Urteil

Kündigung wegen Krankschreibung aus dem Internet


Krankschreibung ohne Arztkontakt rechtfertigt Kündigung

Die Kündigung eines Mitarbeiters, der eine Online-Krankschreibung ohne persönlichen oder telefonischen Arztkontakt bei seinem Arbeitgeber eingereicht hatte, war rechtmäßig. Das entschied das LAG Hamm.

Für eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung braucht es eine ärztliche Untersuchung. Die Krankschreibung, die ein Arbeitnehmer über ein Internetportal kaufte, erfüllte diese Voraussetzung nicht. Er wählte das Angebot: "AU-Schein OHNE Arztgespräch", welches vom Internetanbieter mit dem Hinweis versehen war, dass man kostenlos stornieren könne, falls der Arbeitgeber dies nicht zeitnah akzeptiere und man sich doch lieber die "AU MIT Gespräch" besorgen wolle.

Dass der Arbeitnehmer diese AU-Bescheinigung, ohne ärztlichen Kontakt zu haben, dennoch - wider besseres Wissen - beim Arbeitgeber einreichte, führte zu seiner Kündigung. Zu Recht, wie das LAG Hamm entschied.

Der Fall: Kündigung wegen Einreichung einer falschen AU- Bescheinigung

Der Arbeitnehmer war seit 2018 zunächst als Trainee und dann als IT-Consultant beschäftigt. Er meldete sich im August für einige Tage krank. Für den Arbeitgeber lud er als Nachweis eine Bescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit im unternehmensinternen System hoch. Diese sah optisch weitestgehend aus wie der früher übliche "gelbe Schein". Darauf wurde die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit attestiert und es fand sich die Angabe, dass die Bescheinigung von einem "Privatarzt" per Telemedizin, also aufgrund einer Fernuntersuchung mittels Fragebogen, ausgestellt wurde.

Tatsächlich hatte der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kostenpflichtig über eine Website erworben. Hierfür füllte er lediglich einen Fragebogen aus, der vorgegebene Antwortmöglichkeiten enthielt. Es wurden beispielsweise Symptome wie Fieber, die ausgeübte Tätigkeit und die Intensität der Anstrengung der Arbeit abgefragt.

Der Arbeitnehmer gab seine Tätigkeit als Informatiker sowie Symptome wie Unwohlsein, trockener Husten, Gliederweh und Rückenweh an. Die Anstrengung bezeichnete er mit "mittel". Einen Kontakt zu einem Arzt oder einer Ärztin gab es bei der Erstellung der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit nicht - weder persönlich noch telefonisch oder digital. Denn der Arbeitnehmer hatte die kostengünstigere Variante gewählt: Der Internetanbieter bot einen "AU-Schein ohne Gespräch" und einen teureren "AU-Schein mit Gespräch" an und wies auf der Website ausdrücklich darauf hin, dass die Version ohne Arztkontakt im Streitfall vor Gericht einen geringeren Beweiswert hat.

Arbeitnehmer legt Kündigungsschutzklage ein

Am 18. September 2024 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Er war der Meinung, dass der Arbeitnehmer versucht habe, sich durch die Vorlage einer unechten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Entgeltfortzahlung zu erschleichen. Er habe ein unechtes medizinisches Attest vorgelegt, und dem Arbeitgeber vorgetäuscht, es habe ein Kontakt zu einem Arzt gegeben. Stattdessen entsprach die Onlinekrankschreibung nicht den Vorgaben der einschlägigen Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie, was der Arbeitnehmer nach Meinung des Arbeitgebers auch hätte erkennen müssen. Eine Abmahnung vor Ausspruch sei angesichts der Schwere der Pflichtverstöße nicht erforderlich gewesen.

Der Arbeitnehmer wehrt sich vor Gericht gegen seine Kündigung. Er behauptete, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und sich im Internet über die Möglichkeiten einer Krankschreibung informiert habe. Dabei habe er auch einen Internetanbieter ausgeschlossen, der im unseriös vorgekommen sei. Er habe auf die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vertraut.

LAG Hamm: Kündigung hat Arbeitsverhältnis aufgelöst

Das LAG Hamm entschied, dass die fristlose Kündigung im vorliegenden Fall das bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Das Verhalten des Arbeitnehmers war dem LAG Hamm zufolge ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB. Mit der Vorlage der AU-Bescheinigung habe er dem Arbeitgeber wahrheitswidrig suggeriert, dass es einen Kontakt zu einem Arzt gegeben habe. Die Pflichtverletzung stelle einen erheblichen Vertrauensbruch dar und rechtfertige eine Kündigung. Dabei sei unerheblich, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei oder nicht, urteilte das LAG Hamm.

Der Beweiswert der AU-Bescheinigung war erschüttert, da diese den medizinischen Standards, die in der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie niedergelegt sind, nicht entsprachen. Vor Gericht hätte der Arbeitnehmer darlegen müssen, dass er an den besagten Tagen krank war und welche Beschwerden er hatte. Dies sei ihm aber nicht gelungen.

Eine Abmahnung war auch nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich. Aufgrund der Schwere des Verstoßes sei diese entbehrlich, hieß es in der Begründung.

Hinweis: LAG Hamm, Urteil vom 5.9.2025, Az. 14 SLa 145/25


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