Schwerbehinderung: Kündigung eines Arbeitnehmers rechtmäßig

Betriebsbedingte Kündigungen sind auch gegenüber schwerbehinderten Menschen zulässig. Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers – im Rahmen einer Restrukturierung in der Insolvenz – hat das BAG in einem aktuellen Fall für rechtmäßig erklärt.

Schwerbehinderte Menschen haben im bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 164 Abs. 4 SGB IX (§ 81 Abs. 4 SGB IX alte Fassung) einen besonderen Beschäftigungsanspruch. Für Arbeitgeber ergibt sich daraus eine besondere Verpflichtung, schwerbehinderten Arbeitnehmern eine ihren Kenntnissen und Fähigkeiten sowie ihrer gesundheitlichen Situation entsprechende Beschäftigung zu ermöglichen.

Der Beschäftigungsanspruch gibt schwerbehinderten Menschen jedoch keine Beschäftigungsgarantie. Das stellte das BAG in einem aktuellen Urteil klar. In diesem beleuchtet es das Verhältnis des schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruchs und der unternehmerischen Organisationsfreiheit, wobei auch insolvenzrechtliche Besonderheiten eine Rolle spielten.

Wegfall des Arbeitsplatzes: Kündigungsschutzklage eines Schwerbehinderten 

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer, der langjährig bei seinem Arbeitgeber, einer Gießerei, beschäftigt war, klagte vor Gericht gegen seine Kündigung. Gemäß Tarifvertrag galt für das Arbeitsverhältnis tariflicher Sonderkündigungsschutz. Der Arbeitgeber eröffnete das Insolvenzverfahren zunächst in Eigenverwaltung. Zur Umstrukturierung des Betriebs beschloss er mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich im Sinne der Insolvenzordnung (InsO). Dieser sah den Abbau von 19 Mitarbeitern und dabei den Ausspruch von 17 betriebsbedingten Kündigungen vor – darunter die Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers.

Arbeitnehmer beruft sich auf Beschäftigungsanspruch und tariflichen Sonderkündigungsschutz

Die Umstrukturierung des Betriebs beinhaltete eine Umverteilung der Aufgaben und somit auch den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des schwerbehinderten Arbeitnehmers vor. Die Hilfstätigkeiten, die er bisher ausübte, sollten fortan von verbliebenen Fachkräften miterledigt werden. Andere Tätigkeiten kann er nicht ausüben. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hielt die Kündigung für unwirksam. Vor Gericht berief er sich auf den gesetzlich verankerten Beschäftigungsanspruch sowie den tariflichen Sonderkündigungsschutz. Der Arbeitgeber sah sich zu einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht in der Lage.

BAG: Rechtmäßige Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers

Die Kündigungsschutzklage des schwerbehinderten Arbeitnehmers blieb – wie schon in den Vorinstanzen – vor dem BAG ebenfalls ohne Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis durch die rechtmäßige Kündigung ordnungsgemäß beendet wurde. Die Argumentation des Arbeitnehmers konnte das Gericht nicht überzeugen.

Die Richter wiesen in der Urteilsbegründung darauf hin, dass der tarifliche Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung zeige. Aus ihrer Sicht bestehen hiergegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Arbeitgeber hat unternehmerische Organisationsfreiheit

Auch auf den Beschäftigungsanspruch aus § 164 SGB IX konnte sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer aus Sicht des BAG nicht berufen. Dieser komme nur bei einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht. Eine solche habe es vorliegend nicht aber gegeben. Die Richter betonten, dass der Beschäftigungsanspruch aus § 164 SGB IX keine Verpflichtung für den Arbeitgeber beinhalte, einen Arbeitsplatz für schwerbehinderte Arbeitnehmer zu schaffen oder zu erhalten, den er nach seinem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.


Hinweis: BAG, Urteil vom 16.5. 2019, Az: 6 AZR 329/18; Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil vom 5.1.2018, Az: 16 Sa 1410/16


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