Was tun bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit

Die Anzahl an Krankschreibungen in Unternehmen ist aktuell hoch. Die Gründe hierfür sind komplex. Nicht selten fragen sich Arbeitgeber, ob die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter tatsächlich schon wieder krank ist oder vielleicht einfach blau macht. Besonders, wenn Mitarbeitende regelmäßig kurz vor oder nach dem Wochenende krank sind oder direkt nach der Kündigung, können sich Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ergeben.
Das Unternehmen Tesla reagierte auf die hohen Fehlzeiten speziell freitags in der Spätschicht mit Kontrollbesuchen der Geschäftsführer bei den Mitarbeitenden. Das BAG entschied kürzlich, dass die Mitarbeiterüberwachung durch eine Detektei wegen einer mutmaßlich vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit Grenzen hat. Doch welches Vorgehen ist rechtlich zulässig, wenn Arbeitgeber befürchten, dass mit der Krankmeldung von Mitarbeitenden etwas nicht stimmt?
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit
Meist kann der Arbeitgeber nicht sicher sein, ob die Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten nur vorgetäuscht ist. In den meisten Fällen ist es ein Bauchgefühl, das zu einem Misstrauen führt - sei es wegen der Häufigkeit der Krankheiten oder weil die Krankmeldung regelmäßig kurz vor oder nach dem Wochenende erfolgt.
Selbst wenn der kranke Mitarbeiter beim Hausbau, im Fitnessstudio oder auf einer Party gesichtet wird: Für den Arbeitgeber ist es schwierig nachzuweisen, dass die attestierte Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist, da er die Diagnose nicht kennt. Bei diesem sensiblen Thema ist das weitere Vorgehen also unbedingt abzuwägen, denn nicht jede Vermutung, dass der oder die Arbeitnehmende nur vorgetäuscht krank ist, ist auch begründet.
Problem Beweislast: Zweifel an der AU beweisen
Sollte der Arbeitgeber eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vermuten, so ist er derjenige, der zunächst beweisen muss, dass seine Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit berechtigt sind. Das gestaltet sich in der Praxis oft schwierig. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt grundsätzlich ein hoher Beweiswert zu. Zudem sind Arbeitnehmende bei einer Krankheit nur verpflichtet, Dinge zu unterlassen, die ihrer Gesundheit schaden. Für eigene Nachforschungen ist der Rahmen recht eng gesteckt.
Tipp: Zuerst sollte immer das direkte Gespräch gesucht werden. So ist der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zwar nicht verpflichtet, Auskünfte zur Krankheit zu erteilen, jedoch können oft schon aus der direkten Reaktion viele Informationen abgeleitet werden. Offene Gespräche schaffen Vertrauen und beugen weiterem Misstrauen vor.
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Hausbesuche bei kranken Beschäftigten
Grundsätzlich ist ein Aufsuchen von Mitarbeitenden bei dem dringenden Verdacht auf eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung in Zusammenhang mit der Krankmeldung zulässig. Allerdings sind Beschäftigte nicht verpflichtet, während ihrer Arbeitsunfähigkeit permanent zuhause zu sein, sondern sie dürfen - solange es ihrer Gesundheit nicht abträglich ist -, auch spazieren gehen oder etwas einkaufen. Sie sind auch nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die Tür zu öffnen.
Gesetzliche Nachweispflicht durch Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
Falls der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht zu einem Gespräch bereit ist oder danach weiter Zweifel bestehen, ob wirklich eine Erkrankung vorliegt, kann der Arbeitgeber künftig eine frühzeitigere Vorlage einer AU-Bescheinigung vom Mitarbeitenden verlangen. Beschäftigte sind nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unmittelbar mitzuteilen. Eine verpflichtende Vorlage einer AU-Bescheinigung ist hingegen erst bei einer länger als drei Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit vorgesehen.
Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage der AU-Bescheinigung bereits früher, also auch bereits am ersten Fehltag, zu verlangen. Wenn der Mitarbeitende dann keine Bescheinigung vorweisen kann, darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Dies kann er ebenfalls tun, wenn er die Richtigkeit der AU-Bescheinigung anzweifelt.
Tipp: Bei akuten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit sollte der Arbeitgeber sofort auf ein ärztliches Attest bestehen.
Zweifelhafter Beweiswert der AU
Wenn der Arbeitgeber die Richtigkeit eines ärztlichen Attestes anzweifelt, muss er - bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung - um den Beweiswert zu erschüttern Tatsachen vortragen können, die "geeignet sind, ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu begründen". Nach BAG-Rechtsprechung sind Zweifel beispielsweise berechtigt, wenn ein Arbeitnehmer sich am Tag der Kündigung arbeitsunfähig meldet und die Dauer der Krankschreibung genau die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses abdeckt.
Berechtigte Zweifel am Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sind nach den Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit dem Medizinischen Dienst auch dann angebracht, wenn die Krankmeldung nach einer innerbetrieblichen Auseinandersetzung erfolgt oder ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Hinblick auf das bescheinigte Krankheitsbild vorliegt. Skeptisch machen kann nach § 275 SGB V auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wird, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist. Zudem können sich Zweifel ergeben, wenn Beschäftigte auffällig oft oder auffällig oft kurz arbeitsunfähig sind oder häufig zu Beginn oder Ende der Woche.
Zusammenhang von Erkrankungen anfragen
Bei besonders häufigen Krankmeldungen eines Mitarbeitenden können Arbeitgeber auch eine sogenannte "Zusammenhangsanfrage" bei der Krankenkasse stellen. Sie können per Datenaustausch abfragen, ob vorhergehende Krankmeldungen aufgrund derselben Diagnose erfolgten. Wenn dem so ist, deutet dies auf ein Grundleiden hin, welches regelmäßiger Behandlung bedarf. Das könnte die AU oftmals gerechtfertigt erscheinen lassen. Jeweils akute Erkrankungen wie beispielsweise nicht-chronische Migräne, Bauschmerzen oder Schwindel gelten jedoch nicht als dieselbe Krankheit.
Vorlage beim MD: Beweiswert von AU-Bescheinigung erschüttern
Arbeitgeber können zudem von der Krankenkasse verlangen, dass diese eine gutachterliche Stellungnahme beim Medizinischen Dienst (MD) einholt. Die Krankenkassen können jedoch von einer solchen Einschaltung des MD absehen, die Krankmeldung zu überprüfen, wenn aus den vorliegenden Diagnosen die AU eindeutig nachvollzogen werden kann.
Durch die Stellungnahme des MD kann der Beweiswert der AU-Bescheinigung möglicherweise erschüttert werden. Aus diesem Grund werden bei einer abweichenden Beurteilung zunächst der behandelnde Arzt und die Krankenkasse über das Ergebnis informiert. Kann der Arzt seine Einschätzung nicht weiter begründen, übermittelt die Krankenkasse dem Arbeitgeber die Information, ob und bis wann eine Arbeitsunfähigkeit vom MD bestätigt wurde. Hiermit kann der Arbeitgeber eventuell den Gegenbeweis führen und arbeitsrechtliche Konsequenzen ableiten.
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Die Mitarbeiter der Krankenkassen sind sehr oft garnicht hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Frage des Anspruches auf Entgeltfortzahlung (gleiches Grundleiden, Einheitlichkeit des Erkrankungsfall, Fortsetzungszusammenhang usw. geschult) und wird es werden sehr oft falsche Auskünfte erteilt, wie sich dann in arbeitsgerichtlichen Verfahren später zeigt.
Der MDK reagiert meisten sehr langsam, so dass die Vorladung all zu oft den Mitarbeiter erst nach der fraglichen AU erreicht. Zudem werden die Einladungen mit einfacher Post versandt, die dann vom Mitarbeiter einfach ignoriert werden kann, ohne Folgen befürchten zu müssen.
Letztlich kann der Arbeitgeber, mit den wenigen Mitteln, die ihm noch zur Verfügung stehen sich nur selbst helfen.