den Betriebs- oder Personalrat zu unterrichten. Dies muss er gemäß § 164 Sozialgesetzbuch (SGB) IX unmittelbar tun. Der Arbeitgeber muss die entsprechenden Stellen also von Beginn an in den Bewerbungsprozess einbinden. Die Schwerbehindertenvertretung darf alle erforderlichen Unterlagen einsehen.
Schwerbehinderung: Pflichtverstoß mit unangenehmen Folgen
Unterlässt es der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- oder Personalrat über die Bewerbung zu informieren und kommt es bei einer Absage zum Prozess wird nach BAG-Rechtsprechung eine Benachteiligung des schwerbehinderten Bewerbers vermutet. Zudem begeht der Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit, wenn er die Schwerbehindertenvertretung oder die betriebliche Interessenvertretung vorsätzlich oder fahrlässig nicht, falsch oder zu spät über Bewerbungen informiert.
Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch?
Öffentliche Arbeitgeber treffen in einem Bewerbungsprozess noch einmal besondere Pflichten. Entsprechend ihrer Vorbildfunktion müssen sie gemäß § 165 Satz 2 SGB IX schwerbehinderte Menschen, die sich bei ihnen um einen Arbeitsplatz bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Auf eine Einladung darf nur verzichtet werden, wenn dem Bewerber die fachliche Eignung für die Stelle offensichtlich fehlt. Ausnahmen können im gestuften Bewerbungsverfahren gelten. Lesen Sie dazu mehr in der News: Schwerbehinderung: Einladung zum Vorstellungsgespräch kein Muss
Anders als für öffentliche Arbeitgeber besteht für private Arbeitgeber keine Pflicht, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Vorstellungsgespräch: Darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?
Wenn von Beginn an, also mit der Bewerbung, deutlich ist, dass der Bewerber eine Schwerbehinderung hat, darf die Schwerbehindertenvertretung auch an Vorstellungsgesprächen teilnehmen. Ist die Schwerbehinderteneigenschaft dagegen nicht offenbart, darf der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nicht danach fragen. Die Frage nach einer Schwerbehinderung ist diskriminierend und daher unzulässig. Ausnahmsweise zulässig sind Fragen dazu nur dann, wenn bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten für die Tätigkeit erforderlich sind. Dann darf der Arbeitgeber fragen, ob Beeinträchtigungen des Bewerbers vorliegen, die ihn für die Anforderungen der Stelle ungeeignet erscheinen lassen.
Schwerbehinderung: Ablehnung einer Bewerbung
Der Arbeitgeber darf schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsprozess nicht diskriminieren. Das heißt, dass er entsprechend der Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) einen schwerbehinderten Bewerber und andere Bewerber nur aus sachlichen Gründen unterschiedlich behandeln darf, nicht aber aus Gründen der Behinderung. Eine Ablehnung darf also nicht wegen der Schwerbehinderung erfolgen.
Wenn der Arbeitgeber sich gegen einen schwerbehinderten Bewerber entscheidet, muss er nach § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX unverzüglich den betroffenen Bewerber, die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- oder Personalrat unterrichten und ihnen die Gründe für die Ablehnung mitteilen. Diese Pflicht zur Unterrichtung greift jedoch laut BAG nur dann, wenn das in den § 164 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB IX beschriebene „Verfahren“ durchlaufen wird, wenn also
- der Arbeitgeber die Beschäftigungsquote nach § 154 SGB IX nicht erfüllt hat,
- die Schwerbehindertenvertretung, der Betriebs- oder Personalrat mit der ablehnenden Entscheidung nicht einverstanden sind und
- die einzelnen Gründe mit den genannten Gremien erörtert wurden.
Verstößt der Arbeitgeber gegen die (so verstandene) Unterrichtungspflicht, kann daraus im Grundsatz eine Indizwirkung abgeleitet werden, dass der Arbeitgeber den Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung nicht berücksichtigt habe.
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es ist nicht zutreffend, dass die Ablehnung schwerbehinderter Bewerber uneingeschränkt der Begründungspflicht unterliegt. Voraussetzung ist vielmehr nach § 164 Abs. 1 Sätze 7-9 SGB IX, dass kumulativ
(1) der/die Bewerber/in tatsächlich schwerbehindert ist,
(2) die Beschäftigungspflichtquote nach § 154 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt ist,
(3) der Betriebsrat/Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung mit der Entscheidung des Arbeitsgebers nicht einverstanden ist,
(vgl. die Urteile des 9. Senats des BAG vom 15.02.2005 – 9 AZR 635/03 und 18.11.2008 – 9 AZR 643/07 und des 8. Senats vom 21.02.2013 – 8 AZR 180/12, Pressemitteilung Nr. 13/2013)
Mit freundlichen Grüßen
E.-W. Moersch
Rechtsanwalt
- Fachanwalt für Arbeitsrecht -
Hannemann, Eckl & Moersch Rechtsanwälte PartGmbB
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vielen Dank für Ihren Kommentar und Hinweis.
Tatsächlich ist die Frage nach der nicht erfüllten Pflichtquote als Voraussetzung für den Unterrichtungsanspruch ziemlich umstritten. Diese Tatsache sowie die unterschiedlichen Ansichten (und v.a. die Haltung des BAG) gingen jedoch aus der ursprünglichen Formulierung nicht hervor. Daher haben wir nun die Ansicht des BAG aufgenommen und den Text (in den letzten zwei, drei Abschnitten) entsprechend angepasst.
Beste Grüße
Michael Miller, Haufe Online-Redaktion