Abriss von Wohnungen auf Tiefstand – aber nicht fürs Klima
In Deutschland werden zu wenige Wohnungen gebaut, aber immerhin werden auch nicht mehr so viele abgerissen oder in Gewerbeflächen umgewidmet wie früher. Im vergangenen Jahr fielen etwa 16.500 der rund 43,4 Millionen Wohnungen aus dem Bestand, wie das Statistische Bundesamt am 7. September berichtete. Das war der niedrigste Abgang seit 1992. Der Rekord wurde 2004 erreicht, als mit rund 60.000 noch mehr als dreimal so viele Wohnungen vom Markt verschwanden.
Bei den ganz oder teilweise zum Wohnen genutzten Gebäuden sah es ähnlich aus: 12.600 Abgänge im Jahr 2022 sind weit vom Höchstwert entfernt - der stammt mit 30.000 Gebäuden von 1998. Neuere Gebäude (Baujahr zwischen 1987 und 2010) wurden deutlich seltener abgerissen oder umgewidmet (14 Prozent). Nur ein Prozent der Gebäude war nach 2011 errichtet worden.
Weniger Neubauvorhaben, weniger Abrisse?
Hauptgrund für Abrisse sind den Statistikern zufolge Neubauvorhaben. Ein knappes Drittel (32 Prozent) der abgerissenen Gebäude ist demnach vor 1948 gebaut worden, mehr als die Hälfte (53 Prozent) stammte aus den Jahren 1949 bis 1986.
Wohn- und Nichtwohngebäude werden demnach häufig abgerissen, um den Bau neuer Gebäude zu ermöglichen. Im Jahr 2022 traf das auf die Hälfte (50 Prozent) der abgegangenen Gebäude zu, wobei mehr als drei Viertel (79 Prozent) der späteren Neubauten als reine Wohngebäude angelegt waren. Eine Umwidmung zu Gewerbeflächen, war in mehr als jedem dritten (37 Prozent) Fall der Grund für einen Gebäudeabgang.
Mehr als die Hälfte (59 Prozent) der im Jahr 2022 abgerissenen oder umgewidmeten Gebäude war nach Angaben der Wiesbadener Behörde im Privateigentum – ein Drittel (33 Prozent) im Eigentum von Unternehmen wie Wohnungsunternehmen oder Kreditinstituten.
Nach jüngsten Daten des Bundesamtes fielen allein Jahr 2021 im Rahmen von Bau- und Abbrucharbeiten knapp 222 Millionen Tonnen Abfall an, die Mehrheit (88 Prozent) davon werde recycelt. Auf Deponien entsorgt wurden nur zehn Prozent der Abfälle.
Abrissmoratorium: Bedarf an Baustoffen reduzieren
Nach Angaben der Initiatoren eines Abrissmoratoriums, dem Architekten, Stadtplaner und unter anderem Institutionen der Baubranche angehören, entstehen jedes Jahr 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle, zudem sei der Gebäudebereich für etwa 35 Prozent des Energieverbrauchs und 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Trotzdem werde noch zu wenig Material recycelt und kaum nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft geplant und gebaut.
Ein Abrissmoratorium könnte zu einem verminderten Bedarf an Baustoffen führen, den CO2-Ausstoß und den Energieverbrauch verringern und Potenziale leerstehender Gebäude für die Schaffung neuer Wohnungen aktivieren. "Um dies zu erreichen, muss die Politik klare regulatorische Rahmenbedingungen schaffen", lautet die Forderung des Bündnisses.
Abrissmoratorium: Offener Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz
Architekten: Gebäude oft zu früh abgerissen
Der Stadtplaner Daniel Fuhrhop sorgte schon im Jahr 2015 mit einer Streitschrift gegen Abriss und Neubau für Aufsehen. Es sei ökologisch sinnvoller, Altbauten kreativ umzunutzen, so die These.
Seitdem habe sich allerdings einiges bewegt, schreibt der Bund Deutscher Architekten (BDA) in seinem Positionspapier "Das Haus der Erde": Die Erkenntnis, dass der Gebäudesektor zu den größten CO2-Emittenden gehört, führe zu einem Umdenken. Die Architekten plädieren dafür, dass alle Baumaterialien vollständig wiederverwendbar oder kompostierbar sein müssen. Der BDA sowie sämtliche Präsidiumsmitglieder gehören zu den Erstunterzeichnern des Abrissmoratoriums.
Kostenaspekte und ungeklärte Fragen nach der Wirtschaftlichkeit bewegen Entwickler oft noch, sich schneller für Abriss und Neubau zu entscheiden, wie eine Umfrage der "Architects for Future" von Dezember 2020 zeigt. Die Initiative forderte für einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche mehr Aufklärung über den Wert des Gebäudebestandes und dessen klimaschutztechnische Potenziale. 21 Prozent der Umfrageteilnehmer sprachen sich für eine "Umbauordnung" aus, mit der gesetzlich verbindliche Anforderungen für das Bauen im Bestand festgeschrieben werden.
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